Interessanterweise ist unbekannt, wer hinter den Plakaten steckt.
Die Allgemeine Plakatgesellschaft hat den Namen des Auftraggebers nicht bekannt gegeben.
"20 Minuten" vermutetet, dass die Invalidenversicherung der Auftraggeber ist und die
erste Phase einer zwei Phasen Kampagne ist:
1. Phase: Publikation einer Provokation.
|
2. Phase: Auflösung des Rätsels.
|
Nachtrag: 2. Phase: Die Auflösung:
|
Nachtrag vom 10. November 2009:
Siehe auch Persoenlich Blog
Die Plakate waren bereits am ersten Tag ein Diskussionsthema bei einem Seminar, bei
dem auch Behinderte dabei waren.
Es zeigte sich, dass die Behinderten dieser Schockkampagne nichts Gutes
abgewinnen konnten. Die Wenigsten wussten von der Auflösung, der zweiten Stufe
der Kampagne. Die Diskussion machte bewusst, dass es bei dieser
Plakataktion auch ums Verstehen und Missverstehen geht. Die Macher
der sechs Millionen teuren Kampagne
hatten sicherlich ihre Aktion als guter Beitrag für die Behinderten
betrachtet. Die Aktion weckte immerhin Aufmerksamkeit und man redete
darüber. Die Behinderten selbst, die von der gestaffelten Aktion
keine Ahnung hatten, ärgerten sich aber grün und blau. Eine
Organisation hatte in den Plakate Anzeichen übler Nachrede und
Verleumdung entdeckt und klagte die Auftraggeber ein.
Ob durch das Erzeugen von Aufregung den Behinderten geholfen wird?
Es darf bezweifelt werden, dass die Aktion dazu führt, dass
Behinderte vermehrt integriert werden. Die Werber hatten
die selektive Wahrnehmung der Menschen nicht berücksichtigt.
Leser und Macher redeten nebeneinander vorbei.
Man weiss, dass beim Wahrnehmen von Aussagen auf Plakaten
vor allem Aussagen nachhaltig wirken, die die eigenen Meinung stützt.
Gegenteilige Meinungen werden in der Regel ausgeblendet.
Schon im Herbst 2003 führte eine eigenwillige Antirassismuskampagne
zu einem Wirbel.
Damals wurde mit Worten und Bildern provoziert. Das Kalkül von Sigi Feigel,
dem Präsidenten der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus ging damals auf:
Mit relativ wenig Aufwand wurde mit einer Provokation grosse Aufmerksamkeit erzielt.
Danach hagelte es aber Kritik. Es stellte sich damals heraus, dass das Kleingedruckte
nicht gelesen wurde. Die Bilder und die fettgedruckten Texte haben die Vorurteile nur zementiert.
Feigel reagierte zuerst gelassen und war erfreut über die Kritik.
Er wollte wachrütteln und vor allem die Jungen erreichen, denn "bei
denen kann man noch etwas bewirken". Den Jungen gefalle die Kampagne.
Der "Vater der Antirassismusplakate" bestätigte damals, er habe mit den
provokativen Sprüchen und "visualisierten Vorwürfen"
bewusst irritieren und wachrütteln wollen.
Dass die provokativen Vorwürfe von vielen Passanten missverstanden
könnten und es zu vielen kritischen Stimmen kommen wird, war keine
Überraschung. Werber müssten sich mit wahrnehmungspsychologischen
Phänomenen besser auseinander setzen.
Um zu erkennen, dass Bilder mehr als Worte bewirken können,
ist kein Psychologiestudium nötig. Die Auflösung der Aussagen
auf den Antirassismusplakaten war zu klein geschrieben und wurde von
den Passanten kaum wahrgenommen. Auch die
NZZ vom 2. November 2003 meinte damals, es sei falsch zu glauben, den Teufel mit
dem Belzebub austreiben zu können.
Das Erreichen von Aufmerksamkeit dürfe nicht das oberste Ziel der Werbung sein.
Die Kampagne habe Vorurteile zementiert anstatt sie abzubauen. Eine Analyse
mit 120 Testpersonen habe dies bestätigt.
Walter Bösch von der Marketingberatungsfirma Management-Tools musste
damals eingestehen: "Die Kampagne ist derart missverständlich, dass die
Gefahr der Fehlinterperetationen gross ist."
Die kaum lesbaren verbalen Pointen wurden kaum wahrgenommen.
Das Kleingedruckte bewirkte weniger als drei Prozent der Aufmerksamkeit.
Die Augen der Testpersonen fixierten 90% der Zeit das rassistische Bild.
Bei allen Kommunikationsprozessen entscheidet bei
Wahrnehmungsprozessen der Empfänger. Wird eine Botschaft falsch
verstanden, so ist der Sender schuld.
|
Nachtrag vom 5. November, 2009:
20 Minuten
macht eine Übersicht über Schockplakate. Die meisten Beispiele hatten wir auf Rhetorik.ch
behandelt, und mehr:
|
Behinderten Plakat, 2009 |
Minarett, 2009 |
Es gibt kein Gott, 2009 |
Hitler und AIDS, 2009 |
Weinende Kinder, 2009 |
Kondomwerbung, 2009 |
Maria statt Scharia, 2009 |
Diebische Raben, 2008 |
Neue Aids Werbung, 2008 |
Ditch the Bitch, 2007 |
Schwarzes Schaf, 2007 |
Gruppenvergewaltigung, 2007 |
Dreistes Gucci, 2007 |
iGasm Werbung, 2007 |
Anti AKW, 2007 |
Nolita Kampagne, 2007 |
AIDS, 2007 |
Schockauto, 2006 |
Sexistische Werbung, 2006 |
EU Plakate, 2005 |
Radio Energy, 2004 |
16 jährig und Tabu, 2004 |
Einbürgerung, 2004 |
Bin Laden Plakat, 2003 |
Microsoft Schockreklame, 2002 |
Reklame mit Behinderten, 2002 |
Gemüse, 2002 |
Benetton, 2001 |
Nachtrag vom 28. November, 2009:
20 Minuten meldet:
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) stoppt die umstrittene
Plakatkampagne mit Sprüchen wie "Behinderte sind dauernd krank".
Bundesrat Didier Burkhalter hat beschlossen, auf die geplante
Weiterführung im Frühling 2010 zu verzichten.
|
Nachtrag vom 3. Februar: SN vom 3. Februar.
Tabu Plakate
|
|
|