Die Plakate
Das Kalkü von Sigi Feigel, dem midial versierten Präsidenten der
Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA ist aufgegangen: Mit relativ wenig
Aufwand wurde maximale Wirkung zu erzielt:
Kaum hängen die ersten Plakate in denen simple Klischees
und hässliche Vorurteile von einer
unerwarteten Pointe gefolgt werden, wird die Kampagne aber bereits breit
diskutiert.
"Woher haben die Kosovo-Albaner ihre Autoradios?" steht auf dem einen Plakat in fetten
Lettern, daneben lacht ein holzschnittartig gezeichneter Männerkopf
mit Goldzahn. Wer auch das Kleingedruckte lesen mag, erfährt die
Antwort: "Aus dem Fachgeschäft, wie die meisten Schweizer auch."
Die bunten Sujets sind richtige Augenfänger.
Kritiker
- "Was soll das mit diesen Bananen und Kokosnüssen?", fragt sich Andrew
Katumba, Sohn eines Einwanderers aus Uganda.
"Ich lebe seit meiner Geburt in einer Stadt, bin ein Kosmopolit, so wie
die meisten Schwarzen hier. Wir kommen doch nicht aus dem Busch."
Ihn stört, dass die Ausländer gleich doppelt karikiert werden,
sowohl in den Sprüchen als auch in der Bildsprache. Dies wirke in
der Kombination allzu platt.
- Nach Ansicht von Natalie Avanzino, einem Vorstandsmitglied des Vereins
"Secondo", sind die Werber "eine Spur zu weit gegangen". Katumba und
Avanzino bezweifeln zudem, dass die Aktion tatsächlich zum Nachdenken
anregt. Der Schuss könnte nach hinten losgehen, sagen die beiden,
weil ein Grossteil der Leute die klein gedruckte Pointe ganz unten am
Plakat übersehen, ergo den Witz nicht verstehen. Somit würde
die Aktion bei den Leuten bloss vorhandene Vorurteile zementieren.
Ironie und Satire wird vom Durchschnittspublikum nicht verstanden.
Wer dies nicht beachtet, muss damit rechnen, dass die Aussage falsch verstanden
wird.
- Eine Beobachtung, die Willy Wyss, verheiratet mit einer Thailänderin
und Präsident der Thai Swiss Association, bereits gemacht hat:
Einige Bekannte hätten ihn auf die Plakate angesprochen, erzählt
er. Aber sie hätten sich nur die Bilder angeschaut, die Botschaft
dahinter nicht erkannt. "Ist ja auch klar, an Plakaten fährt man
vorbei, man bleibt nicht stehen und studiert sie minutenlang." Ihn
erinnert die Sache deshalb an vergangene SVP-Kampagnen, etwa jene
Plakate in Zürich, auf denen gross "Kosovo-Albaner Nein" stand, erst
dem Kleingedruckten entnahm man, dass sich das Nein auf ein geplantes
Kontaktnetz bezog.
- Tatsächlich kann auch SVP-Präsident Ueli Maurer eine gewisse
Ähnlichkeit erkennen, von den Zeichnungen her, von der Art her -
"das ist ja unser Stil", habe er als Erstes gedacht, sagt er. Wobei er
die Aktion als "fragwürdig" bezeichnet und noch fragwürdiger
findet, dass der Bund aus dem Fonds für Projekte gegen Rassismus
und für Menschenrechte 200'000 Franken an die Kampagne bezahlt hat.
Irritation erwünscht?
Sigi Feigel, der die Kampagne verantwortet, reagiert darauf gelassen.
Er sei erfreut über die Kritik. Sie gehöre zum Konzept.
Man wolle wachrütteln, vor allem die Jungen, denn "bei denen
kann man noch etwas bewirken". Und den Jungen, da ist er sich sicher,
gefällt die Kampagne. Feigel kann als Erfolg verbuchen, dass es
die Kampagne auch auf die redaktionellen Seiten der Presse schafft -
und vielleicht bald Diskussionsrunden im Fernsehen abwirft. Er habe Urs
Leuthard empfohlen, das Thema in der "Arena" aufzunehmen, erzählt
er unverblümt. Ebenso als Erfolg darf Feigel werten, dass sowohl
Zeitungsverleger als auch die Plakatgesellschaft Plakanda gratis Platz
für die Aktion zur Verfügung stellen und er die Spots umsonst
in den Kinos zeigen kann.
Der "Vater der Antirassismusplakate" wollte mit
den provokativen Sprüchen d.h. den "visualisierten Vorwürfen"
bewusst irritieren und wachrütteln und das Feld nicht den Politlümmeln
überlassen. Feigel ist der Ansicht, dass
immer wieder derartige Vorwürfe zu hören sind.
Fazit
Dass die provokativen Vorwürfe von vielen Passanten missverstanden werden
und es zu vielen kritischen Stimmen kommen wird, war vorhersehbar.
Man muss sich nicht einmal mit wahrnehmungspsychologischen Phänomenen
auseinandersetzen, um zu erkennen, dass Bilder mehr als Worte bewirken
können. Die Auflösung der Aussagen ist zu klein geschrieben und
wird von den Passanten kaum wahrgenommen. Ironie wird von der Masse leider
selten richtig verstanden. Nach unserem Dafürhalten ist diese Werbekampagne
langfristig kontraproduktiv, obschon sie nun überall thematisiert wird.
Billige Vorurteile werden unnötigerweise erneuert und nisten sich im
Unterbewusstsein ein.
Links
|