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www.rhetorik.ch aktuell: (31. August, 2003)

Wirbel um ein SVP Plakat



Der jüngste Wahlvorschlag der Basler SVP zeigt im Schweizer Kreuz den Terroristen Osama Bin Laden. Damit scheint der Wettkampf um das geschmackloseste Plakat kein Ende gefunden zu haben. (Vergleiche z.B. Aktuell vom 29. Juli). Die Basler SVP will angeblich alle andern provokativen Plakate übertumpfen.
Was soll dieses Plakat? Angelika Zanolari SVP Präsidentin von Basel Stadt versucht, das Bild so zu begründen:
Angelika Zanolari "Bin Laden ist zur Zeit der Top-terrorist unseres Planeten. Wer glaubt, die Schweiz sei von terroristischen Anschlägen gefeit, der irrt sich gewaltig."
Damit zieht die Parteipräsidentin gegen die Islamisten in der Schweiz los:
Angelika Zanolari "Die islamistischen Fundamentalisten weilen bereits seit einiger Zeit bei uns und gefährden die innerer Sicherheit der Schweiz im höchsten Masse."
Das Basler Polizeidepartement hat inzwischen das Plakat verboten, jedoch ohne Wissen ihres Chefs, Regierungsrat Jörg Schild. Dieser sagte noch am Abend des 30. August:
Joerg Schild "Ich finde es ungeschickt, vor den Wahlen Plakate zu verbieten. Geschmacklosigkeit ist nicht strafbar."
Damit scheint noch nicht definitv entschieden, ob das Verbot überhaupt durchgesetzt wird.
Bei früheren Beiträgen (siehe z.B. Expo ), haben wir immer darauf hingewiesen, dass Provokateure dann Erfolg haben, wenn sich anderer provozieren lassen. Das heisst: Nichts ist schlimmer für Provokateure, als das Nichtbeachtetwerden.
Wie es kommen musste, hat die SVP postwendend reagiert und spricht heute von einem Skandal. Sie meint damit nicht das Plakat, sondern das Verbot. Die SVP Basel kündigte gegen das Verbot rechtliche Schritte an.


Einmal mehr bestätigt sich: Provokationen machen sich meist bezahlt. Man ist im Gerede und bekommt eine Gratisplattform.


Nachtrag vom 5. September. Das gerupfte Huhn

Nach den verschiedenen provokativen Plakaten lanciert die SVP jetzt auch noch ein Plakat mit einem gerupften Huhn. Bekanntlich sagen Bilder mehr als tausend Worte. Das wussten die PR Verantwortlichen der Partei seit je. Die Abbildung eines gerupften Huhnes soll heute veranschaulichen, dass die Bürger immer mehr gerupft werden. Die SVP hat jedoch mit dem gerupften Huhn einen Erklärungsbedarf: Bereits bei der Europafrage nutzte die SVP das Bild des gerupften Huhnes. Die Illustration sollte damals veranschaulichen, dass die wohlhabende Schweiz von den anderen EU Mitgliedern gerupft würde.
Bei den kommenden Wahlen aber die Schweiz noch nicht Mitglied der EU. Auch ohne EU Beitritt sollen wir auch gerupft werden? Führt das "gerupfte Huhn" damit nicht zu Missverständnissen? Wie sieht denn später das Huhn auf dem Plakat aus, wenn es bereits ohne Europafrage gerupft worden ist und die Schweiz allenfalls in ein paar Jahren auch noch der EU beitreten möchte? Die SVP müsste dann vielleicht das Bild eines glatten Poulets veröffentlichen.
SVP Plakat mit gerupftem Huhn




Nachtrag vom 13. Februar, 2004:
Die SP ist in einem Dilemma. Soll sie zurückschlagen? Soll sie die Provokation ignorieren? Tatsächlich ärgert es jeden Provokateur, wenn er nicht ernst genommen wird. Aus der andern Seite gibt es Grenzen. Soll man sich alles gefallen lassen? Im Fall des Plakates mit den roten Ratten sind es nun die Bürgerlichen, die den Stil der SVP wortlaut beanstanden. Das Plakat kam im Schweizer 10 vor 10 vom 12. Februar nochmals zur Sprache, weil sich sogar die Rattenfreunde gegen das Diffamieren ihrer angeblich so intelligenten Tiere gewehrt hatten.

Erkenntnis: Wieder einmal bestätigt es sich: Der Provokateur profitiert vom Protest. Mit jeder Beanstandung wird sein Bild nochmals "gratis" abgebildet und zusätzllich verbreitet. Die SP wäre nicht schlecht beraten, wenn sie die ganze Kampagne humorvoll kontert.


Nachtrag vom 14. Februar, 2004:
Uns interessierte auch die Fortsetzungsgeschichte beim Ratten-Plakat der SVP: Wie reagieren Betroffene und die Medien auf die Provokation? Der Sonntagblick schuf eine grossaufgemachte Fortsetzungsgeschichte über den Werber Alexander Segert, der auch das SVP Plakat mit den gerupften Hühnern entworfen hatte. Das braune Gedankengut, das hinter der Idee mit den roten Ratten steht, versuchten die Journalisten zu entlarven, indem deutlich gemacht wurde, dass der Werber früher einmal bei der Psychogruppe VPM mitgewirkt hatte und sie nochmals auf den rassistischen Hintergrund des Sujets hinwiesen. Die Nazis hatten die Juden füher als Ratten gezeichnet. Die Parteien reagierten unterschiedlich:

  • Die CVP und die FDP distanzierte sich von dem Vergleich der Ratten mit den Linken.
  • Bundesrat Christoph Blocher äusserte sich nicht. Die SVP will von den Hintergrundinformationen nichts gewusst haben.
  • Aufschlussreich sind die Stellungsnahmen der Kandidaten für das SP Präsidium, Hans-Jürg Fehr und Werner Marti.
  • Hans-Jürg Fehr der zur Zeit Vizepräsident der SP ist hatte die Schleimspur der Provokateure erkannt und wollte nicht den Fehler machen, mit einem zusätzlichen Wirbel, der SVP zusätzliche Publizität zu verschaffen. Die SP sei auf das Ablenkungsmanöver nicht reingefallen.
  • Werner Marti hingegen - der Konkurrent Fehrs, der sich bislang nie gegen Fehr geäussert hatte, vertrat die Meinung, die SP hätte klarer reagieren müssen und sagte gemäss "Sonntagsblick": "Es hätte gezeigt werden müssen, dass das Plakat nicht nur stillos, sondern lächerlich ist."


Wir stimmen Fehr bei. Jedes Wiederholen bringt der SVP wieder eine Plattform. Das beanstandete Plakat wird gratis wiederholt. Die roten Ratten gravieren sich trotz der kritischen Bemerkungen im Langzeitgedächtnis ein. Bilderargumente wirken nachhaltiger als Worte! Auch der Beitrag des Sonntagblicks hatte demnach - nach unserem Dafürhalten - das Bild der "roten Linken, die wie Ratten immer mehr Geld wollen:, zusätzlich verstärkt. Wir zweifeln daran, dass die Zusatzinformationen die Bildaussage neutralisiert haben. Das hat sich auch beim Messerstecherinserat und beim Bild mit dem gerupften Huhn gezeigt.




Nachtrag vom 1. April, 2004 Die roten Ratten, welche die Linken symbolisieren sollen, lachen uns wahrscheinlich bald von allen Plakatwänden an. Ein Richter hat der SVP erlaubt, die Abstimmungsplakate aufzuhängen.

Mitte Februar reichte der Zürcher Historiker Thomas Huonker eine Strafanklage gegen die SVP-Bundesräte Samuel Schmid und Christoph Blocher, SVP-Generalsekretär Gregor A. Rutz sowie den Leiter eines Werbebüros ein. Mit einer superprovisorischen Verfügung wollte er ausserdem den Druck und die Verteilung der Plakate stoppen.

Der Stein des Anstosses: Die Werbekampagne für das Steuerpaket und die 11.AHV-Revision, welche am 16. Mai zur Abstimmung kommen. Auf dem Plakat sind die Linken in der Gestalt von roten Ratten abgebildet. Diese vernichten aus der Sicht der SVP Arbeitsplätze und AHV.

Doch der Richter lehnte das Gesuch um eine superprovisorische Verfügung ab. Jetzt darf die SVP die Plakate aufhängen. Die Strafanzeige wegen Rassendiskriminierung ist aber noch hängig. Die Beklagten müssen sich zudem bis am 4. April zu den Vorwürfen äussern.

Diese Plakatgeschichte verdeutlicht einmal mehr, dass Provokateure von jeder Klage (Wirbel in den Medien) und jedem Protest profitieren. In der zitierten Pressemeldung (Quelle Blick) wurde das Plakat nochmals (kostenlos) abgedruckt. Dies ist einmal mehr Gratiswerbung für die SVP. Dank dem Blickartikel sehen nun hunderttausende von Lesern das umstrittene Bild. Die Bildaussage wird trotz kurzer Betrachtungszeit im Langzeitgedächtnis geankert. Bekanntlich wirken Bilder stärker als Worte. Wie recht hatte doch SP Präsident Fehr, der vor Protestaktionen gewarnt hatte. Denn: Er kennt als Medienmann die Medienphänomene auf die wir immer wieder zu sprechen kommen.




Nachtrag 25. April 04: Beschwerde wurde einmal mehr zum Bumerang Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass Provokateure davon profitieren, wenn die Betroffenen die Nerven verlieren und den Provokateur einklagen.

Gegen das SVP Ratten- Plakat reichte das Zürcher SP- Mitglied Thomas Huoniker Strafklage ein. Er fühlte sich in der Persönlichkeit verletzt. Er klagte nicht nur die SVP, sondern auch den SVP Generalsekretär Ueli Maurer, den Plakatverfasser Gregor Rutz, sowie die beiden SVP Bundesräte Schmid und Blocher an. Der Kläger blitzte jetzt beim Bezirksgericht ab. Die SVP darf mit dem Plakat gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer werben. Begründung: Das Gericht sieht eine Beleidigung gegen ein Kollektiv. Es beziehe sich nicht auf eine einzelne Person. Die "Linken" umfasse eine eine "nicht überschaubare" Gruppe. Huoniker wurde die Klagelegimitation abgesprochen und muss der SVP die Prozesskosten und eine Entschädigung bezahlen.

Das Zürcher Urteil hat auch einen symbolischen Gehalt. Man kann offenbar nicht alles einklagen und jeden einklagen, der eine andere Meinung hat.

Auch in Genf wurde das Urteil mit Interesse zur Kenntnis genommen. Dort wollen FDP und CVP klagen, weil eine linke Gruppe die drei bürgerlichen Parteien als drei verdreckte Schweine darstellt. Die SVP störte dies nicht. Sie kennt gewiss die Auswirkungen von Klagen.

Die Klage wurde nicht nur hinsichtlich Urteil zum Bumerang. In der Sonntagszeitung wurde am 25. April im Zusammenhang mit dem Gerichtsentscheid das Rattenplakat farbig in ansprechbarer Grösse publiziert. Sicherlich gibt es Leute, die das Plakat nochmals betrachtet haben und sich Gedanken dazu gemacht haben. Vielleicht führt die Abbildung bei einigen Stimmbürgern dazu, sich zu überlegen: Sollen wir einfach immer mehr Geld fordern, wenn die Ausgaben ins Unermessliche steigen?

Damit hätte die SVP nochmals gepunktet. Wenn nämlich in einer der auflagenstärksten Schweizer - Zeitung das umstrittene Bild nochmals inseratengross und farbig veröffentlicht wird, so könnten sich die Provokateure ins Fäustchen lachen. Sie kamen nämlich einmal mehr zu einer kostenlosen Werbung.

Erkenntnis: Einmal mehr wird veranschaulicht: Oft ist es klüger Provokatuere rechts oder links liegen zu lassen.


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