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www.rhetorik.ch aktuell: (3. Juni, 2001)

Bilderkampagnen: Kontraproduktiv oder produktiv?




Quelle: Bilder links zusammengesetzt von Bildern VBS, tagesanzeiger (Metzler photo), Bilder rechts zusammengesetzt von www.verheizen-nein-danke.ch, auns, blick (Blocher photo, oberes Plakat).
Dass provokative Bilder Emotionen auslösen und mehr bewirken als Worte, ist hinlänglich bekannt. Jeder Autor, jeder Theater- oder Filmregisseur weiss: Wenn provokative Geschichten oder Bilder heftige Kritik und Proteste auslösen, dann ist der PR Effekt besonders erfolgreich. Dann geht nämlich die Saat der Provokation auf. Wenn die Provokation dazu noch in den Medien zusätzlich thematisiert wird, kommt es zum sogenannten Domino-Effekt: Die negativen Reaktionen bringen die Provokateure erneut ins Rampenlicht. Denn, die beanstandeten Bilder werden oft bei den Protestberichten nochmals publiziert. Damit kommt es zu einer zusätzlichen Gratiswerbung. Wer nämlich Negatives wiederholt, verstärkt dadurch ungewollt die angeprangerten Aussagen.

Jedes Bild, auch wenn es unter negativen Vorzeichen gezeigt wird, wirkt zusätzlich durch die Wiederholung.


Das Nichtbeachtetwerden, das Ignorieren einer Provokation ist für jene, die provozieren wollen, etwas vom Schlimmsten.


Es gibt auch Künstler, die enttäuscht sind, wenn sich niemand mehr aufregt bei verletzenden, entwürdigenden, beleidigenden Aussagen oder Bildern. PR Profis wünschen negative Reaktionen.
Erinnern wir uns an die Provokationen auf Plakatwänden (z.B. Benettonbilder mit Aidskranken usw.) oder die Aufnahmen gegen Offiziere bei der Abstimmung "Abschaffung der Armee" (Offiziershut als Gesslerhut, Offiziere mit Kalbsköpfen, Blutende Soldaten am Kreuz). Oder an die zahlreichen Bühnenstücke mit offenen, entwürdigenden Bildern gegen Tabuthemen. Die Provokation lohnt sich immer für den Provokateur, wenn sie beachtet, wenn sie wiederholt wird. Wer sich mit den Phänomenen, wie eingehender auseinandergesetzt, wird heute interessieren, was die umstrittenen SVP Bilder in der aktuellen Abstimmungskampage bewirken. Die Partei verstand es seit Jahren, mit Bildplakaten zu provozieren.
  • Stiefelinserat
  • Messerstecherinserat (mit einem kriminellen Ausländer)
Für die SVP ging dabei die Rechnung stets auf. Die Provokationen wurden lautstark beanstandet und machten sich letzlich bezahlt. Inwiefern gilt dies heute mit der Soldatenfriedhofkampagne?
Bilder appellieren an Emotionen, wirken im Unterbewussten und werden wiederum im Langzeitgedächtnis verankert. Die suggestive Wirkung der Bildern ist derart stark, dass sie bei den Befürwortern
  • die Emotionen so stark schüren konnten, dass es sogar zu Auswüchsen gekommen ist (Briefe an Politiker inkl. Todesdrohung an einen Bundesrat)
  • bei den Gegnern zu nie dagewesenen Gegen-Reaktionen (Überreaktionen?) geführt haben.
Der Bundesrat meldete sich wenige Tage vor der Abstimmung in einem historisch einmaligem Einsatz mit persönlichen Voten zu Wort. (Villiger, Metzler, Schmid, Leuenberger..) Sogar der Chefredaktor des Fernsehens wurde angegriffen, denn er habe die SVP in der Arena Sendung bevorzugt. Die Kampagne wird mit den Hetzkampagnen der Nazis verglichen.
Bei keiner Abstimmung kam es je vor einer Abstimmung auf höchster Ebene zu so starken Reaktionen. Wer sich noch an die linksextremen Beleidigungen gegen Politiker und Staat erinnern kann ("Macht aus dem Staat Gurkensalat!") weiss, dass damals die schlimmsten Beleidigungen meist besonnen entgegengenommen, toleriert oder einfach ignoriert worden waren. Selbst härteste Provokationen gegen religiöse oder ethische Wertvorstellungen (mit Worten oder Bildern) liess man meist gewähren. So auch die deutschen Politiker nach den jüngsten übelsten Bildmanipulationen.
Haben die Behörden als Betroffene oder Getroffene heute den Kopf und die Nerven verloren? Oder wollte der Bundesrat bewusst den emotional beladenen Bildern auch noch wenige Tage vor der Abstimmung mit eigenen vehementen persönlichen Emotionen Parole bieten weil die sachlichen Argumente nicht zu greifen schienen?
Bei allen Kommunikationsprozessen sind Überreaktionen meist kontraproduktiv. Ob die heftigen einmaligen Reaktionen des Bundesrates so kurz vor der Abstimmung dazu führen wird, Unentschlossenen auf die Seite des Bundesrates zu bewegen? Vielleicht war der einmütige, emotionalgeladene und geschlossene Auftritt des Bundesrates produktiv. Doch könnte sich das Verhalten des Bundesrates auch kontraproduktiv auswirken. Oh verra!
Die angebliche "Überrektion" führt vermutlich dazu, dass die SVP die hefige Reaktion erneut traktandiert und nun die sogenannte "Über- Reaktion" ins Zentrum der öffentlichen Diskussion rücken kann. Damit würden alle Bilder erneut aufgewärmt und es käme für die SVP zu einer willkommen zusätzlichen Propagandaaktion. Wer die jüngsten Beiträge in der Zeitung verfolgen konnte, stellte fest: Die beanstandeten Bilder wurden meist nochmals abgedruckt (wie auch hier auf rhetorik.ch, wo wir die zwei Kampagnen gegenüberstellen). Das "An den Pranger stellen" wurde damit für alle, die Texte nur überfliegen, zur Gratiswerbung der Plakatautoren. Die Bilder beeiflussen dank den Wiederholungseffekt zusätzlich, trotz oder gerade wegen der sogenannten Entlarvungsaktion.
Christoph Blocher scheint Freude an der Hektik im Bundeshaus zu haben. Er liess bereits verlauten: Der Bundesrat dürfte sich eigentlich nur bei einem Notfallszenarium dermassen extrem engagieren. Er wirft der Landesregierungt vor, sie wüssten gar nicht mehr, was sie tun. Der Geschäftsführer der Auns (Fehr) ist schon heute überzeugt: "Die bundesrätlichen Attacken lösen beim Volk Misstrauen aus. Die Reaktion ist damit kontraproduktiv!" Oswald Sigg, Pressesprecher des VBS meint hingegen eindeutig: "Jetzt bin ich sicher, dass wir gewinnen!"
Wir warten gespannt das Abstimmungsresultat ab.
Nachtrag: 10. Juni, 2001 Nach einer spannenden Abstimmung sind die Würfel nun gefallen. Uns interessierte vor allem die Wirkung der Bilder in der Abstimmungskampage wie auch die Wirkung der vehementen Reaktion der Landesregierung kurz vor der Abstimmung.
Fachleute waren sich lange Zeit einig dass trotz der unheiligen Allianz von rechts und links (AUNS und GSOA) der Bundesrat, das Parlament zusammen mit den grossen Parteien FdP, SP und CVP eindeutig gewinnen wird. Die Prognosen waren denn auch entsprechend unumstritten. Erst während der letzten Wochen schien der Vorsprung der Regierung zu schmelzen. Vielleicht ist dies mit ein Grund, dass die Regierung zuletzt so überreagiert hatte.
Ein Neinstimmenanteil von 40% hätte man vor zwei Wochen noch als Erfolg der fragwürdigen Bildkampagne gewertet. Mit diesem Resultat hätten sich die umstrittenen Plakate schon gelohnt.
Überraschenderweise gab es nur eine hauchdünne JA-Mehrheit. Die Gegner haben besser abgeschnitten als erwartet. Die Provokation der "Blocherkamagne" scheint sich totz Niederlage gelohnt zu haben. Das Verhalten des Bundesrates im Schlussspurt gab zur Frage Anlass: "Hat die Landesregierung plötzlich "die Nerven verloren"? Das ungewöhliche Verhalten könnte bei vielen Stimmenden als Unsicherheit gewertet worden sein. Wir wagen trotz des knappen Resultates die Behauptung:

Wer sich mit Provokationen provozieren lässt, verliert an Terrain. Überreaktionen sind kontraproduktiv. Provokateuren darf nicht auf den Leim gekrochen werden.

Jeder Stimmbürger musste sich nämlich nach den heftigen Reaktion fragen, warum der Bundesrat überhaupt so aussergewöhlich heftig reagierte. Wer auf Provokationen stark reagiert riskiert die Frage zu hören: "Ist da nicht etwas faul?" Vielleicht erlebte der Souverän nach Volksentscheiden auch zu viele Enttäuschungen: "Sommerzeit/Alpenschutzinitiative und die bewilligte Lastwagenlawine .." Entscheide, die angeblich im Nachhinein durchlöchert worden sind und das Vertrauen angeschlagen hatten.
Der Bundesrat könnte nach dem knappen Resultat so argumentieren: "Hätten wir nicht vehement die Emotionen angesprochen, hätten wir verloren. Die Reaktion war deshalb aus unserer Sicht produktiv. Wir konnten dank unserer heftigen Blitzaktion die Gefahr der Bilderkampagne knapp abwehren."
Wer nun recht hat, bleibt in den Sternen geschrieben. Auf jeden Fall lohnt es sich jedoch, sich mit Provokationen konkret auseinanderzusetzen.
Nachtrag vom 13. Juni 2001.
Der Zischtigsclub SF DRS 1 vom 12. Juni reflektierte nochmals die Thematik "Bilderwerbung SVP und die einmalig Reaktion der Bundesrates vor der Abstimmung" und die Frage, ob der Bundesrat überhaupt wenige Tage vor dem Urnengang in den Propagandakrieg gleichsam als Richter eingreifen darf. Die umstrittenen suggestiven Bilder und Plakate wurden wieder vor der Kamera gezeigt, ausgerechnet von der Gegenseite. Obschon die Abstimmungsresultate nicht mehr beeinflusst werden konnten: Die Beeinflussung des Souveräns ging in der Diskussion (im Hinblick auf einen zukünftigen UNO Beitritt) bereits weiter. Wir stellen einmal mehr fest, dass sich die SVP Provokation insoweit gelohnt hat, als die fragwürdigen, emotional geladenen Bilder und Argumente-sogar nach der Werbekampagne- nochmals kostenlos verbreitet werden konnten. Die Gegner der Bilder wollten zwar die Bilder als negative Beispiele zeigen. Doch konnte im Club Generalsekretär Fehr ausführlich darlegen, weshalb die Bilder stimmen und sie die Thematik auf den Punkt bringen. Fehr gelang es sogar zusätzlich, bereits die notwendigen gedanklichen Eier im Hinblick auf künftige Abstimmungen zu legen. Auch die Vertreter der GSOA und Friedensbewegten wehrten die sich im Club vehement gegen das bisher einmalige Eingreifen des Bundesrates. Wer die Sendung betrachtet hatte, rückte bestimmt nicht von seiner bisherigen Meinung ab. Doch trat wie prognostiziert ein:
Die Überreaktion des Bundesrates wurde zum Anlass genommen, die ganze Thematik und damit die Propagande mit den Bildern erneut aufzuwärmen. Die Worte der Gegner wirken nach der Sendung bestimmt weniger nachhaltig wie die Wiederholung der emotionalgeladenen Argumente und Bilder der Europagegner. Selbstverständlich war die Sendung hinsichtlich Gästen ausgewogen. Trotzdem: Für die Provokateure hat sich die Bilderkampagne langfristig gelohnt. Dank der Reaktion des Bundesrates kam die SVP zu einer zusätzlichen kostenlosen Medienpräsenz.
Fazit: Provoziere und du hast das Mikrofon und die Kamera.


Nachtrag vom 10. Februar, 2002
Auns Plakat mit Axt Nach dem Sonntagblick vom 10. Februar 2002 führten die UNO Gegner SVP Plakate (mit einer Axt, die den Begriff NEUTRALITAET zerschlägt), wiederum zu einem interessanten Medienwirbel. Die Anti-UNO Plakate mit der abgebildeten Axt wurden im Luzernischen Soerenberg mit Autowerbung überklebt. Der Kurdirektor Theo Schnider fand, die Plakate verschandeln das Feriendorf. Er war der Meinung, die Axtbilder verletzten Gefühle und würden die Betrachter negativ stimmen. Schnider fand, ein ¨Tourismusland müsse sich gegen derartige Gräuelbilder wehren". Nun hat der Kurdirektor mit seinem "Bildersturm" in ein Wespennest gestochen. Die Reaktionen auf die Protestaktion folgten denn auch postwendend: Von "Gut, das jemand eingreift" bis "Frecher Mistfink" oder "Der Kurdirektor darf sich nicht in politische Prozesse einzumischen" war alles zu hören. "Wer Staub aufwirbelt, muss damit rechnen, dass einige Leute husten." meinte der Kurdirektor gelassen.
Diese Geschichte macht wieder einmal deutlich, dass Provokateure von Überreaktionen nur profitieren können.


Wer provoziert, schätzt nicht das Ignorieren der Provokation. Das Touristenschreckplakat kam dank der Protestaktion Schniders in der Sonntagszeitung gratis und farbig nochmals zur Geltung. Die UNO Gegner hatten dank dem Wirbel eine zusätzliche Werbeaktion. Das Plakat in der Sonntagspresse hätte nämlich viel Geld gekostet. Und das überklebte Plakate in Soerenberg lebte in allen Köpfen nochmals neu auf. Das Negative wurde gleichsam gratis verstärkt. Einmal mehr sind Leute Provokateuren auf den Leim gekrochen.
Fazit: Provoziere und du hast Gratisinserate.




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