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Beeinflussung-Manipulation-Propaganda

von Marcus Knill


Wer sich mit Manipulation auseinandersetzt, sollte sich auch mit Beeinflussungstechniken vertraut machen.
Wie werden Mitmenschen, Zuhörer und wir selber beeinflusst, überzeugt oder manipuliert? Ob wir es wahr haben wollen oder nicht: Es gibt keine Immunität gegen Beeinflussung. Aber: je mehr wir über Beeinflussungstechniken wissen, umso mehr können wir ihr widerstehen.

Was heisst "beeinflussen"?

Wer beeinflusst oder Einfluss ausübt, kann Meinungen, Einstellungen, Entscheide, oder Handlungen so beeinflussen, dass Gedanken verändert, stabilisiert oder neu gebildet werden.
Das Spektrum vom Begriff "Beeinflussen", der ethymologisch von "Den Fluss von Ideen oder Gedanken in die Gedankenwelt einer anderen Person einfliessen zu lassen" stammt, reicht von "Einfluss geltend machen" bis hin zur "Suggestion", "Manipulation" oder "Propaganda", Beeinflussungsarten, bei denen Personen gegen ihren Willen beeinflusst werden.
Wir wollen einigen der gängisten Beeinflussungsstrategien nachgehen, wohlwissend, dass alle Beeinflussungstechniken für hilfreiche ("gute") oder fragwürdige Inhalte angewendet, respektive missbraucht werden können.


Das Beeinflussungsfeld

Wir werden von den verschiedensten Seiten beeinflusst: zum Beispiel durch
  • Selbstbeeinflussung (Autosuggestion)
  • Vorgesetzte
  • Familie
  • Ässerlichkeiten wie Kleider, Sprache, Stimme etc.
  • den Arbeitsplatz
  • Erziehung
  • Ausbildung
  • Kirche
  • Werbung
  • Wertvorstellungen
  • Medien (Bücher, Zeitung, TV, Radio, Internet, Flugblätter)


Beeinflussungsmechanismen

Einfluss wird genommen zum Beispiel durch
  • Wecken der Aufmerksamkeit (z.B. durch Schmeicheln, Provozieren, Überlegenheit demonstrieren, das Gegenteil behaupten oder mit Verwirren).
  • Hervorheben oder Beweisen des Vorteils oder Richtigkeit des eigenen Gedankens oder Produkts, Annehmlichkeiten versprechen.
  • Wecken von Bedürnissen und Wünschen.
  • Drohen, Einschüchterung oder Angsteinflössung.
  • Aufforderung zur Handlung.
  • Gefühle zeigen.
  • Verhaltensmuster nutzen, von positiven Gefühlen profitieren.
  • Bildhafte Sprache, Körperhaltung, Sprachebene
  • Aktives Zuhören, Angesprochene ernst nehmen, Fragen, andere anschauen.


Überzeugungspyramide:

Ueberzeugungspyramide Beim Beeinflussen durch "Überzeugen", "Verkaufen" und "Sich-durchsetzen" lohnt es sich, das Schwergewicht der Ausbildung auf die Förderung der kommunikativen Kompetenz zu legen.
Die "Überzeugungspyramide" veranschaulicht, dass wir in diesen Bereichen der Beeinflussung in erster Linie über unsere Persönlichkeit und zu einem recht grossen Teil auch mit unserer Stimme überzeugen. Die geringste Bedeutung hat erstaunlicherweise der Inhalt der Aussage.




Personen überzeugen vor allem durch Persönlichkeit und Stimme. Wer eine gesunde, natürliche und selbstsichere Ausdrucksfähigkeit hat, beeinflusst mit weniger Aufwand.




Widerstände beseitigen - dann beeinflussen

Widerstände lassen sich rascher beseitigen, wenn wir es verstehen, andere gedanklich auf unsere Idee zu bringen.


Wiederholungstechnik ist ein fundamantales Beeinflussungsmittel

Wiederholen, Wiederholen

Die Wiederholung hat einen grossen Verstärker-effekt.

Auch bei der Autosuggestion beeinflusst das Wiederholen von Wortinhalten.

Wiederholen, Wiederholen


Wortwahl

Begriffe, Formulierungen, Worte können so gewählt werden, dass sie stärker beeinflussen.
Therapeuten, Ärzte und Erzieher nutzen die Kraft des Wortes. P. Watzlawick erwähnt im Buch "Die Möglichkeit des Andersseins" (Bern, 1986, 3. Auflage), ein erstaunliches Phänomen: einem Kind wird mit Worten Warzen entfernt, indem mit einem Geldstück die Warzen abgekauft werden. Die völlig absurde Aussage löst pyschosomatische Reaktionen aus (Blutgefässe verengen sich - die Wucherung stirbt ab). Mit dem Geldstück wird das Eigentumsrecht angemeldet. Jedenfalls funktioniert dieses Phänomen in der Regel.

Worte


Wortmanipulationen

Es gibt im Alltag unzählige verbale Beeinflussungsmöglichkeiten in der Form von Wortmanipulationen oder Euphemismen:

Art der Wortmanipulation Beispiel
Umdeutung von Wortinhalten Fremdarbeiter statt Gastarbeiter
Elimination von schädigenden Begriffen Goebbels liess z.B. das Wort "Attentat" streichen.
Verdrehung von Wortbedeutungen Anstatt Terrorist heisst es Freiheitskämpfer
Gefühlsbetonte Worte werden benutzt z.B. Lebensqualität.
Scheintatsachen werden veröffentlicht z.B. 70% der Kunden sind zufrieden
(Wir wissen nicht, wieviele befragt wurden? Wie wurde befragt? Vor allem: Von wem? Waren beispielsweise nur 10 Personen befragt worden: "Haben Sie im Laden das gefunden, was Sie gesucht haben?" Und sieben hätten genickt, so wäre die Aussage nicht gelogen - aber das Umfrageresultat wäre trotz statistischer Richtigkeit nicht represäntativ.




Verdächtige Ausdrücke: ein Beispiel

Schönste Umschreibungen können in Werbekatalogen gefunden werden.
Verdächtiger Ausdruck "Übersetzung"
Für unabhängige Gäste Das Hotel verfügt über keinerlei Sport oder Spielanlagen.
Ehemaliges Fischerdorf Die Fischer verschwinden im Touristenstrom.
International bekanntes Ferienzentrum Hier trifft man die Nachbarn aus der Heimat.
Aufstrebender Badeort Der Ferienort ist eine Baustelle.
Der Strand ist nur etwa dreihundert Meter von der Rezeption entfernt Wer in der hintersten Bungalowreihe wohnt, sollte die Wanderschuhe einpacken.
Naturbelassener Strand Der Sand ist mit Algen und Abfällen durchsetzt.
Alle Zimmer zum Meer gelegen Die Richtung stimmt-doch davor stehen Häuser
Zentral und verkehrsgünstig gelegen Tagsüber im Verkehrslärm, nachts von der Disco vibrierendes Haus.
Junges, lockeres Publikum Der Anmache in der hauseigenenen Disco ist nicht zu entkommen.
Sauber und zweckmässig eingerichtet. Altes, unbequemes Mobiliar.
Ungezwungene, sportliche Ferienatmosphäre Auch beim Abendessen muss man sich den Bierbauch des Nachbarn ansehen.
Ideal für Gäste, welche das Strandleben geniessen wollen. Geniessen Sie es tagsüber in vollen Zügen, denn nachts ist nichts los.


Ein Beispiel von bewusster Wortmanipulation aus der amerikanischen Politik finden Sie hier . In diesem Zusammenhang weisen wir auch auf die Rhetorikseite über Unredliche Methoden hin.


Unsicherheit kann Glaubwürdigkeit erhöhen

Die Glaubwüdigkeit von Aussagen kann manchmal dadurch erhöht werden, indem bewusst Unsicherheit signalisiert wird. Das nicht so sichere, geschliffene Reden und das Suchen nach Worten wirkt manchmal glaubwürdiger, als ein perfektes Beeinflussungsvotum.


Suggestive Wirkung von Bildern

Nicht nur beim autogenen Training, auch bei der Hypnotherapie sind bildhafte Sprachformen sehr wirkungsvoll. Wer bildhaft spricht, spricht eindringlicher. Die Bilder werden im Langzeitgedächtnis verankert. Wort und Bild - d.h rechte und linke Hirnhälfte - werden gekoppelt. Beispiel: Es ist erwiesen, dass sich blosse Schilderung von wuchernden Fettzellen beeinflussend auswirkt, z.B:
"Diese gierigen Zellen sind gelblich-weiss und oval und stappeln sich in hohen, bienenwabigen Schichten. Sie wachsen und wachsen unablässig."

Eine derartige ausführliche bildhafte Schilderung kann bei einem fettleibigen Menschen, unerwarteterweise zu einer Verhaltensänderung führen, wengleich die Schilderung medizinisch völlig unkorrekt ist. Die Suggestion des Bildes auf das Verhalten ist erstaunlich. Politiker, Sektenprediger nutzen das Beeinflussungshilfsmittel bildhafte Überzeugungsmagie mit grossem Erfolg.

Bilder wirken überzeugender als abstrakte oder schlecht vorstellbare Aussagen.




Unser Handeln und Verhalten ist bedürftnisorientiert

Ebenfalls aus der Motivationsforschung, Werbung, Verkaufspsychologie und Propaganda ist das Grundmodell AIDA bekannt:
Aufmerksamkeit wecken
Interesse wecken
Drang, den Wunsch zu erfüllen
Aktion, Kauf, Verkauf oder Handlung

Durch den richtigen Einsatz der Bedürftnisse kann der Mensch von aussen gesteuert werden.
Beispiel: Ein Fernsehteam filmte auf einem Bauernhof ein störrisches Kalb, das sich trotz Schlagen und Zurufen nicht zum Vorwärtsbewegen drängen liess. Hierauf kam eine Bäuerin mit einem Eimer Milch, befeuchtet den Finger mit frischer Milch und streckte dem Kalb den Finger ins Maul. Das Tier lief sofort von sich aus der Bäuerin nach und zwar in der Richtung, die das Tier vorher verweigert hat.


Wer Bedürftnisse befriedigen kann, beeinflusst nachhaltiger und schneller.


Beispiel: "Mach mal Pause - trink Coca Cola!" Mit diesem Spruch verkauft Coca Cola den Anspruch auf eine Pause (das Bedürftnis nach einer Pause besteht bekanntlich bei allen Menschen).


Qualitative und quantitative Information

"Die grosse Tragödie unserer Gesellschaft ist, dass wir quantitativ über - und qualitativ unterinformiert sind. Wir wissen bedeutend mehr als unsere Vorfahren, doch wir wissen es bedeutend weniger gut, Wir müssen besser informiert werden im wahren Sinne des Wortes: auf bessere Weise, nicht durch mehr Informationen. Zu oft geht das Spektakuläre dem Wesentlichen vor, das Wichtige wird von Unfällen und Verbrechen überlagert, das Bedeutsame vom Sensationellen verdrängt. Überbordende Quantität und unzureichende Qualität bewirken eine ernsthafte Desinformation der Information, die viele Leute daran hindert, klarzusehen und Zusammenhänge richtig zu erkennen." P.Lévy (Informationschef Europarat)


Auch quantitative Resultate können gesteuert präsentiert werden. Ein Beispiel:
Hier sind Testresultate von 3 Herzmedikamenten A,B,C:
A 33% Verringerung der Herzanfälle
B 1.4% weniger Herzanfälle
C Mit Placebo sind 95.9% anfallsfrei, mit dem echten Medikament 97.3 %
Selbstverständlich würden wir Medikament A vorziehen, das eine volle 33 prozentige Reduktion der Anfälle gezeigt hat. -
Der Witz ist, dass es sich bei den Medikamenten um das gleiche Produkt handelt. Die wissenschaftlichen Resultate der "Helsinki Heart Study" waren:
4081 Patientinnen und Patienten wurden 5 Jahre lang beobachtet.
2051 erhielten das wirkliche Medikament, 56 davon hatten einen Herzanfall
2030 erhielten Placebo, 84 davon hatten einen Herzanfall.
Das Medikament war also in zusätzlich 28 Fällen wirksam, das sind 33% von 84 Herzanfällen ohne Medikament. Das Placebo war in 84/2030=4.1% der Fälle unwirksam. Das Medikament war nur wirksam in 56/2051 =2.7% der Fälle. Das ist eine Reduktion um 1.4% Prozentpunkte. Als prozentuale Reduktion wären es stattdessen: 2.7 % : 4.1 % = 0.659 = 65.9 % bzw. ``eine Reduktion um 34.1 %". Das Medikament machte auch (2051-56)/2051 =97.3% der Personen anfallsfrei, im Gegensatz zu (2030-84)/2030 = 95.9% der Personen, die das Placebo kriegten.
Nach eine Untersuchung der Uni Zürich ( NZZ vom 5. April 2000) sind auch Medizinstudenten bei solchen Fragen manipulierbar!
Nachtrag vom Februar, 2016:, Vielen Dank an Alexander Fell der uns auf eine Vertauschung von Zahlen im obigen Beispiel aufmerksam gemacht hat. Die Tatsache, dass das für mehr als 10 Jahre nicht bemerkt wurde (vielleicht wurde es schon bemerkt aber nicht gemeldet), kann auch illustrieren, dass kritisches Denken selten ist. Die Vertauschung war hier passiert:

Text oben vor der Korrektur Text nach der Korrektur
Das Medikament war in 84/2030=4.1% Fällen wirksam, das Placebo in 56/2051 =2.7%, ... Das Placebo in 84/2030=4.1% Fällen unwirksam. Das Medikament in nur 56/2051 =2.7%, ...


Zum Informieren

Informieren hat nicht nur die Bedeutung von "unterrichten" oder sich "Kenntnis zu verschaffen über irgend etwas". Informieren hat auch etwas zu tun mit in-formare - etwas formen. Wer informiert, der kann beeinflussen, formen, etwas in eine bestimmte Form bringen, indem er es auch in einer bestimmten Form vermittelt (Nachricht jemanden nach etwas richten). Wenngleich wir davon ausgehen können, dass jeder Mensch geprägt ist und dazu neigt, eher das zu glauben, was seine Meinung bestätigt, so lässt er sich trotzdem von Inhalten beeinflussen, die ihm vorgelegt werden.
Gedanken lassen sich allein schon insofern steuern, als der Informant darüber bestimmt, was wir denken oder reden sollen. Er bestimmt das Denktraktandum. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn z.B. bei Jugendlichen, die sich dauernd mit dem Thema Drogen auseinandersetzen müssen, plötzlich auch mit Drogen experimentiert wird. Das gedankliche Fokussieren hat allmählich unbewusst Interesse und Neugierde geweckt.
Die Medien, welche die Themen und Bilder auswählen und bestimmen können, verfügen über ein grosses Machtmittel im Bereich Beeinflussung. Dann, wenn Information zur Desinformation wird, gilt es bei Beeinflussungsprozessen wachsam zu sein. Vorab dann, wenn der Informierende übertreibt, bewusst verknappt (Themen ausklammert) überbewertet, verdreht oder absichtlich oder unabsichtlich verfälscht. In Krisen- und Kriegssituationen hat sich bestätigt, wie wichtig Informationen als Beeinflussungselemente sind (2. Weltkrieg, Vietnamkrieg, Golfkrieg usw.)
Wer informiert und wer informiert wird, muss sich ferner damit abfinden: Jedermann ist präformiert, das heisst geprägt, und kann das Subjektive nie vollständig ablegen.


Desinformation

Auf der Suche sind nach konkreten Antworten auf die Frage, wie zu informieren (siehe mehr im Buch M. Knill, "Informieren - aber wie", Huber 1984) muss auch ein Blick auf Desinformationtechniken geworfen werden.
Desinformation meint den Akt, eine Information zu unterdrücken, die Bedeutung einer Information herunterzuspielen, oder deren Sinn zu verändern -, dies bewirkt eine Desinformation.
Beim Traktandieren eines Themas kann Informationen durch Auswahl gewichtet werden indem bewusst Themen selektioniert werden.
Punkte der Desinformation sind:
  • Übertreiben!
  • Bewusst und gezielt verknappen und weglassen!
  • Den Sinn einer Information verdrehen!
  • Den Informationsinhalt absichtlich verfälschen!
Im Bereich der psychologischen Kriegführung spielt die Desinformation eine wichtige Rolle. Der Propagandaminister von Hitler z.B. beherrschte die verbale Verführungskunst. Bewährte Regeln der Verführungskunst aus dem dritten Reich sind auch modernen Demagogen nicht unbekannt:
  • Volkstümliche Sprache.
    "Weil wir die Sprache des Volkes kannten, haben wir das Volk erobert. (Goebbels)"
  • Wenig Grundbehauptungen.
    "Was ist der dritte Stand? - Alles. Was bedeutet er heute? - nichts. Was fordert er? - Etwas zu sein. (Abbé Emmanuel Joseph Sièyes)
  • Geeignete Schlag - und Reizworte.
    "Ein guter Schlachtruf ist die halbe Schlacht" (Shaw)
  • Grundbehauptungen unermüdlich wiederholen.
    "Was man dem Volk drei Mal sagt, hält es für wahr" (Kleist)
  • Übertreiben.
    "Die durchschlagendste Wirkung beim Volk hat immer das Extreme."
  • Verwischen der Grenze zwischen Wahrheit und Lüge.
    "Über jede Sache kann man zwei Reden halten." (Protagons)
  • Vernebeln.
    "Setzt Dich eine Frage in Verlegenheit, richte es so ein, dass Du nichts klar ausdrückst, sondern im Allgemeinen schwebst." (Hamilton)
  • Mit allen Mitteln das Ziel erreichen.
    Hinterliste Lügen, Verleumdungen, falsche Zitate
  • Appellation ans Gefühl.
    "Wenig geht durch das Tor des Geistes." (Pascal)


Woran ist Propaganda erkennbar?

Die typischen Beeinflussungstechniken bei der Propaganda
  • Vorteile übertreiben
  • Nachteile verniedlichen, verschweigen (ausklammern)
  • Andere Meinungen übergehen, zensieren
  • bewusst falsche Behauptungen aufstellen
  • Missverständnisse in Kauf nehmen
  • Persönlich werden
  • Quellenangabe vertuschen
  • Appell an Emotionen (Vorurteile)
  • Sachverhalte einseitig darstellen
  • Gegenseite verunglimpfen
Instabilität und Unsicherheit sind günstige Voraussetzungen, nachhaltig zu beeinflussen Jeder Mensch sucht bei Phasen der Unsicherheit Stabilität. Wer dieses Phänomen kennt, nutzt destabilisierte Situationen, indem er seine Beeinflussungsbotschaft mit einem Prinzip des Bewährten koppelt.

Systemveränderer nutzten labile Situationen der Orientierungslosigkeit. Weltverbesserer müssten gleichsam destabilisieren, bevor sie beeinflussen.
Rattenfänger verstanden und verstehen es immer wieder, in Zeiten der Not ihre Heilslehre zu verkünden! Denn die Beeinflussung gelingt nach einer Destabilisierung am besten. In den schlimmeren Zeiten der Rezession und Arbeitslosigkeit haben angebliche Retter mit einfachen Rezepten Hochkonjunktur. Vor dem zweiten Weltkrieg verstand es Hitler, die Krisensituation als Nährboden seiner Heilslehre zu nutzen. Er versprach Arbeit, Brot und Stabilität (Ruhe und Ordnung). Die Beeinflussung der Massen gelang nachhaltig.
Psychologen, die bei Firmen wichtige Neuerungen einführen wollen, wenden ebenfalls die Destabilisierungstheorie an. Bevor die Neuerungen eingeführt werden, muss der ganze Betrieb destabilisiert werden (neues Logo, neue Räumlichkeiten, neue Strukturen usw.). Dank der gezielten Destabilisierung ist es dann leicht, die Belegschaft so zu beeinflussen, dass die stabilen Neuerungen akzeptiert werden. Wenn eine Meinung von einer (angeblichen) Mehrheit getragen wird, überzeugt sie.
Wer beeinflussen will, tut gut daran, seine Aussage so zu verkaufen, als ob die Mehrheit damit einverstanden sei. Zum Beispiel mit gezielter Leserbriefauswahl - oder entsprechendem Bildmaterial.
Bei eigenen Veranstaltungen können Claqueure organisiert werden (Lachmaschinen bei Filmen, Publikumsauswahl bei elektronischen Medien). Bei der Bilderauswahl könnten bevorzugte Anlässe so wiedergegeben werden, dass der Betrachter das Gefühl hat, die Veranstaltung sei von der Masse getragen. Bei unerwünschten Veranstaltungen hingegen, könnten die Mitläufer eher unterschlagen werden (mit entsprechendem Blickwinkel). Die Angst, mit seiner Meinung allein dazustehen Lind zum Aussenseiter zu werden, ist grösser, als die eigene Ueberzeugung oder der Wunsch nach Wahrheit. Wer in der Minderheit ist, tendiert eher zum Schweigen.


Mehrheitsmeinung

Wenn eine Meinung mehrfach unwidersprochen angehört wurde, glaubt man sie, auch wenn sie nicht einleuchtet. Wenn viele einer Meinung sind, stellt man lieber seine eigene zurück! Wer es versteht, eine Minderheitsmeinung als Mehrheitsmeinung darzustellen, der könnte letztlich eine Minderheitsmeinung in eine Mehrheitsmeinung umfunktionieren.
Ein Schauspieler las Namen aus dem Hamburger Telefonbuch vor. Die Aufzeichnung wurde zwei Versuchsgruppen über einen Monitor vorgeführt. Die eine Gruppe hörte sich die Darbietung in der Form, wie sie aufgezeichnet wurde, in ziemlicher Ratlosigkeit an. Auch der anderen Versuchsgruppe wurde die Aufzeichnung vorgespielt, aber mit einer unterlegten Lach- und Beifallskulisse, die von einer elektronischen Lachmaschine produziert wurde. Diese Versuchsgruppe lachte mit, und zwar, wie gesagt, über den Vortrag aus dem Hamburger Telefonbuch!
Nicht nur die Mehrheit beeinflusst unschlüssige Denker (da jeder bei den Siegern sein möchte), auch Gruppen beeinflussen Individuen. Welche Rolle ein Jugendlicher einnimmt, wird weitgehend von der Gruppe bestimmt. Auch Massen (bei Grossveranstaltungen und Demonstrationen) wirken beeinflussend auf den Einzelnen. Das Gros, d.h. die gesellschaftlichen Umstände, prägen das Verhalten der Einzelpersonen. So wie die sozialen Faktoren der Gruppe Einfluss ausüben auf Normen (Kleider, Sprache, Musikgeschmack usw.), kann die Abhängigkeit von der Gruppe auch bei Massenveranstaltungen zu unbegreiflichen Nachahmungsritualen führen...
Sektenmitglieder gingen in Jonestown gemeinsam mit der Gruppe in den Tod. Nicht nur diese bekannte Tragödie veranschaulicht das gedankenlose Einwilligen in ein sinnloses Geschehen.
Politiker, Agitatoren und Bandmanager wissen die Massenphänomene geschickt zu nutzen. Um Massen zu beeinflussen, gab es nicht nur die bekannten Claqueure . Es gab früher auch Pleureusen . (die auf Kommando schluchzten) oder Bisseurs (die bis d.h. Wiederholungen herbeiriefen und "encore" schrien. Als Vorläufer der Lachkonserven (Film, TV, Radio) gab es auch den Rieur (der wegen des ansteckenden Lachens angestellt wurde). Bezahlt wurde früher nach offiziellen Ansätzen, pro Applaus oder pro Zwischenruf. Die Manipulatoren im Publikum werden auch bösartig "das Klatschvieh" genannt.
Auch heute werden Massen mit angeblich ungestellten Interviews oder mit gezielt aufgebotenen Zuschauergruppen beeinflusst. Die Beeinflussung erfolgt lediglich weniger plump. Leute, die Vertrauen ausstrahlen, wirken beeinflussender. Sie überzeugen nachhaltiger. Anerkannte Schauspieler, Künstler, Filmstars, Dichter, bekannte Aerzte und unumstrittene Denker d.h. Menschen, denen wir positive Gefühle entgegen bringen, haben eine besonders starke Einflussgrösse. Dieses Phänomen wird bei der Werbung und bei Abstimmungskampagnen genutzt.


Positive Gefühle

Wenn jemand positive Gefühle auf sich zieht, übernehmen wir dessen Meinung leichter. Diese Person beeinflusst uns besonders stark. Experten beeinflussen leichter (Expertengläubigkeit). Mit der Milgram Studie (Stanley Milgram 1965: Im Film "Obedience". Pensilvenia University) bewies der Wissenschaftler Milgram, wie leichtgläubig und gehorsam Menschen gegenüber angeblichen Experten sind:
Personen wurden von angeblichen Experten aufgefordert, für ein wichtiges wissenschaftliches Experiment den Versuchspersonen Elektroschocks zu verabreichen. Es war eine erstaunliche Bereitschaft vorhanden, nur aufgrund der Anordnung einer Autorität fast alles zu tun.
Vielleicht hat der Mensch ein anerworbenes Gehorsamkeitsbedürfnis. Vielleicht deshalb weil wir die Annehmlichkeiten des automatischen Gehorsams erleben, fällt es uns recht leicht, mechanisch zu gehorchen.
Die Werbung hat sich dieses Beeinflussungsphänomen der Expertengläubigkeit zunutze gemacht. Pseudo-Aerzte, Pseudo-Krankenschwestern, Richter, die von Schauspielern imitiert weren, werben erfolgreich für Produkte. Die Rechnung geht auf: Wir lassen uns immer wieder von gespielten Autoritäten beeinflussen.


Zum Beeinflussungsfaktor Angst

Im Alltag dominieren drei typische Angstvorstellungen. Mit diesen Angstbildern lassen sich Verhaltensänderungen beeinflussen:
  1. Wir könnten Erworbenes verlieren
    Beispiele: Drogenhändier schaffen mit dieser Angst Abhängigkeit. Folge: Der Betroffene opfert alles, um das Erworbene behalten zu können. Aus Angst, den Job zu verlieren, lassen wir uns einspannen. Damit wir den Partner nicht verlieren, wird das Handeln angepasst.
  2. Die Angst vor Ungewissem
    Beispiel: Lebensversicherungen profitieren von dieser Angst. Da die Zukunft ungewiss ist, sind wir bereit, das Gewissen zu beruhigen.
  3. Angst vor der Realität
    Beispiel: Der Gedanke: "Ich könnte mich lächerlich machen, wenn ich versage", ängstigt. Zwischen Wunschvorstellungen und Realität klafft eine Diskrepanz.
Gibt es hilfreiche Abwehrstrategien, die bei Beeinflussungsversuchen via Angstmache anwendbar sind?
  • Stehen wir zur Realität (Situation akzeptieren lernen)
  • Sich mit den eigenen Aengsten konkret auseinandersetzen
  • Warnsignale beachten: Wovor habe ich Angst? Was passiert, wenn Ängste auftreten? Will ich ein Risiko eingehen?
  • Sich nicht von ungewissen Gefühlen vereinnahmen lassen.
  • Sich klar entscheiden. Was soll ich tun?


Zur Manipulation

Manipulation ist ein uraltes Mittel der Beeinflussung. Sie wurde seit je von allen Kulturen bis zum heutigen Tag angewendet.
Bei der Manipulation geht es um bewusste oder unbewusste Lenkung. Manipulierte Darstellungen basieren auf eigenen Zielvorstellungen. Es passiert nicht nur Politikern oder Journalisten, dass Informationen verfäschte, auswählt, verschwiegen oder nur einseitig weitergegeben werden.
Zur Manipulation und Beeinflussung gehört aber auch der Adressat, der durch Kenntnis der Manipulationstechniken und Schärfen seiner Kritikfähigkeit viel dazu beitragen kann, nicht manipuliert zu werden.


Je besser der Mensch über die Beeinflussung zum Beispiel durch die Medien Bescheid weiss, um so eher kann er ihr widerstehen. Wer Manipulations und Beeinflussungstechniken erkennen und benennen kann, kann dafür sorgen, dass er ihr nicht zum Opfer fällt. Prozessorientierte Übungen können helfen, sich situationsgerecht zu verhalten, wenn manipulative Beeinflussungen im zwischenmenschlichen Bereich auftauchen.




Weblinks:





Mit prozessorientierten Übungen bei K-K werden Sie befähigt, Beeinflussungsmechanismen nicht nur zu erkennen. Sie lernen, allfälligen subtilen, unredlichen Manipulationstechniken situationsgerecht zu begegnen.

September, 2005
Dieser Beitrag wurde 1992 geschrieben und ist seit 2005 hier online. Inzwischen kann man im Internet ein Fülle von Artikeln und Bücher zum Thema finden. Wer diese Beiträge, Aufsätze und Bücher überfliegt, wird feststellen, dass "alten" Erkenntnisse -Ich hatte sie im Studium und bei Weiterbildungsseminaren erworben - nach wie vor aktuell bleiben und dass in diesem Bereich der angewandten Psychologie das Rad nicht neu erfoden werden kann. Hier sind ein paar neue Links, die es 2005 noch nicht oder noch nicht in der jetzigen Ausführlichkeit gab:






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