Markus G., ein geistig Behinderter redet über Sex und Liebe.
Die Werbesequenz am Fernsehen ist eine Kampagne der Swisscom im Rahmen
eines Expoprojektes.
Hinter den Filmbeiträgen steckt ein durchdachtes
Konzept.
Die Macher wollten mit einer provokativen Werbeserie den Slogan
visualisieren. Die Irritation und der Tabubruch war gezielt und beabsichtigt.
Die PR Aktion war als Plattform für Randgruppen gedacht, auf der
Strafgefangene, missbrauchte Frauen, geistig Behinderte, Opfer, Exoten oder
Aussenseiter der Gesellschaft Gelegenheit haben, sich
eine Minute lang äussern zu können. Wer etwas vor der Kamera
sagen möchte, durfte sich melden. Angeblich fehlte es nicht an
Interessenten. Nach Swisscom haben sich 5'000 gemeldet. Begreiflich:
Wer möchte nicht am Fernsehen eine persönliche Aussage machen.
Bei der "versteckten Kamera" oder bei Talksendungen
stellen man immer wieder fest:
Selbst peinliche Situationen, die man normalerweise niemandem zeigen würde,
sind vor der Kamera plötzlich kein Tabu mehr. Die Einwilligung
wird den Filmemachern erteilt, wenn man dafür wenigstens am Fernsehen kommt.
Plötzlich schwinden Bedenken. Hemmungen sind wie weggeblasen.
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Die These von Reinhard Fendrich
trifft scheinbar zu:
"Erst wer im Fernsehen kommt, ist jemand".
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Dies ist durchaus verständlich, denn wer möchte
nicht die einmalige Chance verpassen, eine Minute lang
vor einem Millionenpublikum zur besten Sendezeit, ohne Unterbruch
seine Gedanken vermitteln zu können. Eine Werbeminute kostet schliesslich
je nach Ausstrahlungszeit kostet zwischen 20'000 bis 50'000 Fr.
Zurück zur Kampagne der Swisscom:
50 Menschen mit ihren Botschaften vom Dokumentarfilmer
Paul Riniker gefilmt. Eine Jury, der u.a. auch Martin Heller angehörte
hat die 14 stärksten TV-Spots ausgewählt. Nach Swisscom
"stellen diese zum Teil kontroversen und polarisierenden Spots
Facetten der gesellschaftlichen Realität in der Schweiz dar.
Mit der Kampagne 'Brich das Schweigen' will die Swisscom mutige und
offene Kommunikation fördern."
Die unverblümten Aussagen (
sie sind auf der Webseite
www.meinebotschaft.ch zu sehen), können irritieren.
Dies war auch von den PR-Planern bewusst einkalkuliert.
PR Spezialisten wollen irritieren, denn Irritationen werden beachtet.
und bewirken mehr als "normale" Aussagen.
Dass Irritationen Reaktionen auslösen, hat man z.B. bei den
Benetton ,
SVP Plakaten oder
der Stop Aids Plakaten
gesehen. Wenn kritisiert oder reklamiert wird, wenn gar
die Aktionen in Frage gestellt wird, dann ist das Ziel erreicht:
Es wird von der Aktion gesprochen. Auch wir schreiben hier darüber.
Werbung soll Aufmerksamkeit wecken. Jeder Werber will besser sein
und grössere Beachtung finden als sein Konkurrent.
Nach Mediensoziologe Kurt Imhof arbeiten deshalb viele Werber
bewusst mit dem Tabubruch.
Wir haben in verschiedenen Beiträgen veranschaulicht, wie in Politik
und Kunst, beim Film oder Theater oder mit Bildern gezielt provoziert wird.
Das passiert oft in der Hoffnung auf Echos. Wer provoziert, ist
auch für Reaktionen dankbar.
Wie weit dürfen Bilder, Texte und Filmsequenzen gehen?
Wo liegen die Grenzen des guten Geschmacks? Die Gefahr besteht
zum Beispiel darin, dass Menschen entwürdigt werden.
Vor allem bei Behinderten, welche die Grenzen nicht selbst erkennen
können, liegt die Verantwortung letzlich bei den Werbern selbst.
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