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www.rhetorik.ch aktuell: (2. Juni 2002)

Irritation und Tabubruch als Werbegag



29.04: Jana S., 30 30.04: Roberto A. 01.05: Markus G., 33 02.05: Marie-France G., 39 03.05: Mike S., 26 04.05: Pierre D., 48 05.05: Nicolas B., 27


Markus G., ein geistig Behinderter redet über Sex und Liebe. Die Werbesequenz am Fernsehen ist eine Kampagne der Swisscom im Rahmen eines Expoprojektes. Hinter den Filmbeiträgen steckt ein durchdachtes Konzept. Die Macher wollten mit einer provokativen Werbeserie den Slogan

Das Schweigen brechen.


visualisieren. Die Irritation und der Tabubruch war gezielt und beabsichtigt. Die PR Aktion war als Plattform für Randgruppen gedacht, auf der Strafgefangene, missbrauchte Frauen, geistig Behinderte, Opfer, Exoten oder Aussenseiter der Gesellschaft Gelegenheit haben, sich eine Minute lang äussern zu können. Wer etwas vor der Kamera sagen möchte, durfte sich melden. Angeblich fehlte es nicht an Interessenten. Nach Swisscom haben sich 5'000 gemeldet. Begreiflich: Wer möchte nicht am Fernsehen eine persönliche Aussage machen.
Bei der "versteckten Kamera" oder bei Talksendungen stellen man immer wieder fest:

Selbst peinliche Situationen, die man normalerweise niemandem zeigen würde, sind vor der Kamera plötzlich kein Tabu mehr. Die Einwilligung wird den Filmemachern erteilt, wenn man dafür wenigstens am Fernsehen kommt. Plötzlich schwinden Bedenken. Hemmungen sind wie weggeblasen.


Die These von Reinhard Fendrich trifft scheinbar zu:

"Erst wer im Fernsehen kommt, ist jemand".


Dies ist durchaus verständlich, denn wer möchte nicht die einmalige Chance verpassen, eine Minute lang vor einem Millionenpublikum zur besten Sendezeit, ohne Unterbruch seine Gedanken vermitteln zu können. Eine Werbeminute kostet schliesslich je nach Ausstrahlungszeit kostet zwischen 20'000 bis 50'000 Fr.

Paul Riniker, Photoquelle: 
       www.zytglogge.ch/autoren/paul_riniker.html Zurück zur Kampagne der Swisscom: 50 Menschen mit ihren Botschaften vom Dokumentarfilmer Paul Riniker gefilmt. Eine Jury, der u.a. auch Martin Heller angehörte hat die 14 stärksten TV-Spots ausgewählt. Nach Swisscom "stellen diese zum Teil kontroversen und polarisierenden Spots Facetten der gesellschaftlichen Realität in der Schweiz dar. Mit der Kampagne 'Brich das Schweigen' will die Swisscom mutige und offene Kommunikation fördern."
Die unverblümten Aussagen ( sie sind auf der Webseite www.meinebotschaft.ch zu sehen), können irritieren. Dies war auch von den PR-Planern bewusst einkalkuliert. PR Spezialisten wollen irritieren, denn Irritationen werden beachtet. und bewirken mehr als "normale" Aussagen.
Dass Irritationen Reaktionen auslösen, hat man z.B. bei den Benetton , SVP Plakaten oder der Stop Aids Plakaten gesehen. Wenn kritisiert oder reklamiert wird, wenn gar die Aktionen in Frage gestellt wird, dann ist das Ziel erreicht: Es wird von der Aktion gesprochen. Auch wir schreiben hier darüber.
Werbung soll Aufmerksamkeit wecken. Jeder Werber will besser sein und grössere Beachtung finden als sein Konkurrent. Nach Mediensoziologe Kurt Imhof arbeiten deshalb viele Werber bewusst mit dem Tabubruch.
Wir haben in verschiedenen Beiträgen veranschaulicht, wie in Politik und Kunst, beim Film oder Theater oder mit Bildern gezielt provoziert wird. Das passiert oft in der Hoffnung auf Echos. Wer provoziert, ist auch für Reaktionen dankbar.
Wie weit dürfen Bilder, Texte und Filmsequenzen gehen? Wo liegen die Grenzen des guten Geschmacks? Die Gefahr besteht zum Beispiel darin, dass Menschen entwürdigt werden. Vor allem bei Behinderten, welche die Grenzen nicht selbst erkennen können, liegt die Verantwortung letzlich bei den Werbern selbst.



06.05: Stefano M., 29 07.05: Claudine T., 40 08.05: Fabienne E., 16 09.05: Xavier B., 19 10.05: Camilla/Leonie Z.,10 11.05: Erika E., 49 12.05: Johann H., 57


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