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Blocher als Rhetoriker und Volkstribun


von Marcus Knill


Es ist erstaunlich: Christoph Blocher wird in allen Medienseminaren irgend einmal zum Thema. Weshalb wird von diesem Politiker immer wieder gesprochen - sei es positiv oder negativ? Wir wollen zur Beantwortung dieser Frage einmal ihn, den Rhetoriker, genauer unter die Lupe nehmen.

Zur Person Blocher

Christoph Blocher, photoquelle www.blick.ch Blocher wuchs im Pfarrhaus in Laufen beim Rheinfall auf. Der Vater von Blocher war Pfarrer in Laufen-Uhwiesen. Er hatte den Kindern bereits am Esstisch beigebracht, so zu reden, dass man das Gesagte sieht!
Als Pfarrherr kannte er die Bildersprache bestens aus der Bibel (z.B. bei Gleichnissen). In den Köpfen der Familie Blocher kam es demnach im sprachlichen Bereich zu keinem Bildersturm. "In Bildern reden" wurde für die Söhne Gerhard und Christoph zur Selbstverständlichkeit. Sie mussten nicht in teuren Rhetorikseminaren die "Bildrhetorik" nachträglich aneignen. Dass die Blocherkinder seitdem bildhaft reden, scheint angeboren. Gerhard Blocher, der in Hallau lange als Pfarrer und später als Gemeindepräsident geamtet hatte, spricht genauso bildhaft, wie sein Bruder.
Christoph Blocher wird heute vielfach als Dämagoge oder holzschnittartiger Redner, aber auch als Manipulator oder sogar als Propagandist abgestempelt. Das ist verständlich, denn Propaganda und Beeinflussungstechniken bedienen sich, so wie es bei der Werbung üblich ist, emotionaler Bildern. Nur Worte bewirken bekanntlich etwas, die Bilder auslösen. (Siehe dazu die Beiträge Propaganda oder Beeinflussung oder Bild und Bildung).
Es geht uns in diesem Beitrag weder darum, die politischen Inhalte des populären Politikers zu beurteilen noch seine Botschaften zu werten oder zu kommentieren. Wir beschäftigen uns lediglich mit den rhetorischen Aspekten der Auftritte und möchten ergründen, weshalb Christoph Blocher überall so nachhaltig wirkt.
Wer Blochers Auftritte mit den Erkenntnissen unseres "Internetbuches" rhetorik.ch vergleicht, dem fällt sofort auf, wie viele zentrale Erkenntnisse der Rhetoriker Blocher bei Diskussionen und Reden nutzt.


Blochers rhetorische Stärken



Blochers rhetorische Schwachpunkte:

  • Für Blocher ist die Sache wichtiger als der Mensch. Er meinte einmal: "Von menschenorientierter Führung halte ich nichts". Blocher verpflichtet sich nur gegenüber der Sache, d.h. die Sache hat anscheinend den höheren Stellenwert als der Mensch.
  • Obwohl Blochers Engagement und das "Einbringen von Emotionen" noch in die Waagschale der vielen positiven Punkte gehört, vergisst der Politiker - wenn er in Fahrt kommt - immer wieder seine Worte während des Sprechens sorgsam zu bedenken. Siehe dazu den Beitrag Bedachtsam reden. Immer wieder musste er Aussagen nachträglich klären, berichtigen und in den jeweiligen Kontext stellen. Blocher macht oft nur Andeutungen. Ein Beispiel: war die Aussage: "Ich wäre froh, wenn sie scheitert." bei der Diskussion um neue Lösungen bei der Fluggesellschaft mit Millionenunterstützung.
Was bei Blocher besonders stört:
  • das hämische Lachen ("Auslachen?" der politischen Gegner), so wie es Ursula Koch an der Arena vielfach getan hat.
  • der ausgestreckte Zeigefinger (Schulmeister, "Rotstifttyp"),
  • oft auch der vorwurfsvolle Ton,
  • die viel zu laute Stimme, vor allem, wenn Mikrofonsprechen angesagt ist. Diese laute Stimme drückt alles an die Wand. Sie "erdrückt" und wirkt nicht dialogisch.
  • Bei sitzender oder stehender Haltung ist das "Grounding" (Verankerung) nicht am Boden, sondern auf dem Tisch oder Stehpult. Die Person wirkt zu mächtig, zu "bullig".
  • Der unpersönliche Blick ist nicht dialogisch und vielfach nur ein "Nebelblick". - Dies wird als "unpersönlich" empfunden. Blocher blickt gleichsam durch die Personen hindurch als rede er zur Masse.
  • Der Gebrauch von zuvielen Sprechmarotten und stereotype Formulierungen: "Jo loged si..." "Etz mon ich Ihne öppis säge...", "Jo wüssezi..."


Weshalb ist Blocher in der Medienlandschaft ein Phänomen?

  • Blocher als konservativer Politiker ist im Umgang mit Medien als multimedialer Politiker erstaunlich modern.
  • Er nutzt das Ereignismanagement zum Beispiel bei Grossveranstaltungen wie "Albisguetli" usw. über die geschrieben werden muss.
  • Wenn er Reden hält, ist meist etwas Ungewöhnliches Provokatives zu erwarten. Dies suchen die Medien. Aussergewöhliches ist mediengerecht.
  • Blocher gibt laufend Interviews. Es hat keine Mikrofon oder Kamerahemmungen. Er gibt auch Antworten, wenn er im Gegenwind steht. Blocher weiss: Medienauftritte sind immer ein Chance! "Ich kann mich verkaufen!"
  • Er nutzt auch das Internet. Auf seinen Webseiten, die von Medien und der Öffentlichkeit sehr stark genutzt werden, waren im Februar 2002 sage und schreibe 27 Interviews abgedruckt. Die Seiten werden laufend aktualisiert.
  • Blocher nimmt sich die Zeit, immer wieder eigene Beiträge oder Artikel zu schreiben.
  • Er hat eine aussergewöhnlich hohe Medienpräsenz z.B. Arena.
  • Blocher schafft sich zusätzlich mit Inseraten und bezahlten Beiträgen eine Dauerpräsenz. Ein NZZ Interview liess er in anderen Zeitungen als ganzseitige Inserate abdrucken. Die Albisguetlirede wurde in alle Haushalte versandt.
  • Blocher ist ein klassischer Boulevard-Politiker
    • redet in Schlagzeilen
    • ist kompromisslos
    • nutzt die Emotionen
    • ist aggressiv
    • spricht einfach und bildhaft
  • Er weckt die Aufmerksamkeit dank Überraschungen oder Provokationen. Die Medien wollten einmal Blocher mit einem Inserateboykott versehen, weil er angeblich zu viel Raum eingenommen hatte. Doch der Presserat schützte Blocher. Und damit konnte der Politiker diese Geschichte wieder für sich ausschlachten.
  • Blocher kann politische Prozesse stören. Die stillschweigenden Vereinbarungen am runden Tisch bringt er an die Öffentlichkeit. Jedes Referendum stört die interne Verhandlungskultur auf oberster Ebene. Viele glauben: Ohne Blocher könnten "die da oben" machen, was sie wollen.
Die wichtigste Erkenntnis ist und bleibt jedoch für uns: Blocher instrumentalisiert die Medien, weil er den Bedürfnissen unserer Mediengesellschaft gerecht wird. Er kommt der Produktionslogik der Medien entgegen.
  • Personalisierung: Probleme werden dank Blocher personalisiert.
  • Emotionalisierung: Blocher macht aus den Emotionen keine Mördergrube.
  • Simplifizierung: Der reiche Industrielle und Politiker spricht die Sprache des Volkes
  • Polarisierung: Das holzschnittartige Schwarz -Weiss Denken polarisiert.


Im FACTS 7/02 befinded sich eine Analyse eines Auftrittes von Blocher in Bellach an einer Grossveranstaltung der SVP vor einem 500-600 starken Publikum vor der UNO Abstimmung. Der Autor begleitete dabei den "Facts" Journalisten Thomas Widmer. Eine Kopie des "Facts" Artikels finden sie hier.








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