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Etwas vom WICHTIGSTEN: Das WICHTIGE erkennen, das WICHTIGE hervorheben, das WICHTIGE benennen


von Marcus Knill

Wir befinden uns mitten in einer Controllingsitzung der Geschäftsleitung einer grösseren Firma. Ungewöhnlich ist die Supervision mit einer Videokamera. Die zusätzliche Beleuchtung und Toninstallation scheinen nicht zu stören. Die Kurzreferate nehmen den gewohnten Lauf. Neu ist das weitere Vorgehen: Am folgenden Tag visioniert jedes Mitglied der Geschäftsleitung zusammen mit dem Berater den eigenen Beitrag vor dem Monitor. Das vertrauliche Analysegespräch beginnt mit der Selbstbeurteilung. Der Berater stellt gezielt Fragen. Mitunter werden alle Referenten mit der Frage konfrontiert:

"Was war Ihr Hauptanliegen?" "Welche Aussage hatte Priorität?"
Die Analysegespräche machten etwas Erstaunliches bewusst: In der Regel war den Vorgesetzten die Kernaussage schon bewusst und konnte formuliert werden. Beispielsweise:

"Die Lagerbestände müssen dringend um 5O% reduziert werden!"


Die wichtigen Anliegen waren jedoch bei den Präsentationen selten als eine wichtige Aussage erkennbar. Die Beiträge hörten sich meist recht gleichförmig an. Die gezielte Betonung- der Druck beim Aus-druck fehlte.
Es mangelte auch an entsprechenden nonverbalen Signalen wie Gestik und Stimme. Das Wichtige wurde auch auf der Folie nicht mit einem Rotstift markiert oder sonst visuell abgehoben. Oft war die Hauptaussage in einem Nebensatz nur kurz erwähnt. Am Ende der Ausführungen kein Wort vom wichtigsten Gedanken (in der Zusammenfassung oder als bewusste Wiederholung). Während dem Analysegespräch war folgende Feststellung erstaunlich:
Die Manager machten auf die Arbeitsbelastung, die Stress-Situation im Betrieb aufmerksam. Scheinbar fehlte bei einigen die Zeit zum Überlegen zum Vordenken. Eine Begründung lautete explizit: "Ich hatte nicht mehr Gelegenheit, die Hauptaussage bewusst vorzubereiten."




Wer sich in einer Kaderposition von der Hektik der Arbeit so vereinnahmen lässt, dass die Zeit zum Überdenken der wichtigsten Aussage fehlt, der gerät zwangsläufig in einen Teufelskreis. Die Adressaten erkennen die Priorität nicht und setzen eigenen Prioritäten. So kommt es zu Missverständnissen. Die nachträglichen Korrekturen rauben Zeit. Der Stresspegel steigt. Das bewusste "Lösen", die Vordenkpause vor Präsentationen ist ein Muss.

Nur derjenige Manager, der sich Zeit nimmt zum Überlegen, der ist letztlich auch Überlegen. Golfspielen, Joggen, Schwimmen, Velofahren, das "Nichtstun" d.h. das bewusste sich Absetzen vom Arbeitsprozess gehört auch zur Arbeitszeit bei jedem geplanten Auftritt. Die Reflektion

"Was ist mir eigentlich das wichtigste Anliegen?"

ist hilfreicher als das leider so ansteckende hektische Tun. Die scheinbare Zeittöterin "Pause" wird letztlich zum Zeitgewinn. Bei allen Kommunikationssituationen im Alltag; bei Sitzungen, Verhandlungen, Medienauftritten, selbst bei Routinetelefonaten macht sich die Suche nach der Priorität(übrigens auch die Vorformulierung der Kernaussage) mehr als bezahlt.

Wichtige Aussagen benennen und ausführlicher schildern Wir sparen die Zeit am falschen Ort, wenn wir wichtige Aussagen nicht ergänzen. Der Gedanke "Es ist ohnehin klar" oder "Die Ergänzung ist nicht der Rede wert" rächt sich. Denn: Die Anwesenden vermuten und ergänzen das Gehörte nach eigenem Gutdünken. Wiederum sind damit Missverständnisse vorprogrammiert. Wer verhindern will, dass "Falsches" hinzugedacht wird, der muss WESENTLICHES ausformulieren, ausführlicher schildern. Dies ist der Rede wert.

Sagt jemand beispielsweise: "Ich bin aufgeregt", so sind den verschiedensten Vermutungen Tür und Tor geöffnet. Zusatzinformationen, Präzisierungen verhelfen zum schnelleren Verstehen. Die Einordnung ist einfacher, wenn ich sage:

"Ich bin aufgeregt, weil ich morgen eine Prüfung habe" oder: "Der übermässige Kaffegenuss regte mich auf" oder: "Martin, Deine Behauptung an der letzten Sitzung hat mich aufgeregt".


(In diesem Fall würde es sich auch noch lohnen, die Behauptung so wiederzugeben, wie ich sie verstanden hatte.)




Wesentliches müssen wir ausführlicher schildern. Andernfalls werden fehlende Aussagen nach eigenem Gutdünken und Wissen ergänzt.

Journalisten schreiben, was sie als wichtig empfinden Nach Medienkonferenzen ertönt oft das Klagelied von den bösen Journalisten, die Nebensächlichkeiten Priorität einräumen und das Wichtige ausklammern. Wer hingegen die entsprechende Medienveranstaltung mitverfolgen konnte, stellt fest:




Die Schuld liegt meist beim Senden. Das Wichtige wurde nicht entsprechend präsentiert. Wichtiges darf nämlich nicht in Auflistungen versteckt sein.


Ein aufschlussreiches Beispiel aus der Praxis:

In einem Medienrhetorikseminar erwähnt eine Politikerin, sie habe übermorgen einen Medienanlass (Auftritt an einem Presseapéro). Sie muss ein heikles Projekt für die Jugend vertreten. Im Seminar wird dieser echte Anlass für eine Übung genutzt. In einem Rollenspiel agieren die Teilnehmerinnen als Journalisten. Der Probelauf macht bewusst: Die übliche Auflistung von angeblich wertvollen Argumenten (Argumentationskette) ergibt bei den Journalisten unterschiedlichste Titel und Aussagen. Die Politikerin erhält den Auftrag wie folgt vorzugehen: Anstelle einer Aufzählung von Argumenten wird bewusst das wichtigste Argument gesucht und ausführlich vorbereitet. Dieses ausgewählte Argument gilt es nun mit Vergleichen, Geschichten oder konkreten Bildern fassbarer (erfassbarer) zu machen. Die Politikerin lehnte sich an folgendes Lern-Piktogramm:

Kernaussage


Das wichtigste Argument "der Knochen" wird dank der Bilder oder der Geschichte grösser (Es gibt "Fleisch an den Knochen". Das Argument wird vorstellbar und fassbar. Erkenntnisse der Wahrnehmungspsychologie bestätigen: Auch über die Ohren können im Gehirn Bilder entstehen. Bilder bleiben länger haften und sind etwas vom suggestivstem. Bei der Politikerin lohnte sich übrigens dieses Vorgehen. Die Presse übernahm die Argumentation. In einer Schweizer Tageszeitung stand der Gedanke der Frau im Titel und bei einer grossen Regionalzeitung im Lead. Entsprechen dem Prinzip "Wesentliches ausführlich schildern und nur das Hauptargument gewichten", erfassten die Journalisten das WESENTLICHE. Es wurde entsprechend gewichtet. Auch die Medienrhetorik bestätigt: Aussagen gilt es so zu präsentieren, dass das WESENTLICHE erkannt (verstanden) wird. Dies ist lernbar.


Im Alltag sind bei vielen Kommunikationsabläufen sind folgende drei Kontrollfragen hilfreich:
  1. Sagen Sie in der Ankündigung, dass Sie etwas Wichtiges zu sagen haben?
  2. Betonen Sie während dem Reden das WICHTIGE? d.h. Sagen Sie das Wichtige?
  3. Erwähnen Sie am Schluss, was wichtig ist? (Zusammenfassung, Wiederholung)





Dieser Artikel ist in der Handelszeitung am 21. Dezember 1995 erschienen





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