rhetorik.ch aktuell: Reden über das Reden
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www.rhetorik.ch aktuell: (23. Januar, 2002)

Reden über das Reden


"Reden in geschwätziger Zeit"
Rudolf Steiger Nach den Gedanken "bedachtsam reden" von Clara Obermüller an der Vortragsgemeinschaft Schaffhausen, setzte Prof. Dr. Rudolf Steiger von der ETH Zürich den Zyklus "Reden in geschwätziger Zeit" fort. Der Rhetorikprofessor hatte sich zahlreichen Fachbüchern einen Namen gemacht. Wir möchten aus dem vielbeachteten Referat vor allem jene Aspekte herausgreifen, die zum Reflektieren der aktuellen Thematik animieren könnten. Dem Publikum der Vortragsgemeinschaft wurde das Zuhören nie ein Problem, weil sich der Dozent für Rhetorik selbst an die bewährten Verständlichkeitshelfer hielt: Er sprach einfach, strukturiert, kurzweilig und es mangelte nicht an stimulierenden Elementen.
Reden ist sinnlos ohne Zuhörer
Die Schaffhauser Nachrichten titelte den Artikel nach der Veranstaltung mit dem prägnanten Satz:

Reden ohne Zuhörer verliert den Sinn.


Der Präsident der Arbeitsgruppe, Peter Hardmeier sagte in der Einführung, man habe mit dem Zyklus offenbar einen Nerv getroffen.

"Die Menschen wollen reden und zuhören - doch man hat heute den Eindruck, es werde zu viel geschwätzt."


Zuhören-Fragen-Argumentieren
Die drei Verben "Zuhören - Fragen - Argumentieren" bildeten den Handlauf des mit intellektuellem Humor gewürzten Vortrages. Bei der Gesprächsführung ist es nach Rudolf Steiger sinnvoll, sich an folgende Reihenfolge zu halten:
Erst einmal zuhören, um was es geht. Dann fragen, um Präzisierungen zu erhalten, und erst nachher argumentieren oder antworten.

Themenschwerpunkt: Zuhören.


Zum Themenschwerpunkt Zuhören gab der Referent folgende Ratschläge:

  1. Geduldig zuhören. "Weshalb schauen wir nur auf die Uhr, wenn der Partner spricht?" fragte Steiger. Unser Kind will uns beispielsweise etwas erzählen. Anstatt Zuzuhören, wird der Dialog dann mit dem Gesprächskiller-satz verunmöglicht: "Ich weiss was Dich beschäftigt!" Das Kind verstummt verständlicherweise.
  2. Lückenlos zuhören Zuhören bedingt nicht nur Geduld. Wir müssen auch das hören, was uns nicht passt; Inhalte mit denen wir nicht einverstanden sind. Zudem gilt es nonverbale Signale zu beachten.
  3. Aktiv zuhören "Versuchen wir auch das zu hören, was der Partner meint, nicht nur das, was er sagt." Wenn eine 16-jährige Tochter den Vater fragt: "Vati, kommst Du am Sonntag mit mir Skifahren?" So geht es möglicherweise nicht ums Skifahren, sondern die Tochter möchte mit dem Vater ein Problem besprechen. Der Vater müsste diesen Wunsch aktiv heraushören.
  4. Ermunternd zuhören Wir dürfen auch dann ermunternd zuhören, wenn wir nicht einverstanden sind. "Interessant, was Sie hier erzählen!" bedeutet noch nicht, dass wir die Ansicht des Sprechenden teilen. Beim Zuhören kann es zu verschiedenen Unfällen kommen. Wenn B etwas anderes versteht, wie es A gemeint hat. Beispielsweise sagt A: "Ich habe Dir heute versucht, 4 Mal zu telefonieren!" B antwortet möglicherweise: "Ich weiss, dass ich dir hätte telefonieren sollen" oder: "Schön, dass ich Dir so wichtig bin." oder sogar: "Kontrollierst Du mich, wo ich bin?"


www.rhetorik.ch Links zum Thema Zuhören.


Themenschwerpunkt Fragen
Der Referent betonte, dass auch das Fragenstellen seine Tücken haben kann. Wichtig zum Beispiel ist:

Fragen müssen klar und kurz sein.


Mehrteilige Fragen verwirren die Zuhörer. Wir riskieren, dass sich das Vis-à-vis das herauspickt, was ihm passt. Wie würden man zum Beispiel folgende Fragekette beantworten? "Wie geht es Ihren Kindern? Hatten Sie einen Parkplatz gefunden? Trinken Sie lieber Rotwein oder Mineralwasser?" Die mehrteilige Antwort auf die mehrteilige Frage wäre gewiss unklar: "Gut - Ja - Rotwein!" Deshalb: Nur eine Frage stellen und dann warten. Es gibt offene Fragen, die das Antwortfeld weiten und es gibt kanalisierende Fragen, die das Antwortfeld einengen. Alle, die Diskussionen leiten müssen (siehe www.rhetorik.ch seite über Moderieren) sollten diese Unterschiede kennen und nutzen. Auch Journalisten!

Beispiele von offenen Fragen: Beispiele von kanalisierenden Fragen:
  • Informationsfrage "Welche Länder besuchst du gerne?"
  • Erfahrungsfrage "Wie haben Sie persönlich den Winter erlebt?"
  • Meinungsfrage "Was meinen Sie zum UNO Beitritt der Schweiz"
  • Begründungsfrage "Weshalb sollten wir der UNO beitreten?"
  • Rhetorische Frage "Wie wird sich wohl die Lage im nahen Osten entwickeln?"
  • Sachfrage "Wie definieren Sie Sozialstaat?"
  • Verständigungsfrage "Wie meinen Sie dies konkret?"
  • Alternativfrage "Wollen Sie Rotwein oder Weisswein?
  • Geschlossene Fragen "Möchten Sie jetzt nach Hause?"
  • Zu den geschlossenen Fragen gehören auch:
    • Fangfrage "Finden sie mein zweites Buch besser, wie das erste?" Antwort: "JA" - "Nun, das muss ich zuerst noch schreiben!"
    • Suggestivfrage "Sind Sie auch der Meinung, dass...?"


www.rhetorik.ch Links zum Thema Fragen:


Themenschwerpunkt Argumentieren
Steiger behandelte zuerst die Standpunktformel, wie auch die Problemlösungsformel sowie die wichtigsten unredlichen Diskussiontechniken. Damit Argumentationen verstanden werden, lohnt sich eine klare Gliederung. Ein Standpunkt sollte mit einem Beispiel konkretisiert werden. Nachher kann der Gesprächspartner zu einer Stellungsnahme herausgefordert werden.
Erwähnenswert fanden wir die präsentierten Argumentationsmöglichkeiten:
  1. Ketten. "Ich schlage Frau Meier in den Gemeinderat vor, weil ich Frau Meier kenne. Ich kenne Frau Meier als Projektleiterin der Arbeitsgruppe XY. In dieser Arbeitsgruppe hat sie bewiesen, dass Sie zielorientiert arbeiten kann. Gewiss können Sie keine kompetentere Person vorschlagen!"
  2. Dialektik. Folgende Gründe sprechen für... Dagegen spricht... Die Synthese daraus...
  3. Vergleich. Anstatt absolute unvorstellbare Zahlen zu nennen, sind konkrete Vergleiche hilfreich. Anstatt zum Beispiel bei der Raumfahrt von Nanosekunden 10-9 Sekunen zu reden, kann ein Vergleich hilfreich sein: "Wäre eine Nanosekunde ein Millimeter lang, dann entspräche einer Sekunde 1000 km." Auch in der Politik, wirken gute Analogien stark. Ein Beispiel: Falls begründet werden muss, dass die Gemeinde ein Altersheim braucht: "Unsere Gemeinde hat heute 12000 Einwohner. Bei 15000 Einwohnern muss jede Kommune ein Altersheim bauen. Die Gemeinde wächst jährlich um 1000 Einwohner. Angenommen, die Entwicklung geht so weiter, so müssen wir 2005 ein neues Altersheim haben. Deshalb....". Das Thema Emotionen beim Argumentieren behandelte Steiger in der Schussdiskussion. Nachdem der Organisator die Frage stellte: "Darf man beim Argumentieren Emotionen zeigen?" antwortete der Referent:
    "Eine emotionslose Rede darf man gar nicht halten!"
    und fügte eine der zentralsten Erkenntnisse bei:
    Man soll immer so sein, wie man ist und nicht Emotionen im Manuskript einplanen.
    Siehe dazu auch den www.rhetorik.ch Beitrag über natürlich kommunizieren. Steiger selbst zeigte in seinen wohlstrukturierten Ausführungen immer wieder Emotionen, vor allem dann, wenn er in den scharfsinnigen Ausflügen vom eigentlichen Thema kurz abwich. z.B. "Die Welt hat sich nicht verändert nach dem 11. September. Aber wir haben realisiert, wie die Welt schon seit vielen Jahren ist: unsicher, verletzlich und bedrohlich."
  4. Deduktion Vom Allgemeinen zum Besonderen. Beispiel: "Wenn sich in allen anderen Ländern Europas XY bewährt hat, so müssen wir auch in der Schweiz...."
  5. Induktion Vom Einzelnen zum Allgemeinen. Beispiel: "Auch in der der Gemeinde XY habt sich die Einführung der Abfallsäcke gelohnt, deshalb sollten wir in ganzen Kanton dieses System einführen."
  6. Zergliedern Ein Argument in Teilbereiche aufteilen.


www.rhetorik.ch Links zum Thema Argumentieren:

Spiel mit Worten
Uns fiel auf, dass Rudolf Steiger der mitunter Autor des bekannten Lehrbuches Vortragstechnik ist, das Spiel mit der Sprache selbst brilliant beherrscht. So spielte er immer wieder mit zusammengesetzten Wörtern:
"Um die Gegenwart und die Zukunft zu meistern, bräuchten wir weniger Nach-Denker, sondern Mit- und Voraus-Denker."
Links. www.rhetorik.ch links zum Thema:


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