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Reden und nichts sagen


von Marcus Knill


Über die fragwürdige Kunst des Redens mit hohlen Worthülsen. Sehen Sie auch die Beiträge über Quasseln und Airbagrhetorik.

Hohle Phrasen

Wir drehen das Radio an und hören folgende Passage:

"Wenn irgendwelche nicht näher erläuternde Umstände es erlauben, könnten wir gewiss versuchen, etliche Aspekte immerhin den gewünschten Gegebenheiten anpassen."

Dies ist die Antwort eines interviewtes Behördemitglieds.

"Wissen Sie," fährt der Befragte selbstsicher weiter; "wenn die Angelegenheit mit gesundem Menschenverstand angegangen wird und alle am gleichen Strick ziehen, so ist dies gewiss der erste Schritt in die richtige Richtung. Ich würde meinen: Es geht vorab darum, gemeinsam das nämliche Ziel anzustreben, getragen vom Willen, anstatt zu diskutieren, Hand anzulegen. Denn: Wer der Zukunft ins Auge blickt, stellt fest: Am Ende des Tunnels wird es immer wieder hell."

Wer die Antworten bei heiklen Interviews genauer analysiert, merkt rasch, was da heraus kommt: Worthülsen, hohle Phrasen zu Hauff, manchmal reines Bablabla. Konkreter? Kaum. Ein Wort ohne Bedeutung bleibt ein leerer Klang, heisst es. Weshalb dann diese Leerformeln? Gewiss. Zum Teil ist es Absicht, dass keine konkreten Aussagen gemacht werden. Möglicherweise ist es Selbstschutz oder Angst, Farbe bekennen zu müssen. Wir alle wissen um die inhaltslosen, ritualisierten Antworten im Alltag. Beim Begrüssen beispielsweise. "Wie geht es?" - wer gibt denn auf diese Frage schon eine ehrliche Antwort? Ich will jedoch hier auf diese Phänomene nicht näher eingehen, auch nicht auf bewusstes Lügen im Verlauf von Kommunikationsprozessen. Hier sollen jene Aussagen genauer beleuchtet werden, die nichts sagen, unklar oder mehrdeutig sind, Worthülsen also. Solch schwammige Formulierungen brauchen all jene, die reden, sich aber nicht konkret festlegen wollen. Zuhörer und Zuhörerinnen können sich bei solch abstrakten Aussagen den Inhalt gar nicht vorstellen. Das Gesagte kann nicht gegriffen und auch nicht begriffen werden. Aber, verschiedene dieser verallgemeinernden Begriffe haben eben den Vorteil, dass sie in Laienohren recht kompetent tönen. Mit Floskeln kann ein Redner manche beeindrucken, und er läuft kaum Gefahr, damit anzuecken. Es sei denn, es werde nachgefragt. Zurück zu der am Anfang zitierten Antwort am Radio. Auch dieses leere Gerede kann rasch entlarvt werden, wenn nachgefragt wird. Ein paar Beispiele:
  • "Nicht näher erläuternde Umstände": Welche Umstände sind dies?
  • "Einiges":Was heisst das genau?
    Der Ausdruck weist übrigens auf eine Mehrzahl hin, also müssten mindestens zwei konkrete Punkte genannt werden können.
  • "Gesunder Menschenverstand".
    Was wird darunter verstanden? Der Verstand des Redenden?
  • "Am gleichen Strick ziehen":
    Reisst jeder an einem Ende des Strickes und bekämpft den anderen oder ziehen beide am gleichen Ende?
  • " Der erste Schritt in die richtige Richtung:"
    Wer macht den ersten Schritt? In welche Richtung? Wie gross ist dieser Schritt?
  • "Ziel":Was ist damit gemeint?
  • "Hand anlegen:" Wer macht konkret was?
Für oberflächliche Aussagen mögen solche Plausibilitäts-Floskeln genügen. All jenen, die bloss oberflächlich hinhören, mögen sie ebenfalls genügen. doch ein paar einfache Fragen, schon sind die hohlen Formulierungen entlarvt.


Die Tricks der Strohdrescher

Es gibt aber noch andere Tricks, konkrete Aussagen zu vermeiden, nicht nur Plausibilitäts-Floskein. Verbale Strohdrescher brauchen auch gerne Wörter, die einen Sachverhalt einschränken sollen, ihn aber gleichzeitig im Unbestimmten belassen. Wörter wie:

"Eigentlich, irgendwie, vielleicht, unter Umständen, wahrscheinlich, gewissermassen, grundsätzlich, im Grossen und Ganzen... "

Wer nebulös reden will, setzt diese Wörter auch dann ein, wenn etwas als gesichert gelten kann. Eine weitere Möglichkeit, sich vor konkreten Aussagen zu drücken, ist die: Erklärende Satzteile werden weggelassen, Wichtiges wird also einfach gelöscht. Zwei Beispiele:
  • "Ich freue mich."Statt: "Ich freue mich über die Blumen." Das Wesentliche fehlt.
  • "Einverstanden, das ist besser." Besser als"Was oder für was?" Hier fehlt die Präzisierung.

Allgemein gültige Weisheiten und Sprüche müssen in der Regel von allen akzeptiert werden. Deshalb hört man sie auch immer wieder bei Diskussionen oder Referaten, Formulierungen wie.

"Gemeinsam sind wir stark. Wir müssen lernen: Den Wald und die Bäume zu sehen. Wir müssen vorwärts blicken in die Zukunft. Ein Autofahrer schaut auch nicht ständig in den Rückspiegel. Betrachten wir das doch mit gesundem Menschenverstand."

Sprichwörter sind eine wertvolle Fundgrube von Gedanken, die kaum jemand bestreiten kann. Sodann gibt es ja auch die Möglichkeitsform, um mit einer Aussage möglichst unverbindlich zu bleiben.

"Mögen die schweigen, die sonst schweigen. Keiner sage nachher, dies sei zu schwer gewesen. Wäre er gekommen, so könnten wir jetzt anfangen. Ich würde meinen, dass wir jetzt eine Pause machen sollten. Ich hätte dazu Folgendes zu sagen. Ich würde meinen, wir könnten bald zum Schluss kommen."

Stark verbreitet ist die Konjunktivseuche, wenn Referenten vorgestellt oder verdankt werden:

"Zum Schluss möchte ich noch für das Referat von Frau XY den besten Dank aussprechen"

"Warum danken Sie denn nicht?" möchte ich da zurückfragen.


Testen Sie sich selbst.

Nachstehend können Sie selbst testen, ob sie die wichtigsten Elemente des verbalen Strohdreschens durchschauen. Setzen Sie die verschleiernde Höflichkeitsform in die hautnahe Wirklichkeitsform um. Stellen Sie die richtigen Fragen, um Wörter und Phrasen zu hinterfragen.

"Ich könnte Ihnen schon zustimmen. Sicherlich würden wir in der einen oder anderen Einzelfragen noch Meinungsverschiedenheiten haben, aber ich würde denken, dass wir die bereinigen könnten. Nur hätte ich gern noch kurz erläutern wollen, wir ich mir unseren Zeitplan noch diesbezüglich vorstellen würde: Ich möchte meinen, dass wir in den kommenden drei Monaten zunächst die vorliegenden Ergebnisse sichten sollten. Ich würde sogar behaupten, dass das eine oder andere ohne grosse Abänderungen so übemommen werden könnte, ja es wäre sogar vorstellbar, dass wir dann in zwei weiteren Monaten fertig wären. Allerdings würde ich dabei zu bedenken geben, dass nicht immer alles abgeschrieben werden dürfte. Sie verstehen mich bitte richtig, dies sollte nur als Vorschlag zu verstehen sein. Doch würde ich jetzt einmal sagen, dass es von allen anderen Vorschlägen durch seine überschaubar Zeitplanung hervorstechen könnte.

Ich schliesse mit einem Satz, wie er von zahlreichen Moderatoren bei Radio und Fernsehen zelebriert wird, selbst, wenn ein Beitrag schon abgeschlossen ist.

"Das wärs gsi".





Wollen Sie, dass Ihre Aussagen konkreter, griffiger, fassbarer werden? Möchten Sie Ihre hohlen Phrasen erkennen? Eine kurze Supervision von K+K lohnt sich.



Dieser Text ist am 1. September 2000 in der AZ und in der Zeitschrift Schule 12/2000 erschienen.



Nachtrag vom 10. September 2007: Kurt Felix - wie recht er hat.

Die Beiträge des Medienkenners Kurt Felix im Magazin des Sonntagsblick sind immer lesenswert. In der Ausgabe vom 2. September schreibt er über die Dompteure und Elephanten im Fernsehen vor den Wahlen 07. Er beschreibt darin die grauen bis grausamen Gesichter der Akteure ( wie essigsaure Tonerde). Dann unterstreicht er das, was wir in unseren Beiträgen "Airbagrhetorik", "Quasseln", "Reden ohne etwas zu sagen", "Hohle Phrasen" usw. immer wieder unterstreichen.Dieser Betirag hat mich gefeut. Felix schreibt treffend von:
  • Heissen Luftblasen
  • Selbstdarstellungqualm
  • Schwafellippen
  • Kurven reden
  • Wischiwaschi-Geplauder
Kommentar: Zu viele Politiker wissen nicht, dass ein Statement nicht länger als 40 Sekunden dauern sollte. Dass die Kernbotschaft eindeutig und präzise herausgeschält werden muss. Dass eine Botschaft mit einem Argument, einem Beispiel zur Vertiefung reicht. Dass man nicht ein ganzes Grundsatzpapier in dieser kurzen Zeit erläutern kann!






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