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Überzeugender Medienauftritt - aber wie?


von Marcus Knill


In der Praxis hat sich gezeigt, dass viele Führungskräfte die Bedeutung der Medienrhetorik im Zeitalter der elektronischen Medien mit Lokalradios und Lokalfernsehens noch nicht erkannt haben. Viele sind sich auch nicht bewusst, dass es heute für jede Führungskraft selbstverständlich sein sollte, den "Umgang mit Medien" trainiert zu haben. Zudem zählt fachgerechte Medienrhetorik zur Persönlichkeitsschulung. Ich coache seit Jahren Spitzensportler für die Oympiaden im Auftrage von "swiss-olympic". Der deutsche Trainer einer Disziplin sagte einmal nach dem Medientraining in Magglingen zu mir: Im Grunde genommen ist das gar keine Rhetorikschulung, sondern eine "angewandte Selbsterfahrung". Wir recht er hatte. Jede Persönlichkeit lernt sich im Mediensimulator in aussergewöhlichen Situation kennen.
Eine Version dieses Artikels ist in der Kaderzeitschrift "Alpha" erschienen. Siehe auch eine Version in der Zeitschrift Sicherheits Forum.



Das Grundsätzliche bei Medienauftritten klingt so einfach:

  • Sei kurz und trotzdem konkret!
  • Sprich strassengängig, sodass die Zuhörer Dich verstehen können.
  • Konzentriere Dich auf einen Gedanken, auf ein Votum oder eine Antwort.
  • Sei Du selbst, bleibe natürlich und sei kein Schauspieler.


Wenn das Mikrofon unter die Nase gehalten wird oder ein Journalist auftaucht, verstossen viele gegen die einfachsten Prinzipien. Die Theorie ist zwar bekannt, doch in der Praxis machen die Befragten Grundsätzliches falsch:

  • Es wird zu trocken oder zu langatmig geredet.
  • Man spricht nichtssagend, wie es viele Politiker tun.
  • Anstatt bildhaft oder konkret, wird abstrakt oder allgemein formuliert.
  • Beispiele fehlen, Details werden ausgeklammert.
  • Ängste blockieren die Natürlichkeit.


Fazit:

Das anscheinend Einfache ist in der Praxis nicht mehr einfach!



Medientraining - eine Selbstverständlichkeit

Wie beim Sport, geht es im Umgang mit Medien nicht ohne "learning by doing". Piloten können fliegen, trotzdem üben sie regelmässig im Simulator. Führungskräfte können reden, trotzdem lohnt es sich, im Mediensimulator das eigene Verhalten vor Mikrofon und Kamera immer wieder zu überprüfen. Die konkrete Auseinandersetzung mit den Medienphänomenen in der Praxis macht sich bezahlt. Kein Boxpromotor würde seine Schützlinge unvorbereitet in den Ring schicken. Erstaunlich, dass es immer wieder Topleute gibt, die glauben, Medienkommunikation sei eine Frage des Talentes. Sportler wissen, dass Talent zwar eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist, es ohne Training aber keine Spitzenleistungen gibt. Medientraining ist nicht dazu da, Ihre Persönlichkeit zu verfremden. Im Gegenteil:

Fachgerechtes Training hilft - trotz Scheinwerfer und Extremsituationen - die Natürlichkeit zu bewahren.



Aus der Praxis für die Praxis

Obwohl theoretische Kenntnisse nützlich sein können, genügt das Lesen solcher Erkenntnisse allein nie. Beim Training stellten wir immer wieder fest, dass ohne Training das Wissen nicht umgesetzt werden kann. Es mangelt vielfach in folgenden wichtigen Bereichen:
  1. Vorbereitungen Es gilt zuerst, Informationen zu sammeln und Situationen zu antizipieren.
    • Mediensituation klären.
    • Welches Medium?
    • Welches Sendegefäss?
    • Welches Thema?
    • Wer wirkt sonst noch mit?
    • Wie wird das Gespräch eingebettet. Was kommt vorher? Was nachher?
    • Welche Sendezeit?
    • Welche Fragen?
    • Welche Startfrage? Man muss auch mit unerwarteten Startfragen rechnen.
    • Wird live gesendet oder wird das Gespräch aufgezeichnet?
    • Was wird gekürzt?
    • Wie lange dauert die Sendung?
    • An welchem Ort und vor welchem Hintergrund wird die Sendung aufgenommen?
    • Kann ich das Interview nochmals hören?
    • Welcher Teil wird auf alle Fälle gesendet?
    Journalisten stehen unter Zeitdruck und schätzen solche Klärungsfragen nicht besonders. Bleiben Sie trotzdem hartnäckig. Es lohnt sich!
    Uns erstaunt immer wieder, dass die Wenigsten die möglichen Fragen vorher überlegt haben. Antizipieren heisst, sich zu fragen: Was sage ich, wenn...? Die meisten überraschenden Fragen oder Vorwürfe liegen in der Luft.
  2. "Strassengängig reden" heisst, so zu reden, dass auch "Otto - Normalverbraucher" das Fachwissen verstehen kann. Die Konsumenten schätzen Geschichten, Bilder, Vergleiche und möchten Details erfahren. Niemand verdaut gerne trockene und abstrakte Erläuterungen. Bei allen bei Massenmedien muss uns die Masse verstehen.
  3. Überlegen, dann reden. Wer ungezügelt drauflos plaudert, sollte sich bewusst sein, dass 70 Prozent dessen, was erzählt wird, unter Umständen gegen den Redner verwendet werden kann. Mit den Antworten pflastern wir den Weg des Interviews.
  4. Sprachregelung intern abklären. Bei unseren Übungen stellen wir immer wieder fest, dass Begriffe aus dem eigenen Bereich, Verband usw. ungeklärt formuliert werden. Es ist nicht gleichgültig, ob jemand vom "Ausländer", "Gastarbeiter", "Asylant" oder von einem "Fremdarbeiter" spricht.


Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Kürze, Kürze, Kürze.
    Die Medien wünschen immer Kürze. Trotzdem wollen sie bildhafte, konkrete, prägnante Aussagen. Wer diese beiden paradoxen Anliegen unter einen Hut bringt, hilft dem Journalisten als auch dem Medienkonsumenten. Die Medien wünschen persönliche Geschichten (gibt Einschaltquoten), und die Konsumenten lassen sich gerne mit einer Geschichte entzücken. Sie zappen dann seltener weg.
  • Zuhören ist oft wichter als reden.
    Immer wieder erleben wir es, dass die Befragten bereits während der Fragestellung ihre Antwort vorbereiten und gar nicht merken, wie ihnen - nur so nebenbei - noch eine Behauptung unterstellt wird. Nur wer konzentriert zuhört, kann unfaire Bemerkungen sofort zurückweisen.
  • Der Journalist ist ein Partner.
    Wer sich auf die Kamera oder technische Probleme konzentriert, belastet sich unnötigerweise. Die volle Konzentration verdient der Gesprächspartner und das "Sprechdenken" (Denken und Sprechen) Ausnahme: Beim Douplexverfahren ist der Journalist auf einer Aussenstation und die Kamera ist das Gegenüber. Jeder kommuniziert über die Kamera mit dem Partner. Auf dem Bildschirm sind dann beide Aufnahmen nebeneinander zu sehen (Doppelbild).
  • Das Zeitgefühl trainieren.
    Es gehört zum ABC jeden Medienauftrittes, zu wissen, was sich während 20 oder 30 Sekunden sagen lässt. Das Zeitgefühl kann leicht trainiert werden.


Kontrollpunkte

  • Ist meine Sprache einfach und verständlich und "strassengängig"?
  • Vermittle ich Vertrauen? Glaubwürdigkeit kann nicht gespielt werden.
  • Ich rede nur über Bereiche, über die ich Auskunft geben kann. Keine Mutmassungen äussern. Das Publikum spürt die Kompetenz.
  • Antworten heisst, keine Ausflüchte zu suchen. Das Publikum merkt, wer hinter seiner Aussage steht und erkennt rasch, wer schummelt oder um den Brei herum redet.
  • Wer mit Beispielen sprechen kann, ist immer konkret. Die Aussagen werden nachhaltiger.


Internethinweise

Auf der Webseite www.rhetorik.ch wird ein Fülle vertiefender Beiträge der Medienrhetorik kostenlos angeboten. Dieses "Internetbuch" wird laufend ausgebaut. Zur Vertiefung der Thematik, lohnt es sich, noch folgende Beiträge im "Internetlehrbuch für Ausbildner und Trainer" www.rhetorik.ch zu lesen: Am einfachsten ist die Navigation über den Menüplan im "Inhaltsverzeichnis". Auf www.rhetorik.ch/Aktuell werden laufend aktuelle Beispiele aus der Medienwelt analysiert.


Marcus Knill, Kommunikationsberater und Medienpädagoge (www.knill.com) erteilt Hochchuldidaktikseminare, hospitiert Dozenten, coacht Führungskräfte, Spitzensportler, Bezirksanwälte, Lehrkräfte und wird für vertrauliche Supervisionen (Spitäler, Geschäftsleitungen usw.) zugezogen. Er ist Autor von Fachbüchern und Fachartikeln. Spezialgebiete: Medienrhetorik und Krisenkommunikation.


7. Juni, 2003




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