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www.rhetorik.ch aktuell: (11. Juli, 2004)

Bei Krisen versagen viele Chefs



Dies ist ein Kommentar zum Kommunikationsverhalten des ZKB Chefs Hans F. Vögeli nach der Bluttat mit drei Toten im ZKB Gebäude am Tessinerplatz. Die Geschichte illustriert: Viele Chefs tauchen in der Anfangsphase einer Krise ab. Im Fahrwasser dieser Krisenkommunikationsgeschichte gehts auch noch um einen gefälschten Abschiedsbrief des Angestellten der Zürcher Kantonalbank, der am Montag zwei Vorgesetzte erschossen und sich selbst getötet hat.


Chef auf Deck?

Wie Anita Fetz nach Ihrem Spendenskandal und Allain Rossier (Skyguide) nach der Kollusion zweier Flugzeuge im Juli 02 über Überlingen oder Marcel Ospel, im Oktober 01 anlässlich der Swissairkrise, - so tauchte auch der ZKB Chef nach einer Bluttat in einem ZKB Gebäude als Erstes ab.

Anita Fetz schwieg zuerst und flog sogar mitten in der Krise weg. Allain Rossier verpasste es damals, an die Öffentlichkeit zu treten und Marcel Ospel flog nach Amerika. Als Manager fanden sie glaubwürdige Gründe, um sich zu rechtfertigen. In einer Krisensituation gilt aber das Prinzip:

Der Chef gehört auf Deck.


In Krisen - die in der Regel plötzlich und unerwartet auftauchen - ändern die Prioritäten! Führen heisst dann:

Der Chef muss präsent sein.


Zwei Tage zu spät

Bei der Bluttat in der ZKB wunderten wir uns, dass der oberste Chef der ZKB Hans Vögeli zwei Tage brauchte, um sich der Öffentlichkeit zu zeigen. Wir hörten ihn erst nach zwei Tagen in einem Radiointerview. Wenngleich dieses Interview medienrhetorisch nicht schlecht präsentiert worden war, so kam dieser Auftritt eindeutig zu spät. Uns wurde als Begründung mitgeteilt, Hans Vögeli habe das Schwergewicht auf das bankinterne Kommunizieren legen müssen. Der persönliche Berater von Vögeli wäre verpflichtet gewesen, dem Chef eindringlich beizubringen (falls das Krisenszenarien noch nicht getestet ist):

"Beides ist bei einer Krise wichtig: Die interne Kommunikation, wie auch die Öffentlichkeitsarbeit!" Krisentraining heisst, Abläufe antizipieren zu können.


Uns ist unverständlich, dass das Vorgehen bei Krisen bei einer so grossen Bank nicht vorbereitet worden war. Erst am 10. Juli gab Hans Vögeli der Sonntagpresse ein ausführliches Interview. Wir verzichten auf eine Analyse dieses Gespräches. Unser Vorwurf betrifft nicht den Inhalt der Antworten. Wir beanstanden das, was alle Kommunikationsexperten tun würden:

Die Interviews kamen zu spät!


Was hätte Vögeli tun sollen?

Am ersten Tage hätte er sich den Medien stellen müssen. Vor das Mikrofon und die Kamera gehört weder ein Direktionsangehörige noch der Personalchef. Das war jedoch bei der ZKB der Fall. In Krisensituation führt der Chef persönlich.

Hans Vögeli hätte gar nicht viel erzählen müssen. Wichtig wäre vor allem gewesen, das echte Bedauern auszudrücken - aber ungespielt! Auf Fragen von Journalisten müsste der Chef darauf hinweisen: Die Angelegenheit wird noch untersucht. Vögeli darf weder auf Gründe noch auf Mutmassungen eingehen. Später müsste die Öffentlichkeit laufend über die gesicherten Fakten ins Bild gesetzt werden. Dies kann dann auch der Kommunikationschef tun.

Warum tauchen Chefs so gerne ab?

Wir sind überzeugt, dass die wenigsten Manager gelernt haben, mit Krisen umzugehen. Die Chefs haben Angst, vor Mikrofon oder Kamera zu viel oder etwas Falsches zu sagen. Krisenseminare werden aus Spargründen gestrichen. Sie sind angeblich zu teuer und man hofft, man werde von Krisen verschont (Unsere Instiution ist gut -wer gut ist, der hat keine Krise). Krisenkommunikation wurde möglicherweise nicht trainiert. Jede Institution kann plötzlich unverschuldeterweise in eine Krise schlittern. Beispiele:
  • In einem Hotel kann es Salmonellen im Dessert haben.
  • Im Operationssaal können Fehler passieren.
  • In der Schule kann ein Schüler ausrasten
  • Im Militär kann ein Rekrut aus dem Fenster springen.
Erstaunlich ist für uns das Abtauchen des Chefs der ZKB, zumal er schon einmal bei der unrühmlichen Geschichte mit der zusammengebrochenen "Erb"-Gruppe sich hinter einer Mauer des Schweigens verschanzt hatte. In der Regel zieht man aus Fehlern die Konsequenzen und verbessert sich. Scheinbar hat der ZKB Chef daraus nichts gelernt.

Es gibt aber auch gute Beispiele richtigen Verhaltens: Beispielsweise sprach nach dem Flugzeugabsturz der Swissair in Halifax zuerst Philippe Bruggisser. Er wirkte sonst vor der Kamera recht trocken und hölzern. Sein Auftritt kam damals beim Publikum gut an. Die Kommunikationchefin hielt sich damals bewusst zurück. Denn:

Fazit: Nach einer Krise muss zuerst der Chef sichtbar sein! Wer führt, muss bei der Krise sofort Präsenz zeigen!


Gefälschter Abschiedsbrief

Nur im Tagesanzeiger vom 11. Juli wurde das Kommunikationsverhalten des ZKB Chefs beanstandet. Felix Müller weist in seinem Beitrag darauf hin, dass sich erst in einer Krise der wahre Charakter eines Chefs zeige. Der Autor findet wie wir: Wer an der Spitze eines Unternehmens steht, darf sich in einer Krisensituation nicht verstecken!

Vor der Bluttat in der ZKB hat der Täter einen Abschiedsbrief verfasst. Das Magazin "10 vor 10" von SF DRS präsentierte einen nachgestellten Brief, ohne ihn als solchen zu deklarieren.

Die Kamera streicht über handgeschriebene Zeilen, in denen einzelne Worte - etwa ZKB - erkennbar sind. Der Eindruck ist klar: Das Publikum soll meinen, die Redaktion verfüge über eine Kopie jenes Schreibens, welches der 56-jährige Banker verfasst hatte.

Doch dem war nicht so: Tatsächlich war der Brief von der Redaktion selbst verfasst worden, bestätigte SF-DRS-Chefredaktor Ueli Haldimann einen Bericht der "SonntagsZeitung". "Ein stümperhafter Fehler", kritisierte Haldimann. Eine solche Darstellung verstosse gegen die Richtlinien des Schweizer Fernsehens.


Das Vorkommnis wird sicherlich nicht nur intern im Fernsehen ein Nachspiel haben. Der Schnitzer könnte die Glaubwürdigkeit einer der bedeutenden Informationssendung ankratzen. Auf nachgestellte wichtige Briefe müsste ohnehin verzichtet werden. Wäre das Nachstellen zwingend notwendig, so weiss jeder Journalist, dass die nachgestellte Szene als solche zu bezeichnen wäre. Wir haben in unseren Beiträgen verschiedentlich beanstandet, dass Boulevardblätter mit Fotomontagen arbeiten und diese Irreführung höchstens klein gedruckt (kaum lesbar) unten vermerken. Wir sind überzeugt: Die neue Programmdirektorin wird gewiss aus dieser Panne Konsequenzen ziehen, denn sie weiss, dass das Schweizer Fernsehen nicht zum Boulevardmedium verkommen darf.

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Nachlese vom 19. Juli: Folgen des Wartens?

Ob das Zögern des CEOs der ZKB mitschuldig ist, dass es nach der Bluttat bei der ZKB zu so vielen Spekulationen kam und der Sonntagsblick eine Aussage berichtigen musste, ist wohl kaum nachweisbar. Doch eines steht fest:

Vögeli als Chef hätte in der Anfangsphase Vieles klarstellen können.


Es war Urs Ackermann, sein Informationschef, der nach der Erklärung der Zürcher Stadtpolizei ("Als Tatmotiv vermuten wir einen Arbeitsplatzkonflikt!"), sofort verlauten liess:

"Der Täter stand im ungekündigtem Arbeitverhältnis und Anzeichen für einen Arbeitkonflikt hat es keine gegeben!"

Kontraverser könnten Medienmitteilungen nicht sein. Dazu kam noch, dass Ackermann nach wenigen Stunden gegenüber Journalisten trotzdem die Vermutung "von einer kriselnden Arbeitsplatzsituation, die eskalierte" äusserte.




Für dieses Hin und Her eines Informationsverantwortlichen ist auch sein Chef verantwortlich, denn Information ist Chefsache. Neben dem Titel der "New York Times" steht: "All the news that's fit to print" (alle Nachrichten, die zur Veröffentlichung geeignet sind) Dieser Satz sagt nichts aus darüber, ob die Nachricht der Wahrheit entspricht. Es gibt aber einen journalistischen Grundsatz, der vielfach vergessen wird:




"Alles, über das geschrieben wird, sollte der Wahrheit entsprechen. Doch nicht alles, was wahr ist, eignet sich dafür, gedruckt zu werden."


Wenn keine klaren Informationen über ein unfassbares Verbrechen vorliegen, blühen Spekulationen und Geschwätzigkeit. Dies zeigte sich auch bei dem fingierten Überfall auf eine Frau in einer U-Bahn in Frankreich.

Wird nicht eindeutig informiert, werden Vermutungen als Fakten kolportiert. Dann schlägt in den Medien die Stunde der Experten und Psychologen. Politiker und Kommentatoren ergreifen das Wort.



In der Weltwoche Nr. 28 2004 wurde diese Thematik der spekulativen Gedanken in den Medien anschaulich kommentiert: "Im Fall des Blutbades bei der ZKB erhob der Geschäftsleiter des KV Zürich sofort den linken Mahnfinger gegen die Profitmaximierer. Ein Chefarzt einer psychiatrischen Klinik wies auf die welterschütternde Tatsache, dass es an Vorgesetzten fehle, mit denen sich reden lässt usw."




Nachtrag vom 28. Juli: Späte Information führte zu Hypothesen.

Die zu späte Information des obersten Chefs und die konträren Informationen des Pressesprechers führten zwangsläufig zu Hypothesen und Interpretationen. Dazu gehört auch die These, der Mörder habe nach einer Liste noch zwei weitere Mitarbeiter töten wollen. Wie Urs Oberholzer vom Bankrat der ZKB im Zischtigsclub am 27. Juli bestätigte, war diese Geschichte "mit der Liste" nur eine Vermutung. Die Angelegenheit werde immer noch geklärt.

Zum Vorwurf, der CEO hätte früher reden sollten, war von Oberholzer zu erfahren, dass nach der Bluttat gemeinsam beschlossen worden sei, dass der CEO nach dem Vorfall sich nur mit der Kommunikation nach innen beschäftige und der Generaldirektor Charles Stettler, der Personalchef und der Pressesprecher für die Information nach aussen d.h. für Öffentlichkeit und Medien bestimmt wurden.

Damit ist offensichtlich, dass die ZKB in der wichtigen Anfangsphase der Krise unprofessionell entschieden hatte.

Medieninformationen gehören nach einem solchen Vorkommnis zu den ersten Prioritäten des obersten Chefs. Der Pressesprecher hätte den CEO dabei lediglich zu unterstützen.


Wir dürfen damit annehmen, dass die Spitze der ZKB das Kommunikationsmanagement zu wenig vorbereitet d.h. die Krisensituationen nicht antizipiert, nicht geübt und nicht trainiert hatte.


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