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Wochenlang stand die junge Bundesrätin Ruth Metzler im Kreuzfeuer der
Kritik. Von unterschiedlichsten Seiten wurde sie angeschossen:
- Sie sei die falsche Frau am falschen Platz.
- Sie verachte das Parlament, wenn sie bei einem wichtigen
Geschäft nicht anwesend sei und 3 einhalb Stunden zu spät zur BVG
Sonderdebatte komme.
- Der Bundesrätin mangle es an Führungserfahrung. Wenn sie von unterstellten
Direktoren über wichtige Geschäfte nicht orientiert würde, stimme etwas
nicht. Es wurde von Kompetenz- und Führungsproblemen geschrieben.
- Beim Renten-Mindestzinssatz habe Ruth Metzler die Schuld dem eigenen
Bundesamt für Privatversicherungen in die Schule geschoben. Sie begründete
es wie folgt: Man hätte sie nicht informiert.
- Als zuständige Ministerin solle sie zudem einen wichtigen
Bundesgerichtsentscheid nicht gekannt haben.
- Es wurde behauptet, die Bundesrätin flüchte sich in faule Ausreden:
Sie habe z.B. von der Polizeiaktion gegen Kinderpornografie nichts gewusst.
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Wie beim Fall Borer
sah es für eine Weile so aus, als ob
bei Metzler ein analoges Phänomen hinsichtlich Skandalierung durch Medien
auftrete:
Nach den zahlreichen negativen Schlagzeilen, stellten sich plötzlich
Fachleute die Frage, ob es nicht um eine gezielte Medienkampagne ginge. Die
Aktion wäre denkbar im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Frau
Dreifuss, eine bewusste Inszenierung, um Weichen gegen eine
Frauenwahl zu stellen. Es wurde auch vermutet, dass es vor allem um den CVP Sitz gehe,
den die SVP seit langem beansprucht. Für uns ist vor allem ein
Phänomen erstaunlich:
Wird in den Medien ein Thema gesetzt, folgt ein Dominoeffekt, der eine
Eigendynamik entwickelt.
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Wie reagierte die Bundesrätin in dieser krisenähnlichen Situation?
Vorerst verzichtete Metzler auf eine Replik oder Rechtfertigungen und wartete
ab, was weiter geschieht. Falls die Kampagne
als Kampagne erkannt wird und als solche öffentlich benannt wird, könnte
die Rechnung für die Magistratin aufgehen. Schweigen kann aber auch riskant sein.
Problematischer wird es vor allem, wenn Schwachstellen gefunden werden
und die "Kampagne" eskaliert. In diesem Fall ist das Minenfeld recht gross:
- Asylinitiative der SVP. (Ein Ja wäre verhängnisvoll).
- Schengen - Forcierung der Kooperation im Polizei- und Asylwesen. (Die
Verhandlungsposition würde geschwächt und der Druck auf das Bankengeheimnis
erhöht).
- Bundespolizei (Die Ausbaupläne stossen auf grosse Widerstände).
- Terrorismus-Bekämpfung (Strafrechtsexperte Mark Pieth bezeichnete die
Vorschläge Metzlers als politischer Weberaktivismus).
- Privat-Versicherungen. (Nach Martin Janssen ist die Aufsicht ungenügend).
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Als Hauptvorwurf blieb im Raum stehen, warum die Bundesrätin verharrte, anstatt
den Disput mit den Parlamentariern zu suchen. Nach dem Tauchgang
der Justizministerin (ein Weltwoche Artikel kommentierte die Sache mit einem Photo von
Metzler im Tauchanzug), wäre nach unserem Dafürhalten eine rasche
Krisenbewältigung angesagt gewesen.
Am 15. Oktober gab Bundesrätin Metzler erstmals nach der Welle der
Kritik eine persönliche Erklärung ab.
Aus unsere Sicht war es sinnvoll, nachträglich doch noch zu reagieren.
Ruth Metzler gab offizielle zu, einen Fehler gemacht zu haben. Im Nachhinein
habe sich gezeigt, dass es ein Fehler war, an der wichtigen Sitzung nicht
dabei gewesen zu sein. Sie sei kritikfähig und habe etwas gelernt.
Die Sache zeigt:
Wer die Schuld auf sich nimmt, einsichtig ist und Selbskritikfähigkeit
signalisiert, nimmt den Druck weg.
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Metzlers souveräne Verhalten war ein Erfolg. Sie hatte den Kritikern den
Wind aus den Segeln genommen, ohne aber auf alle Kritikpunkte eingehen zu
müssen. Es wird spannend sein, weiterzuverfolgen, ob dies genügt.
Auch im Ziischtigsclub vom 15. Oktober vom Schweizer Fernsehen wurde die Thematik
"Metzler" eingehend diskutiert:
Die Mehrzahl der Diskutanten waren sich einig, dass Ruth Metzler politisch
ungeschickt reagiert hatte. "Sie habe zu wenig politisches Gespür gezeigt."
Kurt Imhof skizzierte den Aufstieg der junge Hoffnungsträgerin, die von
allen Medien jahrelang als jugendliche Wirtschaftsfrau hochgejubelt wurde,
die "neuen Wind" in die Politik bringe:
- Die Medien bewirtschafteten jahrelang das Erwartungspotential, das
nicht Bestand haben konnte. De genannten Kriterien hätten nichts mit
politschen Massstäben oder mit der Frauenfrage zu tun.
(Zwei Gesprächsteilnehmerinnen sahen den Grund der Angriffe vor allem
beim Letzteren).
- Die Bundesrätin sei nie mit politischen Inhalten verkauft worden,
sondern mit Merkmalen und Symbolen des privaten Lebens. Äusserlichkeiten
( vgl. Aktuell artikel dazu).
Jugendlichkeit und frischer Wind seien keine verdienbare Merkmale.
- Der Abstieg in der Mediengunst habe deshalb schon vor Jahren in der Luft
gelegen. Die ganze Angelegenheit habe vor allem mit einem Wandel des Zeitgeistes zu
tun.
- Das Kriterium Jugendlichkeit wurde früher positiv gewertet. Jung =
unverbraucht . Heute heisst es: Die Frau war unerfahren, zu jung.
- Das Kriterium "Wirtschaftsnah" war zur Zeit der Wahl sehr positiv belegt.
Nachdem jedoch so viele Manager Firmen in den Ruin gemanagt haben
(z.B. Swissair), ist auch hier ein Wandel eingetreten. Neoliberales Gedankengut
ist suspekt.
Nach Imhof hatte die junge Bundesrätin den Wandel dieses Zeitgeistes nicht
realisiert.
Die Mehrheit der Teilnehmer fand: Die Bundesrätin müsste
unbedingt Leute um sich scharen, die ihr bewusst machen,
welcher Zeitgeist im Parlament, in den Medien und bei der Bevölkerung
herrscht. Eine Bundesrätin dürfe nicht nur unkritische Mitarbeiter
um sich scharen.
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