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www.rhetorik.ch aktuell: (14. September, 2003)

Rhetorik Preis für Bundesrat Leuenberger



Als erster Schweizer erhält Bundesrat Moritz Leuenberger den Cicero-Preis für die beste politische Rede des Jahres im deutschsprachigen Raum. Ausgezeichnet wird seine Rede mit dem Titel:

"Das Böse, das Gute, die Politik"


die am 6. September 02 am Symposium des Lucerne-Festivals gehalten wurde. Die Rede finden Sie hier.
Die Übergabe der Cicero-Büste findet am 19 September in Bonn statt. Frühere Preisträger waren unter anderem Kurt Biedenkopf, Marcel Reich-Ranicki, Joachim Gauck. Der "Cicero" wird seit 1994 für herausragende öffentliche Reden in den Kategorien Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft verliehen. Leuenberger ist vom Tübinger Rhetorik Professor Gert Ueding vorgeschlagen worden.
Leubergers Auftritte waren ein Thema in frühreren Rhetorik Aktuell Beiträgen:
Moritz Leuenberger


Vor etlichen Jahren wollte er zwar von Rednerkursen gar nichts wissen. Er vertrat damals die Meinung, das "was" bei einer Rede sei viel wichtiger als das "wie". Doch erkannte der Bundesrat bald, dass der beste Inhalt nicht ankommt, wenn das "wie" nicht stimmt und dadurch das Verständnis erschwert wird. Es entzieht sich unserer Kenntnis, wie sich der Bundesrat hernach coachen liess. Jedenfalls verbesserte sich der rhythmische Akzent innert Monate gewaltig.
Moritz Leuenberger holte sich Punkte. Dank seiner geistigen Präsenz, seinem Humor und vor allem seiner eigenwillige Art, persönliche Gedanken sprechdenkend zu formulieren. Uns erstaunte die geschickte flexible Art bei Argumentationsprozessen immer wieder aufs Neue. Das wichtigste aber: Moritz Leuenberger blieb sich stets treu. Natürliche Kommunikation wird vom Publikum honoriert. Immer wieder haben wir darauf hingewiesen, dass bei der Rhetorik weder geschliffenes Formulieren noch Tricks zum Erfolg führen.
Entscheidend ist und bleibt die Glaubwürdigkeit und die geistige Präsenz. Die Leute schätzen es, wenn er in seiner persönlichen Art komplexe Sachverhalte klarstellte. Leuenberger wollte nie gewandte Rhetoriker imitieren. Wir vertraten die Meinung, dieser Bundesrat schreibe seine Reden weitgehend selbst. Die Formulierungen kamen jedenfalls von Herzen. Sei es an einer Trauerrede (Hallifax) oder bei einem Jubiläum.

Erkenntnis: Angewandte Rhetorik hat nichts mit geschliffenem "Schönreden" zu tun. Wer es versteht, seine persönlichen Gedanken zur richtigen Zeit und am richtigen Ort so auszusprechen, dass sie beim Zuhörer ankommen, der hat begriffen, was mit Angewandter Rhetorik gemeint ist.


Zum Cicero-Rednerpreis

Cicero gehörte weder den mächtigen römischen Familien an, noch verfügte er über große Geldmittel. Seinen Aufstieg in höchste Staatsämter verdankte er seiner glänzenden Ausbildung und vor allem seiner überragenden Redekunst. Der Duisburger Sprachwissenschaftler Prof. Bernd Spillner zählte in seinem Eröffnungsbeitrag Ciceros Tugenden auf, die auch heute noch jedem Redner Vorteile bringen: Als Beispiel für Ciceros Wortgewalt und rhetorische Überzeugungskraft führte Spillner die Verschwörung des Catilina an: Dessen Umsturzversuch vereitelte Cicero mit einer einzigen Rede.
Ins Leben gerufen wurde der Cicero-Rednerpreis 1994 durch den Informationsdienst "Der Reden-Berater". Ziel der Auszeichnung ist es, die wichtige Rolle der öffentlichen Rede in einer auf Dialogbereitschaft angewiesenen Demokratie stärker ins Bewusstsein zu rufen.


Zur Person Moritz Leuenberger

"Welch glückliches Land", so Gert Ueding in seiner Laudatio, "das heute noch Staatsmänner hervorbringt, die solche Reden führen!" Damit meinte der Tübinger Rhetorik-Professor die Schweiz, und ganz besonders den Bundesrat Moritz Leuenberger. Am 21 September 1946 wurde er in Biel geboren, studierte Jura in Zürich und arbeitete dort 20 Jahre lang als Rechtsanwalt. Mit 23 ging Leuenberger in die Politik, trat der Sozialdemokratischen Partei bei und war bis 1995 Mitglied im Gemeinderat der Stadt Zürich. Im selben Jahr wurde er in den Bundesrat gewählt. Seitdem bekleidet er auch ein Ministeramt: Leuenberger ist Vorsteher des eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.
"Wie soll ich mich nur bedanken ...?" fragte Moritz Leuenberger zu Beginn seiner Rede und erläuterte dazu: "Für andere Preise kennen wir die Regeln: Für einen Pokal ballt ein Sportler triumphierend die Faust, für einen Oskar gehört sich stammelndes Kreischen und ein Weinkrampf. Und für den Friedensnobelpreis kauft man sich einen Frack und verbeugt sich vor dem König. Und für Cicero? Er ist nicht Oskar, nicht Pokal und nicht Nobelpreis. Aber bei genauerem Zusehen erweist sich: Er vereint alle Eigenschaft seiner Konkurrenten, und er ist daher viel mehr." Zum Schluss spannte Leuenberger wieder den Bogen zum Beginn seiner Rede: "Verdient die Rede nun, weil sie einen Wettstreit der Meinungen und der Argumente ermöglicht, einen Pokal? Verdient sie, weil sie eine dramatische Inszenierung ist, einen Oskar? Oder verdient sie als kultureller Beitrag zur Verständigung der Menschen einen Nobelpreis?" Die Antwort gab Leuenberger selbst: "Keiner dieser Preise kann ihr genügen. Die politische Rede verdient viel mehr: einen Cicero. Danke, dass Sie ihr mit diesem Preis gedenken!"


In der Kürze liegt die Würze

Rhetorikprofessor Gerd Ueding formulierte anlässlich der Preisverleihung einen hilfreichen Gedanken zum Aspekt "Kürze" bei Reden. Die politsche Rede sei ein Gespräch, sagte er. Radio und Fernsehen trimmten jeden Politiker auf Kürze. Darin liege zwar die Würze. Von Würze allein lebe jedoch niemand. Es brauche zunächst die Grundnahrung. Und die Grundnahrung der Demokratie sei das Gespräch.

Wir doppeln nach: Dialogik ist für uns ein Schlüsselwort der Rhetorik. Kürze gehört zu den Verständlichkeitshelfern. Aber es bedarf auch der Stimulanz, der Redundanz. Die Kunst besteht darin, beides muss unter einen Hut zu bringen. Kürze und konkrete Details, Geschichten oder Beispiele.


Keine Ghostwriter
Im Radiointerview vom 17 September 2003 mit Bundesrat Leuenberger im Zusammenhang mit der Verleihung des Rhetorikpreises, war zu erfahren, dass sich Leuenbegerr seit je für Reden begeistern konnte. Auf die Frage, wie er sich vorbereite, sagte er:

  • lesen
  • denken
  • lange daran arbeiten (bei der ausgezeichneten Rede einen Sommer lang!)
  • Gespräche führen mit Bekannten und Freunden


Zur Frage, ob er Redeschreiber nutze, wissen wir jetzt, dass Moritz leuenberger die Reden selbst schreibt. Etwas finden wir wichtig:

Leuenberger zeigt die Rede vor der endgültigen Fassung Fremden, Bekannten und erhält dadurch wichtige Impulse. Es werden Fragen gestellt. Er erhält Anregungen. Man sage ihm auch kritisch, wo ein Gedanke nicht zu Ende gedacht sei usw.


Leuenberger betonte:
"Abgelesene Reden - von einem anderen geschrieben - kommen nicht an!"
Wir teilen diese Gedanken voll und ganz! Am Schluss des Radiointerviews fragte der Journalist: wo er die Cicerobüste hinstelle. Leuenberger:
"Die Büste stelle ich wahrscheinlich auf den Schreibtisch und schaue Cicero in seine bronzenen Augen und lasse mich inspirieren."


Dass Anwaltberuf und Rhetorik zusammengehören, erfuhren wir ebenfalls vom Preisträger: "Als Verteidiger wird mit Vernunft und Gefühlen gespielt. Ein Gedanke muss in einem zeitlich begrenzen Rahmen zum Ausdruck gebracht werden." Diese Aussage deckt sich mit unseren Erkenntnissen:

Beim Reden müssen Emotionen und Logik unter einen Hut gebracht werden. Ferner spielt beim Reden der zeitliche Aspekt ebenfalls eine Rolle.




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