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www.rhetorik.ch aktuell: (3. August, 2003)

Raffinierte Rhetorik allein genügt nicht



Dies ist eine ausführlichere Version einer Analyse, die in der Zeitschrift Persönlich,

Persoenlich Logo


dem online Portal der Schweizer Kommunikationswirtschaft im August 2003 erschienen ist. Eine Kopie dieser Seiten finden Sie hier.

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In der Rundschau vom 23. Juli erlebten die Fernsehzuschauer einen aussergewöhnlichen Schlagabtausch. Reto Brennwald hatte den bekannten Worthelden Klaus J. Stöhlker - das "enfant terrible" der Beraterbranche - auf dem heissen Stuhl. Dieser nutzt bekanntlich jeden öffentlichen Auftritt und er versteht es immer wieder, sich gut zu "verkaufen". Deshalb interessierte uns, wie sich der wortgewandter Provokateur bei einer harten Befragung auf dem heissen Stuhl verhält. Tatsächlich beherrschte der PR Profi bei seinem Auftritt die Klaviatur des geschliffenen Argumentierens. Erstaunlicherweise schnitt jedoch Stöhlker beim Publikum sehr schlecht ab.


Zu Reto Brennwald

Seit zweieinhalb Jahren präsentiert Reto Brennwald die "Rundschau". Als Nachfolger des populären Hannes Britschgi war es für ihn gewiss nicht einfach, seinen eigenen Stil zu finden.
Es gelang dem neuen Mann aber erstaunlich schnell, die Rundschau neu zu prägen. Brennwald übernahm das Konzept - ohne Hannes Britschgi zu kopieren. Er verstand es, bei den Befragungen auf der Sachebene ebenfalls kompromisslos nachzuhaken, wenn Gäste ausweichen wollten. Er verzichtete auf billige, leicht durchschaubare "Destabilisierungsspielchen".
Im Gegensatz zu Hansjürg Zumstein, der in einer Sendung als Ersatz einmal recht negativ auffiel, verfügt Brennwald über ein reichhaltigeres Repertoire, um der Person auf dem heissen Stuhl wichtige Informationen zu entlocken. Hinsichtlich Dialogik liegen zwischen Zumstein und Brennwald Welten. Reto Brennwald macht es heute gut. Die Gesprächspartner nimmt er ernst. Er hat sein eigenes Profil gefunden. Erst zwei Personen haben angeblich bei ihm das Studio verlassen.


In einer Beurteilung des "Sonntagsblicks" vom letzten Herbst schnitt Brennwald ebenfalls recht gut ab. Es hiess damals: "Er macht die besten Interviews". Beanstandet wurde vom Sonntagsblick: "Reto Brennwald sieht sich oft in der Rolle des Richters."
Wir finden Brennwalds Interviews auch recht gut und teilen die Meinung des Präsentators:

"Jeder Gast auf dem heissen Stuhl hat die Möglichkeit, sich zu wehren. Alle wissen, auf was sie sich einlassen."


Reto Bennwald brachte jeweils seine persönliche Meinung stark ein. Dadurch kam es einmal gleichsam zu einem persönlichen Duell. Möglicherweise vermittelte dieses Verhalten etwas von einem "Richter".
Brennwald vertritt - gemäss einer Fernsehzeitung - die Meinung, ein Moderator dürfe eine persönliche Meinung haben und sie auch zeigen. Wir teilen diese Auffassung nicht: Der Befrager darf sicherlich konträre Meinungen einbringen oder zitieren. Er darf auch provozieren und überraschen. Er kann sogar das Gegenüber irritieren, um zu überprüfen, ob die Aussage des Befragten mit den Tatsachen übereinstimmt. Doch sollte die Gegenmeinung nie als persönliche Meinung erkennbar sein.
Die Rundschau halten wir für ein Sendegefäss, das nicht als persönliches Duell konzipiert ist. Wir sehen deshalb den Schlagabtausch nicht als Plattform für eine persönliche Auseinandersetzung zwischen Journalist und Gast. Hartes Nachhaken und harte Befragungen bleiben die wichtigsten Bestandteile bei diesem Sendegefäss. Alle Explorationstechniken stehen dem Journalisten zur Verfügung. Wer zu persönlich duelliert, verliert die notwendige Distanz zur Thematik. Dies ist aus unserer Sicht der einzige Punkt, den Reto Brennwald zu bedenken haben dürfte.

Wortheld Klaus Stöhlker

Am Mittwoch, den 23. Juli erlebten die Fernsehzuschauer etwas, was sie gewiss nicht mehr so schnell in dieser Form sehen werden. Reto Brennwald hatte den Worthelden Klaus Stöhlker - das "enfant terrible" der Beraterbranche - auf dem heissen Stuhl. Der wortgewandte PR Spezialist ist immer wieder in den Medien zu sehen und der Öffentlichkeit als Provokateur bestens bekannt. Er schätzt jeden öffentlichen Auftritt. Er macht mit Vorliebe PR in eigener Sache. Ob in Unterhaltungsshows oder in Newssendungen, er redet zu allen Themen und er geht mit seinen Urteilen sehr weit (zu weit?), wird gerne polemisch, und überschreitet mitunter die Grenze zu Ehrverletzungen. Zum Beispiel:

"Bundesrat Leuenberger ist völlig kraftlos. Also, er ist wie ein Boxer, den man wahrscheinlich in seiner vorletzten Runde sieht. Man muss ihn rausnehmen, bevor er echt zusammenbricht. Der Mann ist psychisch unter Druck."

Stöhlker hat - gemäss Rundschaubeitrag - verschiedentlich dubiose Firmen beraten, die heute im Visier der Justiz stehen.
  • Fullpoint Finanz AG
  • RQM Raumquantenmotor, Institut für Raumquantenforschung
  • Distefora
In Unterhaltungssendungen riss Stöhlker das Wort stets an sich und sparte nie mit harten Urteilen. Deshalb waren wir gespannt, wie sich der routinierte Wortheld bei der harten Befragung auf dem heissen Stuhl verhält. Wie argumentiert Stöhlker, der selbst Leute trainiert, welche in den Medien bestehen möchten?
Medienwirksamkeit gehört bei Stöhlker zum Kalkül. Er sagte im Gespräch in einer Filmsequenz vor der Befragung auf dem heissen Stuhl wortwörtlich:

"Wer im Fernsehen ist - sag ich meinen Kunden immer - ist in heutzutage. Man kann noch so kluge Artikel schreiben, die werden von wenigen gelesen. Aber Fernsehen ist das dominierende Medium. Wer im Fernsehen ist, hat einen höheren Marktwert."


Es wurde in dieser Filmsequenz zudem erwähnt, dass der mediengewandte Berater in seinen Büchern fragwürdige Anregungen gegeben hatte, die gegen die Menschenwürde verstossen. Deshalb sei er aus dem Verband der schweizerischen PR Gesellschaft ausgeschlossen worden. Dies erklärte Mireille E. Saucy von der Public Relations Gesellschaft. Stöhlker soll früher Tips gegeben haben, die mit den Standesregeln der Schweizerischen PR Berater unvereinbar sind. So schrieb beispielsweise in einem seinen Bücher, dem "Wahlkampf von A bis Z in den 80 er Jahren":

"Darum vielleicht auch der Rat, Behinderte und Alte vor den Karren des Wahlkampfes zu spannen."


Vor zwei Jahren empfahl er in einem Serviceclub, in dem es um "die 48 Gesetze der Macht" ging, Tips die alles andere als dialogisch sind:

:
  • Lernen Sie Menschen von sich abhängig zu machen.
  • Geben Sie sich wie ein Freund - agieren Sie wie ein Spion.
  • Mimen Sie den Trottel, um die Aufmerksamkeit von Trotteln zu erringen.
  • Vernichten Sie ihren Feind.


Stöhlker wies im Interview darauf hin, das diese Zitate nicht von ihm, sondern von Reinhard Selten seien. Wir wiesen schon beim Borerskandal darauf hin, dass sich Botschafter Borer gemäss NZZ (17.3.89) ebenfalls von Klaus Stöhlker beraten liess. Stöhlkers Rat lautete damals:

"Liegt jedoch ein schwerer Angriff vor, ist diese Ursache entweder abzustreiten, auch dann wenn sie gegeben ist, oder kurz und sofort zu erwidern."


Nachdem sich Borer am Anfang seiner Krisensituation entsprechend diesem Rat verhalten hatte, fragten wir uns im damaligen Beitrag, ob er sich möglicherweise bei der ersten ungeschickten Antwort an den fragwürdigen Rat Stöhlkers erinnert haben mag?

Ein medienrhetorisch aussergewöhnlicher Schlagabtausch

Das folgende Transcript von www.rhetorik.ch basiert auf der Rundschau Sendung vom 23.07.2003, in der Reto Brennwald als Gast Klaus J. Stölker auf dem heissen Stuhl hatte.


Interview Analyse
Brennwald: Klaus Stöhlker, fangen wir mit dem letzten Fall an, mit dem Schwersten, Distefora. Dessen Chef sitzt immer noch in Untersuchungshaft. Wieso haben Sie bei dieser Luftblase mitgemacht? Stölker zwinkert bereits bei den ersten Fragen dem Journalisten lächelnd zu (mit einer Spur Überheblichkeit), und gibt damit zu verstehen: Ich kenne Dein Spiel.
Stöhlker: Was Falk wirklich gemacht hat, in Deutschland - es geht um Vorgänge in Deutschland, in die niemand in der Schweiz Einblick hatte - offensichtlich auch der Schweizer Verwaltungsrat nicht - war mir nicht bekannt. Falk ...
Brennwald: Sie waren ja sehr nahe drangewesen, bei der Firma.
Stöhlker ... Mir gings eigentlich wie einem Bankangestellten, dessen Bank irgendwo in Japan Probleme hat. Da weiss ich auch im Detail nicht, was da in Wirklichkeit abläuft. Aber das ist keine ... das ist keine ... das ist keine . Stöhlker brachte es fertig, diesen einleuchtenden Vergleich in den ersten Minuten unterzubringen. Lässt sich nicht leicht unterbrechen, obwohl Brennwald nachhakt.
Brennwald: Aber Sie sind ja strategisch involviert gewesen. Sie haben auch gewisse Funktionen sogar als Geschäftsführer gehabt.
Stöhlker Nein, nein. nein! Das ist jetzt wieder übertrieben! Ich war nie Geschäftsführer von irgendetwas. Ich war immer nur Berater! Aber kommen wir zur Kernsache. Falk ... Eindeutiges Stop-Signal: "Nein,nein,nein!". Das "wieder" signalisiert = wie sonst auch.
Brennwald: Bei der Distefora. Es gibt ja Rechnungen von Ihnen von der Distefora. Da steht zum Beispiel: Sonderprojekt neue Struktur, 9'500 Franken Honorar. Suche nach neuen Verwaltungsräten: 5'000 Franken Honorar. Also?
Stöhlker: Aber damit bin ich kein Geschäftsführer. Damit bin ich Berater. Also, um den Kern zu berühren: Die ganze Schweiz ist dem Falk nachgelaufen. Alle Banken, alle Spezialisten. Sogar sehr viele von unserer Staatsmedien. Am Anfang war nicht erkennbar, was aus diesem Sohn aus sehr guter Familie wirklich werden würde. Und ich kann nur noch einmal betonen: Falk war ein grosser Star hier auf der Szene. Was er in Hamburg gemacht hat - mit einem Teil seiner Firmengruppe - wo er jetzt angeklagt ist - ich weiss es nicht, um die Wahrheit zu sagen. Und hier kommt die Tragödie ... Bitte recherchiert besser: Berater sind keine Geschäftsführer.
Brennwald: Scheingeschäfte, Herr Stöhker, Scheingeschäfte. Durchrecherchiert von der Presse. Die Scheingeschäfte sind gewesen, so dass man auf die Börsekurse in die Höhe treiben konnte. Und wer hat die Medienmitteilungen börsenrelevant geschrieben für diese Geschäfte? Klaus J. Stöhlker. Da sind die Abrechnungen. Stöhlker übernimmt das Szepter und "belehrt" den Journalisten:
Stöhlker: Ich hab aber die Medienmitteilungen nur schreiben können auf Angaben, die mir der Finanzchef der Firma geliefert hat, die mir die Anwälte der Firma geliefert haben. Und ich hab das - das geb ich zu, da mach ich keinen Strich darunter - die hab ich in dem Sinne professionell gestaltet. Denn die Herren können sich ja meistens nicht korrekt ausdrücken.
Brennwald: Und 1.5 Milliarden ... äh, Entschuldigung. Ein Versprecher, der vorkommen kann.
Stöhlker: 1.5 Milliarden sind nun schon etwas übertrieben. Sie sind etwas erregt, heute Abend muss ich sagen! Sie sind etwas erregt. Lässt verbal und nonverbal durchblicken. Sie sind ungenau! Stöhlker geniesst den Lapsus und haut noch einen drauf.
Brennwald: 1.5 Millionen. Das tut nichts zu Sache. 1.5 Millionen Honorar. Vielleicht reden wir ein bisschen über die Kleinaktionäre, die alles verloren haben
Stöhlker: Nein, sehr viele hatten immer noch verdient, muss auch wieder sagen. Ich kenn die Firma doch einigermassen. Sehr viele haben viel verdient. Die sagen nichts darüber. Aber ich kenn die alten Herren.
Brennwald: Entschuldigung. Entschuldigung.
Stöhlker: Ich kenn die alten Herren.
Brennwald: Die Aktie ist auf 700 Franken auf dem Höchstand gewesen und heute ist sie noch ein paar Rappen wert. Die meisten Leute hatten einen Totalverlust von ihrem Investment - ausser der Herr Stöhlker. Er hat 1.5 Millionen verdient.
Stöhlker: Herr Brennwald, Herr Brennwald. Auch das ist ein Irrtum. Die Aktie war auf dem Höchststand auf 1100 Franken. Und es gab Leute, die sind erst bei 850 Franken eingestiegen und die alten Herren, die ich zum Teil persönlich kenne, die tun mir schrecklich leid. Aber es waren allgemeine Gierjahre, die hier in der Schweiz herrschten. Und Falk - ich will den nicht in Schutz nehmen - er war einer von Vielen. Wenn wir an Zürich Versicherung denken und andere. Will wieder betonen, dass ungenau recherchiert wurde.
Brennwald: Natürlich! Aber wer hat denn Herrn Falk so toll beschrieben? Wer hat denn all die PR gemacht für ihn, so dass die Kleinanleger auf die Firma geflogen sind? - Klaus J. Stöhlker.
Stöhlker: Viele ihrer Kollegen haben das viel talentierter als ich gemacht. Der wurde hochgejubelt von der Wirtschafts und Finanzpresse. Und eigentlich kam ich mir manchmal als PR Berater recht klein vor. Stöhlker nutzt als Gegenangriff die Behauptung, dass die Journalisten mitschuldig sind. Er wäscht seine Hände in Unschuld. Alle - auch die Journalisten und die Staatsmedien - sind damals reingefallen.
Mit dem Schluss signalisierte er Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Offenheit.
Brennwald: Also, es ist ja wieder das typische Beispiel. Alle sind involviert gewesen, aber genau das Muster, jetzt sagen sie, der nahe dabei gewesen ist: ich wusste von nichts.
Stöhlker: Herr Brennwald, Herr Brennwald. Ich war involviert. Und ich habe an Falk geglaubt wie Tausende im Land. Ganz nebenbei: auch ich habe Geld verloren bei der Distefora, weil kein Mensch wirklich wusste, wie sich das intern entwickeln hatte in dieser komplizierten Struktur, wo er viele Bankberater hatte, auch aus der Schweiz.
Brennwald: Gut.
Stöhlker: Auch ich müsste...
Brennwald: Gut, kommen wir zu den anderen zwei Firmen. Wir hatten ja noch mehr Beispiele gehabt.
Stöhlker: Legen Sie los!
Brennwald: Man kann ja mal einen Fehler machen, ist ja klar. Aber es gibt ja noch andere Beispiele.
Stöhlker: Wollen Sie damit sagen, Sie bleiben mit ihren Zahlen genauer? Der 1.5 Milliarden Lapsus, sowie der falsche Aktienhöchststand werden geschickt nochmals in Erinnerung gerufen.
Brennwald: Als bitte, dass sie sehr nahe dran gewesen sind, sieht man aus diesen Honoraren, die sie gestellt hatten. Mit der Suche nach Verwaltungsräten und so weiter.
Stöhlker: Ich bin ein billiger Berater, wenn Sie die Honorare von all den grossen Headhunters anschauen, die dem Herr Falk auch Rechnung gestellt haben. Werbespots in eigener Sache.
Brennwald: 12'000 Franken für einen Neukunden pro Tag? Ist nicht gerade sehr billig.
Stöhlker: Das ist, also würde ich sagen, sehr gut vergleichbar,
Brennwald: Gut, kommen wir noch schnell zu den anderen zwei Beispielen. RQM Raumquantenmotor. Ein Versprechen aus Licht Energie zu produzieren. Diese Firma hatten sie von Anfang an gepuscht. Auch das ein Luftschloss.
Stöhlker: Also. Ich stehe zu meinen Schwächen. Ganz eindeutig. RQM wurde von einem sehr talentierten Ex-Journalisten und damaligen Mitarbeiter reingebracht. Er hat mich bedrängt, das machen zu dürfen. Ich habe ihn zwei Monate laufenlassen. Wir alle kennen Ihren Kollegen. Im dritten Monat hab ich gesagt: Schluss jetzt damit! Also - wir haben genau drei Monate für die gearbeitet und als ich merkte, es ist also tatsächlich nicht sehr viel dahinter, hab ich Stopp gemacht. Das ist die Realität.
Brennwald: Hätten Sie das nicht früher merken sollen, weil der Herr Lehmann schon vorher schlecht geschäftet hat. Er hatte eine Firma gehabt, die Computerprogramme vermarktete, mit denen man die richtigen Lottozahlen hätte finden können. Das war auch ein Luftschloss. Die Firma ist Konkurs gegangen.
Stöhlker: Wissen Sie, mir gehts wie allen anderen Schweizer Unternehmern auch. Man glaubt ab und zu an Dinge, dass sie sich entwickeln - und dann entwickeln sie sich nicht. Und wenn wir nicht die Kraft hätten, ab und zu mal etwas zu riskieren und an irgenwen, auch an KMU's zu glauben, dann wären wir alle im Land verloren. Ich verhalte mich eigentlich so, wie der Herr Couchepin dies von uns verlangt. Ich bin kreativ, ich wage etwas, ich investiere auch mein eigenes Geld hie und da. Ich verliere es hie und da. Das ist eben das, was die Schweizer Wirtschaft braucht. Stöhlker nutzte den gängigen Vorwurf: Niemand riskiert heute Neues. Niemand unterstützt die KMU.
Brennwald: Gut. Das sind fragwürdige Firmen. Kommen wir zum Fall Nummer drei: Fullpoint Finanz AG. Eine Firma, die ebenfalls die Leute ruiniert hat, wie wir im Beitrag gesehen haben. Mit sehr fragwürdigen Geschäften. Optionshandel am Telefon. Beraten durch Klaus J. Stöhlker.
Stöhlker: Sie haben aus rund 500 Mandaten drei ausgesucht. Ich würde sie als meine Forschungs und Entwicklungsabteilung bezeichnen, die sie jetzt da herausgeholt haben. Eigenwerbung: Worte wie Forschung und Entwicklung signalisieren und verstärken noch die vorher gemachte Aussage: "Ich bin kreativ, ich wage etwas."
Brennwald: Das ändert jetzt nichts daran, dass Leute dort auch ihr Vermögen verloren haben.
Stöhlker: Ich muss ihnen auch sagen, wie es dazu kommt. So ist nun einmal das Leben wie es wirklich spielt. Ein sehr renommierter Ostschweizer Unternehmer fragte mich, ob ich dort in dem Falle helfen könnte. Bis ich dahinter kam, was tatsächlich ist. Mein ganzes Honorar ist an eine Stiftung gegangen. Es tut mir leid, dass ich es gemacht habe. Aber im ersten Moment hat man es nicht erkennen können. Die Kernbotschaft der ersten Sequenz wird wiederholt: "Niemand konnte damals erkennen, dass etwas faul war."
Brennwald: Also, wenn man sieht, dass Versprechungen, Renditversprechungen gemacht werden von 50%. Dass die Firma 28 Prozent Kommissionen einstreicht. Ist ja völlig unüblich. Völlig unseriös. Das sieht man doch relativ schnell.
Stöhlker: Das hab ich aus der Rundschau gelernt. Das spricht für ihre Sendung. Das habe ich von der Rundschau gelernt. Mit diesem billigen Spruch gelingt es Stölker beinahe, den Interviewer zu irritieren.
Brennwald: Das haben sie von der Rundschau gelernt. Ja? Mit dem haben Sie mich aber nicht, Herr Stöhlker, das sieht jedermann, der den Prospekt liest.
Stöhlker: Also, im Nachhinein, um die Wahrheit zu sagen, es war nicht erkennbar in den ersten Wochen und ich wollte dem Unternehmer, der da Interesse hatte an der Firma, den ich - den viele gut kennen, dem wollte ich da heraushelfen. Was dahinter war, wusste ich nicht. Mein Honorar hab ich gespendet. Wer Aussagen als wahr deklarieren muss, signalisiert im Grunde genommen, dass das, was er sonst sagt, nicht unbedingt wahr ist. Wie bei der Alltagsbemerkung "Ehrlich gesagt..." darf man stets bezweifeln, ob sonst alles tatsächlich ehrlich gemeint war.
Brennwald: Gut. Reden wir über den Stil von Klaus J. Stöhlker. Wenn man es sieht im Beitrag zum Beispiel, wie sie über Bundesräte, über Regierungsmitglieder reden, in einer sehr despektierlichen Art, wo Leute sagen: das ist eigentlich verletzend.
Stöhlker: Dies hat mit meinem Beruf nur indirekt zu tun. Als ich hier 1971 ins Land importiert wurde - als Gastarbeiter, relativ schlecht bezahlt - mich langsam hochkämpfen musste über 11 Jahre, hat man mich dann - vor 15 Jahren wurde ich dann echt Schweizer. 100%. Habe enorm viele Steuern bezahlt. Beschäftige Mitarbeiter. Bin eigentlich ein recht erfolgreiches KMU. Dazu kommt, dass ich ein Wirtschaftskopf bin und politisch immer schon angagiert war. Ich betätige mich als Schweizer, der sich äussert, über die Leute, denen er sein Geld abliefert. Dieses narrative Element gipfelt in der Eigenwerbung, dass er ein erfolgreiches kleines und mitteleres Unternehmen hat. Mit der Einbürgerungsgeschichte konnte Stöhlker nicht nur Zeit gewonnen. Den Fernsehkonsumenten wurde auch vermittelt: Derjenige, der den Bundesrat kritisiert hatte, ist übrigens ein Schweizer.
Brennwald: Das ist jetzt eine grosse, eine grosse Ausholung gewesen. Ich würde eigentlich gerne über den Punkt reden. Wie kommen Sie dazu, einen Bundesrat so abqualifizieren?
Stöhlker: Also, ich muss dazu sagen, ich halte Moritz Leuenberger für keinen Erfolg. Ich halte ihn auch heute für gar keinen Erfolg. Er hat auf der Strasse, auf der Schiene und in der Luft versagt. Und warum soll ich einen solchen Mann loben? Stöhlker braucht die Technik der Gegenfrage.
Brennwald: Aber bei ihm kann man doch nicht sagen, er sei psychisch krank?
Stöhlker: Doch. Damals weiss ich noch genau. Er hat eine Medien ...
Brennwald: Das ist ja ehrverletzend.
Stöhlker: Er hatte eine Medienkonferenz in Bern und ich hörte anschliessend von seinen Leuten, die hätten sehr bedauert, ihn nicht besser vorbereitet zu haben. Er war damals tatsächlich an dem Tag in sehr schlechter Verfassung. Und das habe ich gesagt. Darf man das nicht mehr im Land? Stöhlker schwächt insofern ab, als er die Bemerkung lediglich auf den derzeitigen Gemütszustand Leuenbergers beschränkte. Am Schluss nochmals die Technik der Gegenfrage. Sie impliziert: "Als Schweizer darf ich doch noch meine Meinung sagen, oder erlauben Sie dies mir nicht?"
Brennwald: Behinderte und alte Leute in den Wahlkampf einspannen zu seinen Zwecken. Au!
Stöhlker: Also ob ich das so formuliert habe, möchte ich nochmals nachlesen. Das Buch ist 25 Jahre alt! Also ich bin ja hochgeehrt, dass das heute noch zitiert werde. Das schaffen doch nur Max Frisch oder Dürrenmatt. Damit ging Stöhlker nicht auf den fragwürdigen Inhalt ein. Er lenkte ab. Ein Nachhaken war nicht mehr möglich.
Brennwald: Gut. Sie distanzieren sich von den früheren Methoden.
Stöhlker: Nein, was ich wieder höre. Ich bin sicher keiner, der Tricks anwendet.
Brennwald: Wenn Sie sagen - Moment, da muss ich gerade nachschauen - ich weiss nicht alles auswendig, was sie dort geschrieben haben: "Geben Sie sich wie ein Freund. Agieren Sie wie ein Spion."
Stöhlker: Aber entschuldigen Sie. Wissen Sie wer das geschrieben hat? Das war ein Nobelpreisträger, Professor Selten, der das geschrieben hat, ich hab ihn nämlich zitiert. Ich weiss. Stöhlker zieht sich aus der Schlinge. Brennwald konnte während der Sendung nicht klären, ob tatsächlich alle Aussagen lediglich Zitate sind und Stöhlker diese Zitate selbst ablehnt und ob diese Sätze alles Zitate des Nobelpreisträgers sind.
Brennwald: Ah, das ist gar nicht von Ihnen. Eine derartige Empfehlung - als Zitat oder empfehlenswerter Gedanke - ist nicht relevant. Stölker findet oder fand sie jedenfalls gut, auch wenn er sie zitiert. Stöhlker bringt es hier fertig, sich als überlegener Strahlemann zu "verkaufen",
Stöhlker: Das ist von Professor Selten, einem Nobelpreisträger. Und wenn man mich zitiert, soll man mich bitte korrekt zitieren. Lässt durchblicken. Ihr Journalisten solltet Euch besser vorbereiten.
Brennwald: Und Menschen von sich abhängig machen.
Stöhlker: Das ist Selten. Das sind die 48 Regeln, die man bei Professor Selten auf dem Internet nachlesen kann.
Reinhard Selten ist 1930 in Breslau geboren und ist Professor an der Uni Bonn. 1994 bekam er den Wirtschafts Nobelpreis zusammen mit John Nash und John Harsanyi, vor allem für seine Pionierarbeit über Gleichgewichte der nichtkooperativen Spiele.
Brennwald: Hmm, trotzdem, deswegen bleibt doch der Stil, den sie haben und wenn die Leute Sie hören, wenn die Leute Sie sehen im Fernsehen, dann haben sie einfach das Gefühl - entschuldigen Sie, das sind nicht meine Eindrücke - Er ist ein Angeber. Er ist Besserwisser.
Stöhlker: Nein. Unser Land, unser Land ist leidend. Es gibt so viele ältere Leute. Das ganze Klima ist ein Schonklima für ältere Leute. Man darf nur noch 30 Stundenkilometer fahren. Das heisst, die ganze Lebendigkeit, die über Jahrhunderte im Land war, geht allmählich verloren. Und ich bin noch ein relativ lebendiger Mensch, das geb ich zu. Und diese Lebendigkeit, da sind natürlich manche ältere Herrschaften, die im Schonklima leben, nicht gewohnt. Und dann wollen sie mich ausgrenzen. dazu kommt... Stöhlker ist gelassen und lächelt.
Brennwald: Was hat den das mit, Freude die man spürt, damit zu tun, andere Leute zu verletzen und in den Topf zu hauen?
Stöhlker: Das sind doch nur schwache Leute. Sehen Sie, Sie verletzen mich jetzt auch. Aber ich nehms ab.
Brennwald: Mein Gott, mir kommen die Tränen!
Stöhlker: Das ist Ihre Rolle, mich zu verletzen. Aber ich bin nicht verletzt. Verstehen Sie mich richtig. Das ist ein Spiel, das Sie mit mir spielen. Und ich spiel es jetzt mit Ihnen auch. Das ist Fernsehen! Dieses Spiel auf der Metaebene ist selbst für den erfahrenen Top - Journalisten nicht einfach zu entlarven.
Brennwald: Gut, sie haben ja gesagt, Sommertheater. Ich glaube, wir haben ein paar eindrückliche Beispiele gezeigt von den Firmen, die Sie beraten haben. Vielen Dank, dass Sie zu uns in die Rundschau gekommen sind.
Stöhlker: Danke Ihnen.

Fazit:

Wer dieses Wortgefecht als rhetorisches Duell wertet muss feststellen, dass Stöhlker rhetorisch stark gepunktet hat.

  • Er nahm sich geschickt aus dem Schussfeld.
  • Er gewichtete und lenkte die Argumente.
  • Er setzte die Kernaussagen und wiederholte sie.


Es machte vielleicht den Anschein, Stöhlker habe als "Sieger" das Duell verlassen. Die Wirkung beim Publikum gab jedoch nachträglich ein völlig anderes Bild. Von der rhetorischen Brillanz blieb nicht mehr viel übrig. Wir haben das Gespräch auf Video aufgenommen und verschiedenen Gruppen ohne Vorbemerkung gezeigt. Das Urteil war aufschlussreich und erstaunlich:


Stöhlker kam beim Publikum schlecht weg: Die Zuschauer (alles Laien) ärgerte die überhebliche, süffisante, besserwisserische Art des PR Beraters. Sein unechtes Spiel wurde von allen erkannt. Erstaunlich, wie Laien sofort durchschauten, dass Worte - Stimme- Mimik- Lachen nicht übereinstimmen, dass der Auftritt ein falsches Spiel war.


Somit kam Stöhlker schlecht weg, ihm fehlte das Wichtigste bei allen Kommunikationsprozessen: Die Glaubwürdigkeit. Im Gegensatz zu Klaus Stöhlker kam der Journalist Reto Brennwald bei unserem Publikum besser weg. Einige fanden höchstens: Er hätte nur noch härter nachfragen sollen. Dieses Urteil machte uns einmal mehr deutlich:

Nicht diejenige Person überzeugt, die geschliffen und konstruiert und gemäss rhetorischem Rezeptbuch argumentiert, sondern jene, die echt, natürlich und synchron spricht. Körpersprache und Aussage müssen übereinstimmen.


Den Rat den wir Spitzensportlern mitgeben, die an der Olympiade viele Interviews geben müssen, sollte Stöhlker unbedingt auch zur Kenntnis nehmen:

Sei Du selbst.


Ob jedoch ein Mensch, der gewohnt ist, sich stets ins Zentrum zu stellen, fähig ist, diese Grundregel der Dialogik zu beachten? Sicherlich gehören Stöhlkers Zitate wie zum Beispiel "Geben Sie sich wie ein Freund, agieren Sie wie ein Spion." in den Rhetorik-Abfallkorb.



Wer bei Kommunkationprozessen falsch spielt, verliert längerfristig.




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