Energieminister Moritz Leuenberger demonstriert bei den Atominiativen, wie
geredet werden kann, auch wenn die eigene Meinung mit der der
Kollegialbehörde nicht übereinstimmt. 1978 war Leuenberger
wie viele andere Studenten ein beherzter Gegner von Atomkraftwerken.
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Heute im Jahre 2003 muss Leuenberger die Meinung des Bundesrates vertreten,
obschon er vor den Delegierten der SP sein JA zum Moratorium signalisiert hatte.
Eine Illustration des Sonntagsblicks veranschaulicht das.
Wie bei Joschka Fischer können den Lesern mit alten Bildern oder
Bildmontagen unausgesprochene Botschaften vermittelt werden.
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Wir zitieren und analysieren nachfolgend einige der verschlüsselten
Aussagen vom 1. März in Landquart vor 150 Delegierten.
Leuenberger hatte es nicht einfach: Wie kann sich der Energieminister
für die "Initiative Neues Atom-Moratorium" aussprechen, ohne es
ausdrücklich zu sagen? Wie löst er das Problem, ehrlich zur
eigenen Meinung zu stehen und trotzdem der Kollegialbehörde nicht
in den Rücken zu fallen? Leuenberger bedient sich rhetorischer
Mittel und verschlüsselt die Aussagen.
Ein Beispiel:
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"Ich muss endlich einmal gegen eine Initiative sein,
damit sie angenommen wird."
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Damit machte Leuenberger eine Anspielung auf die zahlreichen
Energievorlagen, die trotz seiner Unterstützung abgelehnt wurden.
Implizit sagt der Energieminister eigentlich: Ich wäre froh, wenn das
Moratorium angenommen würde. Am 18. Mai kommen zwei Atom-Initiativen
zur Abstimmung.
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- Die Initiative "Strom ohne Atom" will unter anderem die Stillegung der
AKW's nach dreissig Betriebsjahren (Mühleberg in zwei Jahren, Gösgen in 5 und Leibstadt in 11 Jahren).
Der Bundesrat und der Energieminister lehnen diese Initiative ab. Die Exektive findet, dass der Ausstieg zu rasch rasch gehe.
- In der Initiative "Moratorium- Plus" geht es um die
Verlängerung des Baustopps für neue Atomkraftwerke um weitere 10 Jahre und eine Deklaration der Herkunft
von Strom. Die Initiative will die Betriebsdauer der KKW auf 40 Jahre befristen.
Auch diese Initiative lehnt der Gesamtbundesrat ab. Doch Bundesrat Leuenberger
persönlich unterstützt diesen Weg.
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Nun lässt der Energieminister durchblicken, dass einem "Ja" zum
Moratorium eine "ganzheitliche Energiepolitik" folgen müsse. "Moratorium"
heisse Pause, meint er, und mit dem Aufschub allein sei noch nichts
erreicht. Wer A sagt müsse auch B sagen. Wenn Leuenberger
meint: "Ich freue mich auf das B", so macht er damit deutlich, dass er
für das Memorandum ist.
Auf die Frage, ob diese Aussage nicht ein Verstoss gegen das Kollegialprinzip
sei, gab Leuenberger in Landquart einmal mehr eine Antwort auf seine Art.
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Er liess durchblicken:
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"Im Grunde vertrete ich mit meinem Ja zur
Moratoriums-Initiative die Haltung der Regierung."
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Diese Folgerung ist wiederum rhetorisch geschickt formuliert. Das Ja
bezieht Leuenberger auf die Phase B, denn trotz der Ablehnung der
"Moratorium-Plus" Initiative unterstützt der Gesamtbundesrat die
Förderstrategien, beispielsweise die Fördermassnahmen
für alternative Energien.
Erkenntnis:
- Nicht nur die Diplomatie nutzt die hohe rhetorische Kunst, etwas so zu
formulieren, dass mit indirekten, verschlüsselten Aussagen die eigentliche
Botschaft verstanden werden kann.
- Es muss unterschieden werden, zwischen vagen Äusserungen
einerseits oder verschlüsselten, eindeutigen Aussagen anderseits.
- Bundesrat Leuenberger ist nicht der Einzige, der im Job eine Position
vertreten muss, hinter der er persönlich nicht steht.
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