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"Seit über 60 Jahren ist die Schweizer Kulturstiftung "Pro Helvetia" für die kulturelle Darstellung der Schweiz im Ausland, für den kulturellen Dialog zwischen den verschiedenen Landesteilen sowie für die Förderung der Künste im überregionalen Zusammenhang zuständig" schreibt die Kulturstiftung. Sie wird deswegen vom Bund finanziell unterstützt. Es wurde gefragt, ob der Bund derartige fragwürdige Aktionen auch noch mit Bundesgeldern unterstützen soll. Es ist nicht das erste Mal, dass es zu Auseinandersetzungen über die Art und Weise gibt, wie Pro Helvetia die Schweiz im Ausland darstellt. Nicht wenige fordern gar die Auflösung der Stiftung. Zum jüngsten Eclat, der Hirschhorn-Performance, meinte SVP-Präsident Ueli Maurer gegenüber Radio DRS:
Auch die Präsidentin der ständerätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, Christiane Langenberger, meinte an selber Stelle:
Die Darstellung mit Blocher sei für sie geschmacklos. Der Künstler Hirschorn selber war ein bekennender Gegner der Wahl von Christoph Blocher zum Bundesrat. So lange der Bundesrat sei, werde er in der Schweiz nicht mehr ausstellen, liess er verlauten.
Die "Schweizer Kulturstiftung" selber nahm zum umstrittenen Projekt Stellung. Sie distanzierte sich von allfälligen persönlichen Angriffen auf Bundesrat Blocher, steht aber zum Projekt. Sabina Schwarzenbach, Leiter Kommunikation von Pro Helvetia, sagte gegenüber swissinfo, dass auch für Pro Helvetia die Kunst Menschenrechte und Menschenwürde nicht verletzen dürfe. Das sei in Paris nicht geschehen. Schwarzenbach:
Auch Thomas Hirschhorn habe ein Konzept vorgelegt. Niemand habe aber verlangt, dass er das ganze Projekt in jedem Detail vorlegen müsse.
Auch müsse sich die Ansicht eines Künstlers oder einer Künstlerin nicht mit den Ansichten von Pro Helvetia decken. Das sei eben eine Konsequenz der Demokratie. Der Direktor von Pro Helvetia Pius Knüsel sagte:
Auch Bundesrat Couchepin sieht keinen Grund zum Handeln. Wir gehen nicht davon aus, dass Couchepin - als Gegenspieler Blochers - Freude an der "Bepinkelung Blochers" hat. Es ist verständlich, dass er "seine" "Pro Helvetia" verteidigen muss. Die von Couchepins Departement alimentierte "Pro Helvetia" hat die für die Ausstellung 180'000 Franken versprochen. Auch für Couchepin ist die Freiheit der Kunst in der Schweizer Verfassung verankert. Bei der Expo kam es zu einer ähnlichen Diskussionen wie im jüngsten Fall. Auch jetzt zeigt die Sache, dass Kultur polarisieren kann. Gewiss besteht nun die Gefahr, dass jene Gruppen Aufwind erhalten, die das Budget für die Kultur beschneiden möchten. Das wäre schade. Die Organisatoren sagen heute Abend bereits: Der Künstler hat das Ziel erreicht. Sie berichten stolz: Es gab einen Skandal. Alle reden davon. Es gibt nun hohe Besucherzahlen, Analog zu den Einschaltquoten wird dies zum Qualitätsmerkmal. Ein Verbot der Ausstellung oder gar eine Bestrafung des Künstlers ist unwahrscheinlich, (wäre wahrscheinlich auch kontraproduktiv und weitere Werbung). Es wird interessant zu sehen, ob die Hand, die den Künstler gefüttert hat, noch ein weiteres mal ausgestreckt wird.
Links zum Thema: |
Nachtrag vom 7. Dezember 2004: Die Provokation scheint Folgen zu haben:
der Ständerat bestraft die Pro Helvetia. Die Kleine Kammer goutierte die Ausstellung des Schweizer Künstlers Thomas Hirschhorn in Paris nicht und griff zum Rotstift. Der Ständerat hat heute eine Strafaktion gestartet. Und der Pro Helvetia für das Budget 2005 glatt eine Million gestrichen. Der Zuger CVP-Abgeordnete Peter Bieri sprach im Namen der bürgerlichen Mehrheit: Mit der Kürzung auf 33 Millionen Franken soll ein klares Zeichen gegen dieses mit Steuergeldern unterstützte "primitive und menschenverachtende" Machwerk gesetzt werden. Eine Minderheit hingegen warnte vor einer emotionalen Strafaktion im Rahmen einer Budgetdebatte. Die Ausstellung von Hirschhorn sei zwar geschmacklos, "unsere Demokratie ist jedoch gefestigt genug, dass wir auch einen Hirschhorn verkraften können", meinte etwa der Solothurner SP Ständerat Ernst Leuenberger. Pro Helvetia äusserte sich nicht zu dem Entscheid des Ständerates sagen. Ohnehin sei die Entscheidung noch nicht definitiv, auch der Nationalrat müsse das noch absegnen, sagte Direktor Pius Knüsel. |
Nachtrag vom 9. Dezember, 2004:
Hirschhorn könnte Pro Helvetia zum Verhängnis werden
Der Skandal könnte für Pro Helvetia weitere Folgen haben.
Die CVP setzt ihr Powerplay gegen Stiftungspräsidentin
Yvette Jaggi fort und fordert eine Untersuchung.
Unter den Fittichen der CVP war die Welt in Ordnung:
Vor der ehemaligen Lausanner Stadtpräsidentin und
SP-Ständerätin Yvette Jaggi war die Pro Helvetia lange in
CVP-Hand. Jaggi löste die ehemalige Ständerätin
Rosemarie Simmen als
Stiftungspräsidentin ab. Es ist verständlich, wenn nun die
CVP den Wirbel um die Hirschhorn-Ausstellung im Pariser Centre Culturel
Suisse als Beweis nutzt, um zu beweisen, dass die Simmen-Nachfolgerin
versagt hat. Ein alter Machtkampf soll nun zum Pyrrhussieg für
Jaggi werden: Vor anderthalb Jahren wies sie ihren Direktor Pius
Knüsel erfolgreich in die Schranken. Knüsel wollte Michel
Ritter, den Leiter des Pariser Centre Culturel, feuern. Ritter blieb,
dafür lief sein ganzes Team davon. Und jetzt hat er den Schlamassel
um Skandal-Künstler Thomas Hirschhorn zu verantworten, der die Pro
Helvetia eine Million Budgetkürzung kosten soll. Das Spiel gegen die Spitze von Pro Helvetia geht nun auf einer anderen Ebene weiter: CVP-Nationalrat Pierre Kohler wird in der Sitzung der Finanzkommission am nächsten Montag eine unabhängige Untersuchung der Aktivitäten der Kulturstiftung und der gesetzeskonformen Verwendung der Bundesgelder verlangen. Kohler selbst ist gegen die Disziplinierung durch eine Budgetkürzung. Klar ist für ihn aber:
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Nachtrag vom 14. Dezember: Kürzungsantrag Nachdem der Nationalrat die "Strafaktion" knapp abgelehnt hatte, blieb der Ständerat beim Kürzungsantrag. Wir wunderten uns über die Windfähnchen-Rhetorik einzelner Parlamentarier. Es geht uns nicht um das Für oder Wider der "Strafaktion". Doch störte uns die Aussage des Ständerates Fritz Schiesser. Es liess verlauten zuerst emotional gehandelt zu haben. Nun habe er überlegt und sei zum Schluss gekommen, dass man auf die Kürzung verzichten müsse. Die Meinungswechslerin Christiane Langenberger hatte immerhin eine bessere Begründung. Tatsächlich darf jede Person nachträglich die eigene Meinung ändern und "gescheiter" werden, sofern es neue Gründe gibt oder die eigenen Argumentation auf schwachen Beinen steht. Was uns stört, ist die Aussage Schiessers:
Wir sollten immer zuerst überlegen und dann handeln! (Dies gilt auch beim Reden!) Wenn Parlamentarier in Krisensituationen - bei fundamentalen Fragen - "kopflos" und unbedacht entscheiden und erst nachträglich überlegen, könnte dies gravierende Folgen haben.
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Die Kürzung um 180'000 Franken entspricht genau dem Betrag, mit dem die Kulturstiftung die Ausstellung im Cente Culturel Suisse unterstützt hat. Der Ständerat wollte den Kredit von 34 Millionen um ganze Million kürzen, weil zentrale Werte der Schweiz mit Füssen getreten würden. Dagegen legte der Nationalrat sein Veto ein. Auch über eine Reihe weiterer Divergenzen beim Budget 2005 musste die Einigungskonferenz beschliessen. Es ist anzunehmen, dass beide Räte ihrem Antrag zustimmen werden. Der Voranschlag schliesst nach sda mit einem Defizit von rund 1,8 Milliarden Franken ab und hält die Vorgaben der Schuldenbremse knapp ein. |
Nachtrag vom 16. Dezember: Die Million wird endgültig
gestrichen. Das Parlament hat entschieden, dass Pro Helvetia wegen der Hirschhorn-Ausstellung 1 Mio Franken weniger erhät. Pro Helvetia bedauerte verständlicherweise diesen Entscheid. Der Ständerat hat den Vorschlag der Einigungs-Konferenz abgelehnt, der Stiftung 180'000 Franken zu streichen. Soviel kostete die Hirschhorn-Ausstellung. Die Geschichte hatte zu Diskussionen und Debatten zum Thema:
Anlass gegeben. Der Streit um die Strafaktion gegen Pro Helvetia führte am Donnerstag noch dazu, dass sich die beiden Parlamentskammern beim Budget 2005 im Umfang von 52 Mrd. Franken nicht einig wurden. Nachlese: Nach unserem Dafürhalten ist bei jeder Auseinandersetzung immer Gelassenheit und ruhiges Überlegen gefragt. Bei der Thematik Kunst, Kritik und Kosten ( vgl. Marthaler) und der Frage nach allfälligen Grenzen von Provokationen, Beleidigungen und ausfälligen Bemerkungen dürfen gewiss alle Beteiligten Fragen stellen: die Geldgeber und Geldempfänger, Politiker und Künstler, die Medien und die Bevölkerung. Viele Parlamentarier handelten übereilt, unbedacht und manöverierten sich in einen plumpen Aktionismus. Fatal war auch, wie unbedacht die Kulturszene auf den Entscheid reagierte: Die Empörung liess jegliche Proportion vermissen. Pro Helvetia Präsidentin sprach von Zuständen wie in der ehemaligen DDR. Kulturschaffende beschworen gar Bilder von Scheiterhaufen und Nationalsozialismus herauf. Auch den Kulturschaffenden wäre etwas mehr Gelassenheit gut angestanden. Durch ihre unbedachte Reaktion wurden die Fronten nur noch zusätzlich verhärtet und der Ständerat war nicht mehr bereit, seine Position zu verändern. Wenn bei Provokationen reagiert wird, gewinnt in der Regel der Provokateur. In diesem Fall Hirschhorn. Nach diesem Eklat kann er sich bereits heute zusätzlicher Kultur- und Kunstpreise gewiss sein. |
Nachtrag vom 19. Dezember 2004: Leserbriefstimmen.
In verschiedenen Leserbriefen bestätigen Leserbriefe, dass die
Bevölkerung kein Verständnis hat für die subventionierten
Provokation.
In verschiedenen Briefen werden Fragen gestellt wie z.B: Was wäre geschehen, wenn Micheline Calmy-Rey virtuell angepinkelt worden wäre? Ist bei der Kunst tatsächlich alles möglich? Dürfen in der Satire und Kunst Tabus gebrochen werden, die sonst im Alltag geahndet werden müssen? |
Reflexion in der Weltwoche: Daniel Binswanger schreibt in der Weltwoche (50/04) unter dem Titel "Zwischen Ödnis und Grand-Guignol" ausführlich über den Hirschhorn Mediensturm:
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Nachtrag vom 21. Dezember: Kunst und Kritik ist ein internationales
Problem In Buones Aires liess eine Richterin auf Druck der Kirche die umstrittene Ausstellung des Plastikers Leon Ferrari schliessen. Die provozierenden Skulpturen wurden aufgrund "religiöser Diskriminierung und Anstiftung zum religiösen Hass" gesperrt. Erzbischof Bergoglio brandmarkte in einem Hirtenbrief die Skulpturen als Gotteslästerung. Ferraris "gekreuzigter Heiland in einem Toaster" und weitere antichristlichen Darstellungen hatten angeblich religiöse Gefühle geweckt. Wie bei der Kreditstreichung nach der Hirschhornprovokation löste auch der harte Gerichtsentscheid bei den Kuturschaffenden einen Sturm der Entrüstung aus. Von Beschneidung der Meinungsfreiheit war die Rede. Am Rande der Manifestation kam es zu heftigen Beschimpfungen und kleineren Handgemengen. Wir meinen, dass Kunst sich nicht nur über Skandale definieren soll. Künstlerische Narrenfreiheit sollte gewährt bleiben. Doch darf ein Künstler nicht erwarten, dass er immer ein Anrecht auf Bezahlung seiner Kunst hat. In 'Tele Züri' machte Matthias Ackeret - während der Diskussion in Sonn-Talk über die Hirschhorngeschichte - eine erwähnenswerte Bemerkung. Wir zitieren:
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Nachtrag vom 28. Januar, 2005: Wie prognostiziert, lohnte sich für Hirschhorn seine umstrittenen Provokationen. Aber nur deshalb, weil sich die Politiker haben provozieren lassen. Dank dem Skandal rund um Hirschorns Installation "über die Schweizer Demokratie" hatte der Künstler drei Mal mehr Zuschauer an seiner Ausstellung als üblich. Der Wirbel hat sich somit nicht nur für die Aussteller gelohnt. Sie verhalf auch dem Provokateur ohne grossen Aufwand zu internationaler Berühmtheit. |
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