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www.rhetorik.ch aktuell: (06. Nov, 2010)

Jung, wild, sexy auf 3+

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Das einst erfolgreiche TF Format "Big Brother" ist sowohl in Deutschland als auch in auch in England zu Ende. Was kommt als nächstes in der Reality Soap Sparte?

Der Schweizer Privatsender "3+" will in seiner Doku Soap "Jung, wild, sexy". das typische Ausgangsverhalten der Schweizer Jugend "hautnah" dokumentieren.

In der neuen Reality Show begleiten Kameras Jugendliche zu wilden Partys in Dorfdiscos und Grossstadtclubs.
Nun erheben Protagonisten der neuen Sendung Vorwürfe gegen das Konzept und geben zu, dass ihr Verhalten nur gespielt sei:
"Es ist alles gefaked" - Im Alltag würden sie sich nie so verhalten, wie vor der Kamera. Die Sendung werde gesteuert: "Uns wird gesagt, in welche Richtung es geht".
"3+" Chef Dominik Kaiser streitet das ab: 20 Min:

"Wir filmen, was im Ausgang passiert". Übertreiben gehöre zum "Jugendlich sein".
Szene im Cult Movie "American Pie I"
Einige Szenen wirken tatsächlich inszeninert.

Ob die Jugendlichen selbst oder die Regie etwa Ideen von "American Pie" eingebaut haben?
Szene aus "Jung, wild, sexy"
Die Jugendlichen wurden wohl nicht für das Medienexperiment vorbereitet. Wenn der Produktionsleiter perverse Sprüche mit Lob honoriert, beeinflusst dies das Verhalten der Akteure. Die Jugendlichen sind sich auch nicht bewusst, was für Folgen ihre derben Sprüche haben können. So sagte beispielsweise Güney vor der Kamera:
"Ich denke nicht viel über Frauen nach. Ich ficke sie und lasse sie wieder nach Hause gehen."
Dieser Spruch vor Mikrofon und Kamera hatte negative Folgen: Der Lehrmeister will Güney nach der Lehre im Betrieb nicht weiter beschäftigen.

Immer wieder sehen wir, dass sich die Jugendlichen über die Folgen des unbedachte Verhalten vor Medien nicht bewusst sind. Jugendliche müssten auch auch über die Folgen von "unsafem" Verhaltens vor Mikrofon und Kamera aufgeklärt werden.
Von Big Brother "Jung, wild, sexy"


"3+" selbst schreibt zur Sendung:
Das junge Schweizer Fernsehen zeigt, was sich an wilden Partys in Dorfdiscos und Grossstadtclubs wirklich abspielt: wer mit wem die ersten Sommerflirts erlebt, wie die junge Burschen mit Nebenbuhlern umgehen, warum die Mädchen sich die Drinks lieber spendieren lassen, wer die heissesten Tanzeinlagen beherrscht, wie die Jungs Trinkspiele überstehen und was sie wirklich über ihre nächtlichen Clubbekanntschaften denken. In der neuen Sendung wird auch festgehalten, was vor und nach den durchzechten Nächten alles passiert: wie die Teenies ihre nächtlichen Abenteuer planen, wie sich die Mädels vor den Parties rausputzen und was die jungen Burschen alles machen um den anderen Geschlecht zu gefallen.
Wirklich? 20 Min::
Wenn "Jung, Wild & Sexy" auf 3+ läuft, gibt es auf Facebook kein anderes Thema mehr: Die Teilnehmer sind in kürzester Zeit zu Schweizer TV-Stars avanciert. Dies liegt in erster Linie an den mal lustigen, mal peinlichen Sprüchen der Jugendlichen aus dem Aargau, aus Basel und aus Luzern. Die besten Zitate der ersten beiden Folgen:

Güney: "Ich denk nid zvil no überä Frau. Ich figg si und denn losi wider heimägoo." Cyril: "Klar lang ich dä Pringles a d'Brüscht, wänn sichs ergit, klar. Ran an die Möpse." Dave: "Ich hanen verwütscht uf em WC Kokain z'nee. Also ich han so wisses Pulver xee." Tobi: "Villicht isches Puderzucker xi. Villicht ischer jo zuckerchrank." Kasi: "Ich han scho zwei Wuchä keini me knallt. Wär schomol wieder Zyt. Und Sex mit de Ex isch immer no s'Beschte. Voll isi, oder?" Susi: "Männer im Usgang wönd nur Frauä ufrissä, schnell ä Nummere schiebe und denn sinds wider weg." Franceso: "Für mich isch au kai Problem drei Frau heizbringä." Cyril: "Für was bruuchsch ä richtigi Fründin? Die choschtet nu!" Tobi: "Muäsch halt nöd immer nu di Arbetslosä mitheineh." Tobi: "Bouland ischs wichtigschtä! Mitem Geld vom Vater chaschders Füdlä butzä!" Cyril: "Klar isches schön wennsi chli Gäld hätt. Aber Holz vorem Huus, da längt!" Susi: "Säged am Kasi än scheiss vefiggtä gruäss." Francisco: "Die isch wüäscht. Winä Wuäschti." Tobi: "Dä läbt noch am Motto: Hosä abä Bei breit." Gabriel: "Sichr stönd Frauä druf, wenntne richtig driirammsch. Denn gspüre si di au." Tobi: "Ich halte mich an Kodex." Cyril: "Wenn i gnuäg trunkä han, goht mehr dä Kodeggs am Arsch vrbi." Gabriel: "Ich bin kainä wo nur ä halb Stund figgät. Ich bin ainä wo gärn lang figgät." Tobi: "Äs goht eifach nöd, das d'Mädels nöd under Kontrollä sind." Kasi: "Lieber gosch schnell hei go wichsä, als das ä Nummerä schiebsch ohne Kondom." Gabriel: "Min Köörper isch sehr grosse Vorteil, mis marggante Gsicht, min muskulöse Köörper." Cyril: : "S'geilscht isch wenn diä Frauä alli nass sind und füächt. Vollgasparat!" Dave: "Schumpaarty wär wideremol öppis tolls. Bin jo no niä xi. D'Wiiber stönd doch uf Schuumpartis." Gabriel: "D'Frauä im Fame sind huärä spitz. Und das ischs wichtigschte." Francisco: "Frauä stön nid so uf Schliimschissär, wi söll i sagä, Heimlifaisser. Di stönd eifach uf richtigi Männer." Francisco: "Du xeesch us wiänä spitza Siäch. Du häsch sicher ä Lattä indr Hose." Güney: "Jo, scho settere Stund!" Francisco: "Vilicht sterb ich morn, drum willi hüt guet usgseh." Gabriel: "Die Fraue sind alli voll di Bitschs. Diä sind alli voll uf Periodä!" Tobi: "Me xeets am Dave nöd aa, aber au är schloot gern mol dri."
Laut "SonntagsZeitung" vom 7. November perlt die Kritik an der Sendung "Jung, wild & überdreht" ab. Die Sendung profitiert von der hohen Einschaltquote und die Jugendlichen hoffen dank der provokativen Auftritte zum PromiStaus zu mutieren. Aus der SonntagsZeitung:
"Jung, Wild & Sexy" (3+): Die Schweizer Ausgeh-Jugend feiert, bechert - und macht vor den Kameras künstlich einen drauf. Die Sex- und Saufsendung auf 3+ soll eine Mogelpackung sein. Doch das stört die Fangemeinden solcher Doku-Soaps nicht. Zurzeit bricht die Party-Dokusoap "Jung, wild & sexy" auf 3+ alle Rekorde: 37,4 Prozent Marktanteil bei den 15- bis 24-Jährigen, Berichterstattung an allen Fronten, Kultstatus bei den Jugendlichen in der ganzen Schweiz und jetzt schon Hunderte von Anmeldungen von jugendlichen Cliquen, die bei der nächsten Staffel dabei sein wollen .... "Einzelne Protagonisten sind über Nacht bekannt geworden" Und als Lohn für die Performance winkt der schnelle Ruhm: "Einzelne Protagonisten sind über Nacht bekannt geworden", sagt Dominik Kaiser, "und werden nun an VIP-Partys eingeladen und von den Medien auf Schritt und Tritt verfolgt". Dieser Zuckerbrot-und-Peitschen-Effekt steht aber exemplarisch für das Phänomen der Fake-Sendungen mit Reality-Charakter. Sie wurden in Amerika erfunden und feiern dort mit Formaten wie "Jersey Shore" oder "The Hills" Grosserfolge. Es gibt sie auch in Deutschland, dort allerdings nochmals eine Spur trashiger. Zuerst wars "Big Brother", dann "Richterin Barbara Salesch" bis hin zu Sendungen wie "Frauentausch" oder "X-Diaries - Love, Sun & Fun". Und nun eben auch in der Schweiz mit "Jung, wild & sexy", womit auf dieses Sendungskonzept vor allem "jung" zutrifft. Favorit ist Cyril, der rothaarige Verlierertyp aus dem Aargau. Wenn Kasi, der Luzerner Lokalmatador, seinem Freund Julien gesteht, dass er während einer zweiwöchigen Pause mit seiner Ex-Susi (die wirklich Susi heisst) eine Affäre hatte und die andere jetzt ein Kind erwarte: Dann ist das zwar theoretisch möglich, aber eben doch nur Laientheater mit fragwürdigen empathischen Elementen. Denn Susi, als sie es erfährt, verdrückt nur ein paar Tränchen, lacht Minuten später wieder und macht sich mit ihren zwei Freundinnen und der Konklusion "Männer sind einfach Arschlöcher!" von dannen. Das ist das Holz, aus dem die Themen bei "Jung, wild & sexy" geschnitzt sind.
Die Macher wissen, dass das Verwischen von Dokumentation und Unterhaltung journalistisch gesehen der Transparenz bedarf. Konsumentenfeedback wie: "Ich schaue die Sendung nicht, weil ich glaube, das sei echt. Das merkt doch jeder, dass alles gespielt ist", ihm sei total egal, ob dort, wo Doku draufsteht, auch Doku drin ist. Er gucke die Sendung mit seinen Freunden, weil sie "es einfach grölig finden" bestätigen, dass das niemand kümmert. Die eitlen Dummen lassen sich meinst zum Affen machen. Sie sind stolz, wenn sie 250 Facebook-Freunde mehr haben und der Auftritt, wie am letzten Mittwoch in vier grossen Zürcher Bars sogar auf Grossleinwand übertragen wird. Es ist nicht verwunderlich, dass der Virus Mediengeilheit auch bei Jugendlichen dazu führt, dass man das Gehirn ausschaltet, wenn die Kamera läuft. Wir stellen dieses Phänomen auch bei gewissen Politkern oder mediensüchtigen Promis fest.

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