Das Ende der Geschmacks-Skala scheint immer noch nicht erreicht:
Wer geglaubt hatte, die nachmittäglichen Talkshows seien
das Allerschlimmste im deutschen Fernsehangebot,
der wird mit der neuen, vierten Staffel des "Big-Brother-Modells"
eines Besseren belehrt. Bereits bei der dritten Auflage machte das
Publikum nicht mehr so richtig mit. Nun versucht der
Münchner Sender RTL II
auf bekanntem Terrain mit einer vierten Staffel dagegen
zu steuern. Er suchte sich bei diesem Projekt als Medienpartner
ein bekanntes deutsches Boulevardblatt aus. Neue Spielregeln sollen
die Sendung publikumswirksamer machen. In der jüngsten
Exibtionisten-Datscha wurde Einiges verändert oder
verkompliziert:
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- Es gibt Arm- und Reich-Gruppen. Die einen leben primitiv, die anderen luxeriös.
- Die Insassen müssen sich in "Battles" bekämpfen.
- Die jeweiligen Gewinner dürfen sich telegen im Whirlpool aalen.
während die Verlierer auf Strohballen nächtigen müssen.
- "The battle" wird mit acht Personen gestartet.
- Pro Woche kann das Publikum eine Person hinauswählen
(zum Beispiel per Telefon).
- Im Gegenzug ziehen dann jeweils zwei neue Kandidaten ein,
bis dreizehn Teilnehmer erreicht sind.
- Dann dürfen die Bewohner selbst ihre Mitbewohner für
die Abwahl durch das Publikum benennen.
- Die Nachzügler warten an einem geheimen Ort im Ausland
auf ihren Einzug.
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Neben der Show selbst können sich die Zuschauer als Voyeure einklinken:
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4 Mikrofone im Haus können 24 Stunden per Telefon abgehört
werden (0.62 Euro pro Minute).
3 Livecameras können per Internet angeklickt werden
(1 Euro pro Stunde).
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Wer die Containerbewohner beobachtet und
sich, wie im Zoo, ausreichend Zeit nimmt, das Treiben
mitzuverfolgen, stellt fest: Die Bewohner fühlen sich
anscheinend wie zu Hause. "Nackt Nadja", die professionelle
Stripperin aus Frankfurt, lässt routiniert den ausgeleierten
BH-Träger rutschen, der inzwischen geschasste Ulf hat wie
zu Hause Mühe, mit Messer und Gabel zu essen. Auch das
Schmatzen beim Kauen tönt authentisch. Die Gründe,
sich für das neue Experiment zu melden, sind zum Teil recht
einleuchtend. Wir wissen bespielsweise von Gabrielle, die schon
hinausgewählt wurde, dass sie ihren Führerschein
für vier Wochen abgeben musste. Sie meinte:
"Die Zeit musste ich irgendwie rumbringen."
Trotz aller Banalitäten sind sich die Macher immer noch
nicht bewusst, was für psychische Folgen diese Spiele für
die Kandidaten vor der Kamera haben können. Da die Jugendlichen
noch nicht wissen, dass das öffentliche Blossstellen, die
Absturzphase und die unverarbeiteten heiklen Situationen ihr
Selbstwertgefühl langfristig schädigen kann,
darf sicherlich behauptet werden: Die Macher handeln auch bei
diesem neuen Sendegefäss verantwortungslos. Die
Rechtfertigung: Wer sich bei diesen Spielen exponiert und
erniedrigen lässt ist selber schuld, ist für uns eine billige
Selbstschutzbehauptung.
Realitätsfernsehen in den USA
Realitätsfernsehen in den USA wird oft
in Europa nachkopiert. Zum Teil ist dort die Sache an Grenzen
gestossen. Zum Beispiel, wenn Betroffene gerichtlich gegen
die Organisatoren klagen. Zwei Beispiele in der
"versteckten Kamera" Sparte, wo geklagt worden ist:
- Das Ehepaar Ryan, die in ein Las Vegas Hotel
eincheckten, wurden einer Leiche in der Badewanne konfrontiert
und dann von der Polizei in Gewahrsam genommen. Alles
mit versteckter Kamera gefilmt.
- Philip Zelnick, der in Arizona ein Flugzeug
besteigen wollte, wurde von einem Sicherheitsbeamten angewiesen,
sich auf das X-Ray Förderband zu legen. Anschliessend wurde
er durch die Maschine gefahren.
Ob Klagen auch in der "Big Brother"-Sparte kommen werden, ist
eher unwahrscheinlich, weil die Kandidaten freiwillig mitmachen
und Abmachungen unterschreiben müssen.
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Aus dem Spiegel:
In seiner Show "Elton-TV" hatte der ehemalige Raab-Lehrling Elton einen Beitrag
gezeigt, in dem der Protagonist, ein pensionierter Architekt, auf die
Schippe genommen wurde. Der Rentner war mit dem Fahrrad unterwegs gewesen,
als er von dem als Polizisten verkleideten Comedy-Künstler gestoppt
wurde. Eine versteckte Kamera filmte, wie der falsche Gesetzeshüter
den 78-Jährigen einer angeblichen Fahrtauglichkeitsprüfung
unterzog.
Der Mann musste erst links, dann rechtshändig
radeln. Schließlich forderte der vermeintliche Polizist, der Mann
solle freihändig fahren. Daraufhin erklärte Elton, nun sei
eine Verwarnung fällig, da freihändiges Radfahren nach den
Regeln der Straßenverkehrsordnung verboten sei.
Als der Anwalt des pensionierten Architekten mit einer Klage wegen
Amtsanmaßung und Verletzung der Persönlichkeitsrechte drohte,
hatten die Anwälte der TV-Produktionsfirma zunächst abgewunken
und das Ganze als "lustige Aktion" dargestellt. Schließlich lenkte
Elton aber doch ein, und bot dem Gefoppten 2500 Euro Schadenersatz,
teilte das Kölner Amtsgericht mit. Der Rentner zog daraufhin die
Klage zurück.
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