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Der Erfolg gibt dem Konzept recht. Die Einschaltquoten schlugen
die Erwartungen. Von der ersten Sendung bis zum Halbfinale vom
letzten Samstag stieg die Zahl der Zuschauer von 700 Tausend auf
1.15 Millionen. Das sind Einschaltquoten bis zu 58 Prozent.
Zum Vergleich: Die Tagesschau von SFDRS kommt auf einen
Schnitt von 988 Tausend Zuschauerinnen und Zuschauer.
Fortsetzung vom 2. Februar 2004
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Erfolgsrezept
Das Erfolgsrezept der Sendung
basierte auf dem Zusammenspiel
verschiedener Phänomene:
- Der Zyklus hatte Talentschuppencharakter. Amateurs werden
professionellen Bedingungen ausgesetzt.
- Die Fortsetzungsgeschichte zwingt zum Mitverfolgen des Geschehens.
- Die Dramaturgie ist perfekt inszeniert. Die Zuspitzung ist
programmiert. Das Moderatorenteam heizt das Publikum an.
- Das Belohnungs- und Bestrafungsmodell kennen alle. Jeder kennt die
Situation des Sieges oder der Niederlage (Examen, Prüfungen,
Sport).
- Das Event wird von allen Medien mitgetragen. Kein Medium kann sich
dem
grossen Interesse der Konsumenten entziehen. Print- und
elektronischen
Medien unterstützen Dominoeffekt und es kommt damit zu einem
Multiplikationseffekt (gegenseitiges Aufschaukeln).
- Prominente wirken mit. Es kommt zur erwünschten
Personifizieren
der Mitwirkenden. Die sind alles gute Voraussetzungen für
eine
Boulvardisierung.
- Analog den Fortsetzungsgeschichten bei früheren Krimiserien
(Der
Schal) kommt es nach längere Zeit wieder einmal zum
Phänomen "Strassenfeger".
- Schein und Sein wird instrumentalisiert
- Es kommt zu einem Massen-Erlebnis. Jung und Alt ist mit
dabei. Jeder kann mitbestimmen, findet Gesprächsstoff und
kann mitreden. MusicStar ist ein Kollektiverlebnis wie es sonst nur
ein Grossveranstaltung vermitteln kann. Fussballmatch, Popkonzert.
Das Fieber der Fans ist ansteckend.
- Es ist ein Gesellschaftsspiel mit magischer Wirkung (z.B.
Typolgisierungen der mutmasslichen Stars).
- Medienkritiker sind sich einig. Im Vergleich zu der deutschen
Version, hat die Sendereihe MusicStar am Schweizer Fernsehen mehr
Qualität. Die Kandidaten werden nicht
fertiggemacht.
- Die Sendung unterhält und will nicht mehr. Es braucht keine
grosse Konzentration. Das Konzept ist einfach und anspruchslos.
Jeder
kann die Sorgen und Nöte des Alltages vergessen. Die Sendung
befriedigt das Unterhaltungsbedürftnis.
Kein Vergleich zu Big Brother. Das Interesse an der Container
Show sackte in sich zusammen - die Sendung verschwand.
- Eine riesen Unterhaltungsindustrie sorgt bei MusicStar dafür,
dass das Feuer nicht erlöscht, denn die Produkte müssen
vermarktet werden.
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Kritik.
- Die fragwürdige boulevardeske Begleitung von "Blick" und
"SF DRS" sei eine inszenierte Geschichte.
- Kritiker fragten sich, warum die Teilnehmer psychologisch
betreut werden mussten. Die Tatsache zeige, dass
Jugendliche Schaden nehmen könnten.
- Die Inszenierung von Skandalierungen sei Sensationalisierung.
- Die Verquickung des Jurymitgliedes als Redaktor einer
Boulevardzeitung sei fragwürdig.
- Dass Jurymitglied Chris von Rohr mit dem eigenen "Dräck"-Song die
Kandidaten konkurrenzierte heisse, dass er seine
Popularität so offensichtlich ausgenützt hat.
War das ein Missbrauch seiner Rolle?
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Erfahrungen von anderen Ländern.
Ob es eine zweite Staffel von MusicStar gibt, wird in ein paar
Wochen entschieden. Obwohl der Erfolg nach einer Fortsetzung
schreit, mahnen Zahlen aus dem Ausland zur Vorsicht. Espace.ch
schreibt, dass in Spanien etwa die Zuschauerzahl zwischen der
ersten und dritten Staffel der Casting-Show "Operación Triunfo"
von 11 Millionen auf 4 Millionen absackte. Auch in anderen Ländern
schalteten bei neuen Staffeln weniger Leute zu. Und von der
Container-WG-Show "Big Brother" hatten die Zuschauer in der
Schweiz ebenfalls nach einem Mal genug.
Die Luft ist schnell raus bei solchen Formaten.
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betont Medien- Experte Louis Bosshart von der Uni Freiburg.
Eine zweite Staffel funktioniere nur, wenn eine Pause eingelegt
wird. Es brauche eine gewisse Exklusivität und ständig neue
Ideen. Zudem sei das Potenzial an Talenten in einem kleinen
Land wie der Schweiz begrenzt.
Die "MusicStar"-Macher sind sich offenbar dessen bewusst.
Pressesprecher Urs Durrer meint, die ernüchternden
Erfahrungen aus dem Ausland würden in die Analyse
einfliessen:
"Zunächst stellt sich die Frage, ob es überhaupt weitergeht",
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Und falls ja, so müsse man sich weiter fragen, ob einfach
nachgedoppelt werden soll oder ob etwas am Konzept der Show
verändert werden müsse.
Chris von Rohr
Chris von Rohr gab ein paar Interviews in
"Radio Extra Bern, die zum Teil auf
espace.ch
zu hören waren. Wie schon vorher bemerkt,
ist bei Rohrs Moderation in der Sendung keine
Exekutionsrhetorik zu beanstanden.
Nachtrag vom 22. Februar: Was ist gute Unterhaltung?
Im Sonntagsblick vom 22. Februar diskutierten TV-Macher
über den bunten Abfalleimer "Unterhaltung".
Aufschlussreich finden wir nachfolgenden Zitate über
echte Unterhaltung beim Fernsehen.
Zum Zitat, dass Unterhaltung sich auf die Formel
"Titten, Tod, Tiere, Tränen" reduzieren liesse,
ässerten sich Max Sieber, Hannes Bichsel und Marc Götz:
- Max Sieber, Leiter der Unterhaltung vom Schweizer Fernsehen DRS:
Unterhaltung heisst: Emotionen. Emotionen, Emotionen
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- Hannes Bichsel, der "Big Brother" Chef, fand hingegen:
Ich denke, die Leute haben gerne Geschichten, Spannung, etwas mit
einem Anfang und einem Ende. Letztendlich geht es immer um menschliche
Bedürfnisse, die sich nicht ändern, auch wenn die Fernsehformate
ändern.
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- Marc Götz, vom Ringier TV, ergänzte:
Gute Unterhaltung ist alles, was emotional berührt und nicht
langweilt. Sendungen sind spannend, wenn das Publikum mitentscheiden
kann.
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- "Viva"-Chefin, Asta Baumüller, fand hingegen:
Man kann auch etwas Aufklärerisches unterhaltend aufbereiten.
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Nach unserem Dafürhalten veranschaulichen Sendungen wie
"MusicStar" oder "Big Brother", dass sich das öffentlich
rechtliche Fernsehen im Grunde genommen zunehmend die privaten
Sender kopieren. Auch künftighin bestimmt letztlich die
Einschaltquote über Erfolg oder Niederlage bei
Unterhaltungssendungen. Die Diskussion, ob die Einschaltquoten
tatsächlich das Mass aller Dinge ist
(d.h. ob das Volk kompetent ist, zu entscheiden, was guter Geschmack
ist) - diese Diskussion wird noch lange weitergehen.
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Als Schlusswort können wir noch anfügen:
Unterhaltung "Ja" - aber "Kei Dräck".
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