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www.rhetorik.ch aktuell: (18. Jan. 2001)

Big - Brother Nachlese


Big Brother scenes: source bigbrother Schweiz An der Podiumsveranstaltung der Radio und Fernsehgenossenschaft Zürich vom 15. Januar erzählte im Diskussionsteil ein Vater, dass er mit seinen Töchtern im Teenageralter "Big Brother" angeschaut habe. Erstaunlicherweise habe er dabei feststellen können, dass die Töchter beim Betrachten immerhin etwas gelernt haben: Sie hätten gesehen, welches Benehmen sich der im Container eingeschlossenen wie auswirke. Die Erkenntnis, dass sich gutes Benehmen lohne, hätte nachhaltige Wirkung gehabt.

Tatsächlich ermöglicht die Sendung "Big-Brother" gleichsam einen Anschauungsunterricht zu den Kommunikationsphänomen: Wirkung des Verhaltens (Benimm- und Mentalitätsverhalten) und macht bewusst, dass sich das, wie geredet wird oft prägender ist, als das, was gesagt wird.
An der Podiumsveranstaltung in Zürich wurden leider die moralischen und ethischen Bedenken der Sendung kaum beleuchtet. Jedenfalls fand die Mehrheit der Podiumsteilnehmer, die Würde der Teilnehmer im Container werde nicht missbraucht. Lediglich der Medienredaktor der NZZ, Rainer Stalder betonte, das "zur Schau stellen von Intimem" vor der Kamera irritiere.

Während den 105 Tagen verfolgten unter der Woche durchschnittlich 254'200 Zuschauer aller Altersgruppen die täglichen Highlights aus dem Big Brother-Haus in Glattfelden und deren Wiederholung. In der Zielgruppe der 15-49-jährigen lag der durchschnittliche Marktanteil der Erstausstrahlung bei 22 Prozent, bei den 15-24 jährigen gar bei 30 Prozent. Quelle


Der Erfolg der Sendung hinsichtlich Einschaltquoten basiert sehr wahrscheinlich darauf, dass die Sendung den Anschein von Authentizität erweckt und die Situationen nicht inszeniert wirken.

Fachleute wissen zwar, dass viele angeblich nicht inszenierte Abläufe sehr wohl vorbereitet und intern abgesprochen sind.


Ein Punkt beim Projekt "Big Brother" darf gewiss nicht ausgeklammert bleiben: Es betrifft die bewusste Auswahl von Teilnehmern, die über keinerlei Erfahrung im Umgang mit Medien haben. Tatsächlich garantiert die bewusste Auswahl von jungen Teilnehmern, dass keine der Auserwählten über eigene Erfahrung verfügen, was so ein Experiment mit den permanenten Begleitern Mikrofon und Kamera mit sich bringt und somit völlig naiv und unvorbereitet in das Experiment einsteigen. Diese bewusste Regel als - Voraussetzung - garantiert den Erfolg. Denn: Die Bereitschaft, sich mit allen Gefühlen unbeschwert zu outen, ist erwünscht. An der notwendigen Zahl von "Versuchskaninchen" mangelt es nie. Denn sie selber sehen nur den grossen Erfolg. Sie wissen: Die Medienpräsenz allein genügt schon, um bekannt und berühmt zu werden. Sie wissen, dass auch ein vorzeitiges Aussteigen aus Erfolg bringen kann. Dass aber das Verhalten (auch nachts im Schlafzimmer) und die vielen unbedachten Äusserungen nachhaltige Auswirkungen im Bekannten und Freundeskreis haben können - Ähnlich wie es bei den gegenseitigen Beschimpfungen vor laufender Kamera bei Talksendungen zu sehen ist - das erleben die Betroffenen bei "Big Brother" ebenfalls erst im Nachhinein. Es gibt bei diesen Sendungen keine psychologische Nachbetreuung. (Den Personen wird jedoch von Journalisten noch nachgestöbert).

Es würde sich gewiss lohnen, einmal alle Folgeschäden der Verhaltensweisen mit all den negativen Auswirkungen im Alltag wissenschaftlich zu beleuchten. Aber eine solche Untersuchung wäre nicht Einschaltquotenträchtig.
Apropos Quoten: Leider gibt es Medienschaffende, die sind so quotensüchtig, dass scheinbar jedes Mittel diesen Zweck heiligt. Für sie gilt unter Anderem der Spruch: Quoten durch Zoten.


Fazit: Für alle, die sich mit Medien auseinandersetzen müssen, lohnt sich das Studium der Phänomene im Bereich Mediencoaching. Jene, die sich naiv und sogenannt unbeschwert vor Kamera und Mikrofon blossstellen lassen, denen kann es gehen wie den Kartoffeln: - Erst im "Dreck" gehen ihnen die Augen auf.

Einfach = Banal ?

Thomas Spielman, Photoquelle www.spielmann-psy.ch Beim "Big Brother Psychologen" Thomas Spielmann wurde von Berufskollegen (auch Mitglieder des Psychotherapeutenverbandes) beanstandet, dass er bei den Beurteilungen viel zu oft hohle Phrasen, banale Kalenderweisheiten oder nichtssagende Bemerkungen von sich gibt.
An dieser Stelle einige Beispiele der zahlreichen nichtssagenden Äusserungen (siehe Beitrag Hohle Phrasen ), die zwar recht gut klingen und zudem alles aber auch nichts sagen.

  • "Wer sich exponiert, wird kritisiert."
  • "Wie man sich trifft, so trennt man sich."
  • "Konflikte gehören zum Leben."
  • "Wenn zwei ineinander verknallt sind, dass beeinflussen sie sich gegenseitig."
  • "Frauen sind anders als Männer."
  • "Konflikte haben ist nicht schwer, Konflikte lösen dagegen schwer."
  • "Wer sich an den Medien hervortut, wird in den Medien umgebracht."


Wenn sich der Psychologe Spielmann als Medienkenner - er ist zugleich auch Medientrainer von Journalisten und Personen aus der Wirtschaft - an die Regel "Einfach reden" halten würde, so wäre dies bestimmt vorbildlich. Denn: Die meisten Spezialisten wissen nicht, dass die Mediensprache strassengängig sein muss. Beispielsweise merken viele Akademiker nicht, dass die Masse (bei Massenmedien) nicht aus Fachleuten besteht. Einfach reden will jedoch nicht heissen, banale Aussagen machen.
Übrigens: Der vom Facts mit "Alt 68er Psychologe" betitelte Spielmann kritisierte "Big Brother" kaum. Er glaubt persönlich an die integre Werthaltung der Sendung. Big Brother hat sogar für ihn sozialrevolutionären Charakter. Dennoch erkennen wir immerhin bei Spielmann einen Ansatz von Selbstkritik, wenn er heute sagt: "Vielleicht sollte ich gewisse Dinge weniger banal sagen."




Nachtrag vom 3. Mai, 2004: Feedback des betroffenene Psychologen: Wir unserer Analyse im Beitrag vom 18.1.2001 über die Äusserungen des Psychologen basierten auf Presseberichten z.B. vom "Facts". Nun schrieb uns der Psychologe Thomas Spielmann am 3.5. 2004, dass die Texte auf Presseaussagen basieren, gegen die er ein Verfahren eingeleitet habe. Den ganzen Sachverhalt konnten wir auf Spielmanns Webseite aus der Sicht des Psychologen nachlesen. Spielmann klagte nach seinen Aussagen gegen die Behauptung, er sei Medientrainer und den Begriff, er sei ein "Alt 68er". Auch die Behauptung, Psychotherapeuten hätten gegen ihn ein Verfahren eingeleitet, stimme nicht. Diese Aussagen seien allesamt falsch. Der "Facts"-Journalist Marti, der diese Sätze publiziert habe, sei vom Schweizerischen Presserat dafür verurteilt worden. Wir gehen davon aus, dass diese Berichtigung stimmt und sind deshalb gerne bereit, diesen Sachverhalt aus der Sicht des Psychologen nachzutragen. Für die Leserinnen und Leser zeigt diese Geschichte einmal mehr:

Was einmal veröffentlicht worden ist, kann kaum mehr bereinigt werden. Es ist wie bei einer Zahnpastatube: Ist der Inhalt einmal ausgedrückt, kann die Paste kaum mehr in die Tube zurückgebracht werden.


Für uns ist diese Geschichte ein weiteres Beispiel dafür, dass nicht alles, was in den Medien veröffentlicht worden ist, richtig sein muss. Ob sich jedoch der Chefredaktor von "Facts" beim Psychologen für den Faux-Pas seines Mitarbeiter entschuldigt hat oder nicht, können wir leider nicht mehr herausfinden. Es fehlen uns zudem Belege über die Urteile des Presserates. Der Chefredaktor Hannes Britschi ist nicht mehr bei "Facts". Wir werden die Urteile und Fakten gerne hier anführen, falls sie uns zugestellt werden. Wir danken jedenfalls Thomas Spielmann für seinen Hinweis. Wir können und wollen kein Urteil fällen, wer bei dieser Auseinandersetzung tatsächlich recht gehabt hatte. In unseren Analysen geht es uns lediglich um die Phänomene im Umgang mit Medien.


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