Tagesanzeiger vom 19. November, 2009
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Aus dem Tagi:
Gesundheitsapostel ohne Rezept Von David Vonplon
Wenige Wochen vor seinem Rücktritt macht BAG-Direktor Thomas Zeltner
eine schlechte Figur. Das Chaos bei der Schweinegrippe-Impfung und die
unablässige Kritik scheinen nicht spurlos an ihm vorbeizugehen.
"Als hätte er ein Dutzend verschiedene Kommunikationsleute hinter
sich": BAG-Chef Thomas Zeltner.
Seine Mitarbeiter hätten derzeit grosse Belastungen zu
bewältigen, klagte der Chef des Bundesamtes für Gesundheit,
Thomas Zeltner, gestern vor den Medien. Wie die Ärzte müssten
sie nun auch am Wochenende arbeiten. Dies teilte er der Nation mit,
kaum hatte er über den Tod eines Kleinkinds an der Schweinegrippe
informiert.
Ein nebensächlicher kommunikativer Lapsus. Aber einer, der
symptomatisch für Zeltner ist: Wenn er spricht, und das tut er
derzeit auf allen Kanälen, schafft er es selten, den richtigen
Ton zu treffen. Seit wegen der Schweinegrippe pausenlos Kritik auf
ihn hinunterprasselt, wirkt er wenig souverän.
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"Zeltner strahlt keine Sicherheit aus", kritisiert Marcus Knill, Experte für
Medienrhetorik. Bei seinen letzten Medienauftritten habe er unfokussiert
und ängstlich gewirkt.
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"BAG hat Informationsgrippe"
Im Juli hatte Zeltner in düstersten Bildern die Gefahren der
Pandemie an die Wand gemalt. Es sei nun wichtig, dass Ärzte und
Spitäler gut vorbereitet seien, um eine grosse Anzahl Fälle zu
versorgen, sagte der BAG-Direktor. In einer millionenteuren Werbekampagne
wandten sich die Behörden ans Volk und rieten, die nötigen
Vorkehrungen zu treffen. Als die Schweinegrippe sich auszubreiten
begann, war es sein Amt, das nicht bereit war: Die Impfstoffe waren
nicht da. Zugleich beklagten sich Ärzte aus verschiedenen Kantonen
über die mangelnde Kommunikation der Behörden. "Das BAG hat
die Informationsgrippe", erklärt PR-Fachmann Klaus J. Stöhlker.
Hat Zeltner die Kritik der letzten Woche müde gemacht? Der
62-jährige Jurist und Mediziner tritt Ende Jahr nach 18 Jahren im
Amt zurück. Fürchtet er, dass die Schweinegrippe ihm einen
unrühmlichen Abgang bescheren könnte? Selbst seine Kritiker
attestieren Zeltner ansonsten, er sei dossierfest und kompetent. Mit
kontroversen Aussagen hat er immer wieder Debatten ausgelöst und es
in den vergangenen Jahren verstanden, grossen Druck auszuhalten. Kritik
musste er sich von allen Seiten anhören: von den Ärzten
und Krankenkassen, denen seine Reformen zu weit gingen, von der
Weltgesundheitsbehörde, weil er für einen straffreien Konsum
von Cannabis eintrat.
Als "Gesundheits-Taliban" verunglimpft
Und schliesslich von bürgerlichen Politikern, die ihn als
"Gesundheits-Taliban" verunglimpften und von den Rauchern, die "seinen
missionarischen Eifer" geisselten. Als ihm SVP-Nationalrat Peter Spuhler
wegen seines ständigen "Rufs nach Verboten". vergangenes Jahr den
"rostigen Paragrafen" überreichte, nahm es Zeltner mit Humor und
erklärte: "Ein BAG-Direktor, der dünnhäutig ist, ist fehl
am Platz."
Genau diesen Eindruck macht Zeltner nun aber: Trotz der chaotischen
Informationspolitik des BAG räumte er Fehler nicht oder zu
spät ein.
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"Es wäre besser gewesen frühzeitig zuzugeben,
dass man überrascht wurde", findet Knill. Statt in der Krise
Klarheit und Eindeutigkeit zu vermitteln, werde die Bevölkerung
von einer Fülle von Informationen erschlagen, die sich teilweise
widersprechen. Auf den Kommunikationsexperten wirkt Zeltner wie ein
hilfloses Kind, dem man eingebleut hat, es müsse ruhig und klar
sprechen.
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