Freitag, 25. Oktober 2005,
Der folgende Abschnitt ist im Persönlich
am
24. Oktober erschienen. Dies ist eine lokale Kopie:
Krisenkommunikation und Vogelgrippe:
Informationspolitik des Bundes unter der Lupe.
Nachdem die Diskussion in der Politsendung "Arena" vom 14. Oktober gezeigt
hatte, dass bei der Thematik "Vogelgrippe" hinsichtlich Kommunikation
und Informationen Widersprüche bestanden, beleuchtete die "Arena"
vom 21. Oktober 2005 noch einmal das analoge Thema. Diesmal mit dem Untertitel:
"Von Ängsten und Fakten". Kommunikationsberater Marcus Knill hat
für "persoenlich.com" die Aussagen der Behördenvertreter unter
die Lupe genommen:
Tatsächlich: Die Bevölkerung ängstigt sich. Die
Behörden erkannten, dass breite Kreise verunsichert waren. Sie
versuchten nun mit einer geballten Informationsoffensive das schwindende
Vertrauen zurückzugewinnen. Der Bundesrat beschloss, ab sofort
regelmässig zu informieren. Es wurde ab nächsten Dienstag eine
befristete Stallpflicht für Geflügel angeordnet. Wir wollten
wissen, ob nun die neue hochkarätige Expertenrunde nach einer Woche
konkretere Aussagen machen konnte. Die wichtigsten Chefs der betroffenen
Bundesämter waren bei der zweiten "Arena" über die Vogelgrippe
alle an Deck.
Herr Zeltner (Direktor Bundesamt für Gesundheit) wurde von
Urs Leuthard auf die Lücken im Krisenmanagement (Strategische
Führungsübung im Januar 05: "Schweinegrippe-Pandemie")
angesprochen. Zeltner musste eingestehen, dass es sich damals
gezeigt habe, dass die längerfristige Zusammenarbeit zwischen
Bundesämtern und Departementen schwierig und die Kommunikation mit
Kantonen und Nachbarländern verbesserungswürdig sei.
Beat Glogger, Wissenschaftsjournalist, wies einmal mehr auf das
Kommunikationsdilemma hin, auf das bereits in der letzten Sendung
hingewiesen worden war. Wer informiert, muss stets bedenken:
Entscheidend ist nicht das, was der Sender verbreitet, sondern das,
was beim Empfänger ankommt! Glogger fiel auf: In der ersten Arena
über das Thema Vogelgrippe hat der Direktor des Bundesamtes für
Gesundheit gefehlt.
Die Bevölkerung fragte sich gewiss: Weshalb fehlte der Chef? Nimmt
er die Bevölkerung nicht ernst? (Die Stellvertreterin kam
nachträglich in den Medien sehr schlecht weg).
Zeltner sah ein, dass sein Fernbleiben bei einer Kommunikationskrise
falsch war. Immerhin vermochte er in der Arena einige Unklarheiten
beseitigen. Vor allem verstand es Robert Steffen, Professor für
Epidemiologie, die Bevölkerung mit Zahlen und Fakten wesentlich zu
beruhigen. Nachdem Hans Wyss erklärte: "Bei Wildvögeln gibt es
ein Problem, das wir nicht im Griff haben. Das wäre ein schwieriges
Kapitel", wollte der Moderator von ihm wissen, was denn das Bundesamt
für Veterenärwesen vorgesehen habe, wenn künftig in der
Schweiz ein Problem mit Zugvögeln auftrete.
Wyss wich bei dieser Frage aus und versuchte zu differenzieren. Es komme
darauf an, ob es Einzelvögel seien oder eine grosse Anzahl von Tieren
betroffen wäre. Die Antwort des Chefs des Veterenärwesens war
unbefriedigend: "Wir werden uns mit dem Problem beschäftigen". Diese
Antwort genügt nicht. Wir fragen uns: Wurde dieses heikle Problem
nicht antizipiert? Bei der Vogelgrippethematik wurde deutlich, dass sich
eine Schere geöffnet hat zwischen den Experten einerseits, welche
heute keine akute Gefahr sehen und sich bemühen, die Bevölkerung
mit Fakten zu beruhigen und einer Bevölkerung anderseits, die Angst
hat und Medikamente hamstert. Glocker sah die Verwirrung darin, dass
der Begriff "Grippe" in Diskussionen und Beiträgen ständig
vermischt wird. Die unterschiedlichen Ebenen: Grippe, Vogelgrippe,
Pandemie müssten viel klarer getrennt werden.
In der jüngsten Arena kreiste die Diskussion erneut um das Thema
Medien. Die Thematik "Vogelgrippe" sei für alle Medien dramatisch
und spannend. "Vögel fliegen wie B52 Bomber über Europa und
entledigen sich der krankmachenden Last". Emotionen dominieren. Ängste
werden wach. Publizistikwissenschaftler Heinz Bonfadelli unterstrich
ebenfalls die Erkenntnis, dass gewisse Themen im Volk anders ankommen,
als es die Behörden beabsichtigen. Medien sind heute nicht mehr
das Sprachrohr von Bundesämtern. Medien haben eine Informations -
und Wächterfunktion. Sie inszenieren und emotionalisieren.
Die Bevölkerung besteht jedoch nicht nur aus Experten. Sie orientiert
sich an Bildern und diese können bekanntlich viel mehr Aengste wecken
als Worte. Die Öffentlichkeit müsse verständlicherweise
aufschrecken, wenn die Medien das Thema Vogelgrippe tagelang auf den
Frontseiten abhandeln. Für Otto Normalverbraucher sei damit die
Situation zwangsläufig dramatisch.
Die "Arena"-Sendung vom vergangenen Freitag machte bewusst:
Die Wahrnehmung der Bevölkerung bei der Bewertung eines schleichenden
Risikos entspricht nicht der Sicht von Experten! Die Behörden und
Experten müssen vermehrt auf die Sprach- und Gefühlsebene
der Bevölkerung eingehen und vielleicht auch Massnahmen ergreifen,
die Vertrauen schaffen.
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Weshalb nicht demonstrieren, dass die Verteilung der Medikamente
im Pandemiefall zeitgerecht durchgeführt werden kann? Dass die
Koordination der Informationen immer noch nicht ganz klappt, war auch
noch von Thomas Zeltner zu erfahren. Trotz schriftlicher Orientierung
informierten die Kantone hinsichtlich der "Pflichtlager" vor Tagen
diffus. Zeltner musste eingestehen: Dies führte zu Konfusionen.
Fazit: Heute wird eindeutiger und offener informiert. Die Behörden
bemühen sich immerhin, konstant zu informieren. Bei sich anbahnender
Krise sind vertrauenswürdige Leute gefragt. Verwirrende Informationen
dürfen nicht gerechtfertigt werden mit Aussagen, wie: "Wir
müssten eben in Kauf nehmen, dass Kommunikation immer unter Beschuss
kommt." Dieser Satz war in der Diskussion zu hören. Er klingt zu
sehr nach Selbstschutzbehauptung. Die Koordination der Informationen hat
nach wie vor Priorität (Informationsmanagement!). Erfahrungen bei
der Krisenkommunikation haben bestätigt: In krisenähnlichen
Situationen geht es vor allem um menschliche, psychologische
Phänomene. Dies gilt es, verstärkt zu berücksichtigen.
Ziel ist immer die Entdramatisierung.
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(Text: Marcus Knill)
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