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www.rhetorik.ch aktuell: (15. Jul, 2007)

Zur 100 prozentigen Sicherheit

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Erste Tagesschaumeldung vom 12. Juli mit Telefoninterview mit René Feuz
Am 12. Juli 2007 übernachteten 24 Armeeangehörige der Bergdivision 1 in der Mönchsjochhütte im Berner Oberland. 15 von ihnen machten sich auf eine Tour zur Jungfrau auf, wobei einer auf dem Sattel umkehrte. 7 andere machten sich auf eine Mönchstour, 2 blieben in der Hütte zurück. 6 von den 14 Soldaten auf der Jungfrautour sind um 10 Uhr Morgens an der Südwestflanke der Jungfrau auf einer Höhe von 3800 Meter ins Rottal abgestürzt. Alle 6 Mitglieder der zwei Dreiermanschaften sind dabei gestorben. Die anderen 8 Alpinisten wurden unversehrt gerettet. Das Unglück liefert Anschauungsmatrial für Kommunikationsmanagement in einer Kriesenkommunikation. Die Ursache des Unglücks wird noch untersucht. Der Unfall ist der schwerste Milititärunfall seit 15 Jahren. Im Jahre 1992 hatte eine eine Explosion in einem Munitionslager auf dem Sustenpass 6 Personen getötet. 1970 riss eine Lawine in Reckingen im Oberwallis 30 Menschen in den Tod. Dabei kamen 19 Armeeangehörige ums Leben.




Christoph Keckeis Interview, Quelle: 10 vor 10
Ein Tag nach dem tragischen Unglück an der Jungfrau, bei der sechs Armeeangehörige den Tod fanden, stellten die Medien noch keine harten Fragen. Am Freitag, dem 13. Juli hörten wir den Armeechef Christoph Keckeis in der Informationssendung "10 vor 10" sagen:

"Ich bin hundertprozentig sicher, dass die Profis ihre Arbeit perfekt gemacht haben."


Diese unbedachte Aussage bezog sich auch auf die verantwortlichen Armeebergsteiger, welche den letzten Aufstieg - trotz gefährlichem Neuschnee - sanktioniert hatten.

Drei Tage nach dem Unglück bezeugten zivile Bergführer, dass sie die Armee-Bergführer vor dem Aufstieg gewarnt hätten. Ein Teil der Soldaten hätten dann diese Mahnung befolgt und sind auf den Mönch gestiegen.

An Krisenkommunikationsseminaren raten wir davon ab, absolut sichere Aussagen zu machen, bevor Sachverhalte geklärt sind.


Ein ähnliches Beispiel ist Andy Rihs absolut sichere Aussage, er halte die Hand ins Feuer, dass seine Fahrer sauber sind. Später kamen scheibchenweise die Vergehen an den Tag. Auch bei Medienaussagen gibt es nie eine hundertprozentige Sicherheit.

Die unprofessionelle Antwort des obersten Chefs der Armee gibt zu denken. Es ist nicht das erste Mal dass Keckeis sich unbedacht äussert. Als Pilot müsste er gelernt haben: Hören - überlegen - kontrollieren, erst dann handeln, sprich reden.




Nachtrag vom 17. Juli: Trauerfeier

Die Trauerfeier vom 17. Juli wird in einem seperaten Artikel behandelt.


Nachtrag vom 18. Juli: Armee muss sich rechtfertigen

Nachdem gestern ein Soldat eine neue Version des Rekruten-Dramas geschildert hatte - er erklärte, er habe nichts von einer Lawine gesehen, es sei zum Absturz aus heiterem Himmel gekommen d.h. der Sturz der ersten beiden Gruppen habe eine Kettenreaktion ausgelöst - musste sich die Armee nach dieser subjektiven Schilderung rechtfertigen. Die Medienkonferenz habe der Soldat selbst in die Wege geleitet, heisst es heute, ob schon wir in vierschiedenen Medien gelesen hatten, dass der während der Medienkonferenz von Armeeangehörigen betreute wurde. Bei gewissen Fragen wurde eingegriffen.

Zitat im espace.ch vom 18.7.: "Die Aussage des überlebenden Obergefreiten, er habe keine Lawine bemerkt, steht in merkwürdigem Kontrast zu der Alarmmeldung eines Bergführers in derselben Gruppe. Der Rettungsdienst Rega wie der Lauterbrunner Rettungsarzt Bruno Durrer sagten gegenüber dieser Zeitung, sie seien vom Bergführer wegen eines Lawinenunfalles mit Vermissten alarmiert worden. Experten halten es für ausgeschlossen, dass ein Bergführer einen "Lawinenunfall" meldet, wenn es sich nicht um einen solchen handelt. Denn die Rettungsdienste fliegen mit ganz anderem Rettungsmaterial aus, je nachdem, ob es sich um einen "Lawinenunfall" oder einen "Absturz" handelt. Die Wichtigkeit dieser Unterscheidung wird jedem Bergführer bereits in der Grundausbildung eingebläut. Auch ein Priester sprach an der offiziellen Trauerfeier in der Kirche von Andermatt von zwei Schneebrettern, die links und rechts des Grates heruntergegangen seien. Inwiefern eine Lawine beim Unfall eine Rolle spielte, könnte wahrscheinlich zumindest der Bergführer sagen, der den Alarm ausgelöst hat. Doch die Militärbehörde liess ihn nicht öffentlich reden. Warum die Militärbehörde dem Bergführer einen Maulkorb erteilte, begründete gestern Militärsprecherin Kirsten Hammerich so: "Die Bergführer dürfen wegen möglicher Schuldzuweisungen nicht öffentlich reden."


Alain Perusset: Quelle: NZZ
Bevor der Sachverhalt eines Dramas eingehend untersucht ist, dürfte keine Sicht als die richtige Version erklärt werden.

Weder von den Medien noch von der betroffenen Institution. Es ist denkbar, dass die Aussage des Zeugen Alain Perusset tatsächlich zutrifft. Doch ist es auch nur die subjektive Sicht eines Zeugen. Würde die Information von der Armee geführt, so müsste sie dafür besorgt sein, dass während der Untersuchung niemand vorzeitig einen Sachverhalt publiziert oder von sich aus eine private Medienkonferenz organisiert.


Perusset bei der Pressekonferenz: Quelle: SF 15. Juli, 2007
Nach der Medienkonferenz des Gefreiten musste sich nun die Armee rechtfertigen, weil ihr unterstellt werden könnte, sie hätte diese Konferenz bewusst zugelassen, um allfällige Schuldzuweisungen zu stoppen.


Sich rechtfertigen zu müssen, ist in Krisensituationen stets schlecht.


Laut Tagesanzeiger online vom Mittwoch will nun das Militär trotz offener Fragen vorläufig keine Auskünfte mehr erteilen und die Resultate der Untersuchung abwarten. Diese sind nicht vor Oktober zu erwarten. Wir finden dies richtig. Nur hätten sich die Informationsverantwortlichen schon vorher an diese Regel halten sollen.

"Keine Auskünfte geben" heisst nicht Schweigen oder "no comment" oder Einzelaktionen tolerieren.

Aktiv informieren heisst: Laufend darüber informieren, was untersucht wird, welche Fragen noch offen oder ungeklärt sind. Es heisst ferner auch: Informationen koordinieren und sich an Fakten halten.


Nachtrag vom 19. Juni 2007: Zur Informationspolitik der Armee

Auch Kommunikationsexperte Iwan Rickenbacher kommt in der Luzerner Zeitung zum Schluss, dass die bruchstückhafte Informationspolitik der Armee verunsicherte und verbessert werden müsste. Rickenbacher vertritt unsere Meinung:

Die Armee müsse zu jeder Zeit nur das darlegen, was gesichert ist oder bekannt ist. Sie dürfe aber auch kontinuierlich bekannt geben, wo noch Fragen offen sind.



Quelle: Neue Luzerner Zeitung 19.7.07


Iwan Rickenbacher fand die Medienkonferenz des Augenzeugen ebenfalls unglücklich. Die Aktion habe improvisiert gewirkt. Sie wurde als Spontanaktion gewertet und führte zu keiner Klärung.

Kommunikationsspezialisten wissen, dass die theoretischen Grundsätze in der Praxis schwierig umzusetzen sind, besonders dann, wenn die Intimsphäre von Opfern gewahrt bleiben muss und der Schock blockiert. Dennoch können wir alle auch aus diesem Bergdrama etwas lernen.

Wie sollten Medien und Öffentlichkeit in einer derartigen Stresssituation informiert werden?

Wir haben bei diesem tragischen Unglück gesehen, dass bruchstückhaft und gegensätzlich informiert wurde. Dies verwirrte, verunsicherte, irritierte.

Erkenntnis:
  • Die Information muss geführt und koordiniert werden.
  • Aktiv nicht defensiv informieren. Vor allem keine Rechtfertigungen.
  • Bei Auslegeordnungen, Vermutungen, Urteile, Vorurteile: Keine Interpretationen oder unkoordinierte Medienkonferenzen Einzelner.
  • Die Armee spricht mit einer Stimme.
  • Es wird informiert, was untersucht wird und bis wann Resultate oder Teilresultate zu erwarten sind. Wer untersucht was? Welche Fragen sind offen oder konnten noch nicht geklärt werden.
  • Betroffenheit zeigen, so sie es Bundesrat Schmid gemacht hat.
  • Sagen, dass alles unternommen wird, damit so etwas nicht mehr vorkommen wird.


Dass die Medien nachfragen müssen und selbst recherchieren, ist normal - vor allem dann, wenn defensiv und reaktiv informiert wird und Unklarheiten bekannt werden. Nachdem in diesem Fall nach den widersprüchlichen Aussagen Experten zu Wort kamen, geriet das Verteidigungsdepartement immer mehr in die Defensive.

Lavwinenexperte Werner Munter in einem Interview im Tagi Quelle.


Nachtrag vom 20. Juli, 2007: Nachlese zu den widersprüchlichen Informationen und Thesen

Doch eine Lawine? Quelle: Blick vom 20. Juli


"Die Spur zum Ort des folgenschwersten Armeeunfalles seit 15 Jahren." Quelle Tagi 13. Juli, 2007
Die Armee kam am 2. Juli wieder unter Druck, nachdem Lawinenexperte Werner Munter verlauten liess, dass doch eine Lawine das Unglück verursacht habe müsse. Mit der Sturzthese eines Kameraden, der die andern mitgerissen habe, sei der Eindruck entstanden, dass die verantwortlichen Offiziere und Bergführer lediglich die Tatsachen beschönigen wollen und die Schuld den Leuten in die Schuhe schieben wollen. Denn die Armee müsse mit einem Imageverlust rechnen, falls die Soldaten in einer Lawine umgekommen sein sollten. Es stehe nämlich fest, dass bei einer Gefahrenstufe "erheblich" die mit Neuschnee bedeckte Flanke unterhalb des Gipfels nicht hätte bestiegen werden dürfen. Dies wäre fahrlässig gewesen.
Lawinenexperte Werner Munter. Quelle: alpin.de.


Etwas aus den ersten Informationspannen gelernt?

Armeesprecherin Hammerich scheint immerhin etwas gelernt zu haben. Im Tagesanzeiger vom 20. Juli führte er die Information plötzlich mustergültig. Er sagte, die Armee vertrete weder eine Lawinen - noch eine Mitreisstheorie. Er warte die Untersuchungen ab. Denn beide Thesen wären möglich. Die Armee wolle keine Spekulationen anstellen Der Obergefreite habe bei seiner Medienkonferenz lediglich seine persönliche Sicht geschildert.

Zum seltsamen öffentlichen Auftritt eines Augenzeugen
Quelle: Tagi, 20 Juli
Wir fragen uns heute: Weshalb wurde überhaupt diese individuelle Medienkonferenz eines Augenzeugens von der Armee offiziell zugelassen? Kein Armeesprecher hatte die Konferenz als unverbindliche persönliche Augenzeugenaussage deklariert. Sonst hätte Blick nach der Medienkonferenz den Fronttitel gesetzt: "Wie es wirklich war!" Auch Strafrechtler wunderten sich über den seltsamen öffentlichen Auftritt eines Zeugen. Sind doch Zeugenaussagen während einer Untersuchung geheim. Ein Zürcher Strafverfolger liess verlauten:

"Ich hätte keine Freude, wenn ein wichtiger Zeuge während einer Untersuchung öffentlich auftritt."


Tatsächlich wurde der Obergefreite an der Medienkonferenz als Augenzeuge vorgestellt. Bei Untersuchungen gilt der Grundsatz. Zuerst wird festgestellt, was geschehen ist, erst nachher werden Einzelstimmen vernommen.


Maulkorb für Bergführer?
Der Bergführerverband verschickte diese Woche ein Mail an ihre Mitglieder, keine Urteile mehr zum Drama an der Jungfrau abzugeben. In einem Interview mit Georg Flepp,, Präsident des Bergführerverbandes, war in der Berner Zeitung vom 20. Juli zu lesen, dies sei kein Maulkorb für die Bergführer gewesen. Was mich erstaunte. Von den Bergführern wird im Mail verlangt, dass sie keine Urteile abgeben. Doch urteilte der Verband selbst im erwähnten Mail. Zitat:

"Es scheint, als sei jemand gestürzt und hätte alle mitgerissen."


Dies ist eine eindeutige Positionierung für die Mitreisstheorie. Damit hat der Verband selbst im Mail eine unbelegte These übernommen und setzt sich somit dem Verdacht aus, er wolle die Armee-Bergführer in Schutz nehmen. Weil der Verband an der wichtigsten Pressekonferenz zusammen mit der Armee auftrat, sah es schon so aus, als hätte der Verband ein wirtschaftliches Interesse (es gibt Aufträge bei der Armee) und wolle sich deshalb mit ihr auf guten Fuss stellen. Wie bei der Armee, so scheint der Verband dem eigenen Wunschdenken zu erliegen, nach dem Grundsatz: Was nicht sein darf, wird ausgeblendet. Georg Flepps Informationsmanagement ist mehr als fragwürdig. Weshalb?

Gravierender Patzer
Im Interview in der Berner Zeitung stritt Flepp zuerst das Mail eindeutig ab und behauptete, diese Mail gebe es nicht. Nachdem jedoch die Zeitung die Kopie des Mails vorweisen konnte, musste der Präsident des Bergführerverbandes wohl oder übel zurückkrebsen. Damit verlor er seine Glaubwürdigkeit. Bei der Krisen - Kommunikation gilt bekanntlich ein wichtiger Grundsatz:

Alles was Du sagst, muss wahr sein. Aber nicht alles was wahr ist, muss gesagt werden.


Bei diesem Unglück gibt es Aussagen und Gegenaussagen, viele Fragen sind immer noch offen. Auch die Militärjustiz wäre gut beraten gewesen, nichts verlauten zu lassen, bis alles geklärt ist. Sie veröffentlichte vorschnell eine mutmassliche Version des Absturzes, obschon der Sachverhalt noch nicht definitiv geklärt worden ist.

Fazit: Wer nach Unglücksfällen kommunizieren muss, darf nie vermuten, interpretieren, sondern muss immer nur das mitteilen, was belegt werden konnte oder nur darüber informieren, wer, was untersucht.


Quelle: SF Tagesschau vom 18. Juli, 2007
Nachtrag vom 21. Juli, 2007:

Medien wollen mit gestochen scharfen Detailaufnahmen und Experten der Wahrheit des Todesdramas mit eigenen Recherchen auf die Spur kommen.

SF Tagesschau vom 18. Juli, Armin Oerli, Bergunfall Experte ist überzeugt, dass es ein Schneebrett war.


Auch der Kommentar NZZ am Sonntag deckt sich mit unserer Analyse. Nachtrag vom 22. Juli, 2007

Der Pressespiegel der Sonntagszeitungen zum Bergdrama teilen unsere Analyse: Die Medienarbeit der Armee verwirrte. Das mangelhafte Medienmanagement des VBS hatte zur Folge, dass in der Öffentlichkeit die Widersprüche diskutiert wurden. Neu wurde von der Sonntagzeitung auch noch herausgefunden, dass das VBS die Meldung vom Lawinentod der sechs Armeeangehörigen ohne Rücksprache mit den Überlebenen verbreitet hatte.


Nachtrag vom 28. Juli 2007: Nachlese

Die Medienmitteilung vom 28. Juli in espace.ch deckt sich ebenfalls voll und ganz mit unseren Beobachtungen:

"Enttäuschend ist der Auftritt der Armee. Gewiss ist die Kommunikation nach einem tragischen Unfall, wenn alle möglichst rasch alles wissen wollen, nicht einfach. Statt Klarheit zu schaffen, verstrickt sich die Armee aber in Widersprüche. Statt offen zu sagen, was man weiss und was nicht, kümmert sich die Armee in erster Linie um ihr Image. Armeechef Keckeis demonstriert bereits einen Tag nach dem Unglück Unfehlbarkeit: Er ist sich "hundertprozentig sicher, dass die Profis ihre Arbeit perfekt gemacht haben". Krisen bieten auch Gelegenheit zur Profilierung. Verteidigungsminister Schmid hat sie genutzt - mit echter Anteilnahme und mit besonnenen Worten. Die Flucht der Armee in ihre alte Abwehrhaltung passt zu ihrem aktuellen Zustand. Zur Kritik, sie sei unprofessionell und unzeitgemäss, kommt die Grundsatzfrage nach der heutigen Aufgabe der Armee. Passieren dann tragische Ereignisse wie dieses an der Jungfrau, ist die Armee in ihrer angeschlagenen Verfassung kaum mehr in der Lage, souverän zu reagieren."




Nachtrag vom 17. August, 2007:

Patrick Sennhat zur Kommunikation des VBS wichtige Punkte beim Namen genannt:
  1. Eine einzige statthafte Äusserung der Armee wäre am Anfang richtig gewesen, nämlich dass der Fall von den dafür zuständigen Stellen genau untersucht werde, und dass es sich aus Respekt allen Betroffenen gegenüber verbiete, voreilige Schlüsse zu ziehen oder gar Vorverurteilungen zu begehen. Über erhobene Untersuchungsresultate informiert danach aussschliesslich die Untersuchungsbehörde, die Verantwortlichen kommentieren allenfalls danach, welche Schlussfolgerungen sie nun für die betroffene Organisation aus den Erkenntnissen ziehen.

    Von Chef-Seite sind in dieser Situation aber Worte der Anteilnahme und der Betroffenheit abgebracht. Und zwar, nachdem die obersten Verantwortlichen den persönlichen Kontakt zu den Angehörigen hergestellt haben, im besten Falle von Angesicht zu Angesicht. Es reicht nicht, den Angehörigen über die Medien das Beileid auszusprechen. Dieser Punkt ist zentral und letztlich nicht nur eine Frage, ob das Kommunikationshandwerk beherrscht wird, sondern auch Ausdruck von Charakter und Leadership. Was geschieht, wenn der Kommunikation mit den Direktbetroffenen die erforderliche Priorität nicht eingeräumt wird? Im BLICK vom 12. Juli 2007 oder in der "Schweizer Illustrierten" vom 14. Juli 2007 erheben die Angehörigen eines Opfers schwere Vorwürfe gegen die Armeeführung.
  2. Bei allen Forderungen nach schneller(er) Information von Untersuchungsresultaten. Leadership zeigt auch, wer nicht bei jedem Druck gleich nachgibt. Dass in einem Fall wie dem vorliegenden zum Teil wahnwitzige Forderungen gestellt werden, gehört heute zu den Medienrealitäten (ein Beispiel dafür war die Forderung des "Tages-Anzeigers", die Armeeführung hätte die zwei in der Kritik stehenden Bergführer an der Medienkonferenz Rede und Antwort stehen lassen sollen...)
  3. Gerade in Krisensituationen besteht ein hoher Kommunikations- und Koordinationsbedarf. Das heisst für die Kommunikationsprofis, dass sie das Heft von der ersten Sekunde an in die Hand nehmen müssen. Das verlangt von ihnen Leadership, aber auch eine hohe fachliche Qualifikation und die Fähigkeit, strategisch denken zu können. Für die Organisation selbst muss eine Lehre sein, dass die so qualifizierten Kommunikationsprofis ganz oben in der Hierarchie angesiedelt sein müssen, um auch den notwendigen Durchgriff innerhalb der Organisation zu haben. Das alles nützt aber noch nichts, wenn die Führungskräfte an der Spitze sich nicht an die Empfehlungen oder Weisungen der professionellen Kommunikatoren halten. Rang hin oder her.


Nachtrag vom 4. Oktober 2007: Zwischenbilanz bei den Ermittlungen Zum Bergunfall an der Jungfrau mit sechs Toten hat die Militäjustiz ein Untersuchungsresultat präsentiert. Gegen zwei Bergführer wird jetzt wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.


Nachtrag vom 21. November 2007: Luc Fellay als Kommandant Heer abgesetzt Laut "Tagesanzeiger online" muss Luc Fellay abtreten, nachdem er vom Armeechef Christophe Keckeis öffentlich desavouiert worden war. Offenbar sei er der Aufgabe nicht mehr gewachsen gewesen.

Zitat: Gestern bekam Fellay die Folgen seiner Versäumnisse zu spüren: Der Bundesrat setzte den Korpskommandanten auf Ende Jahr ab und ernannte ihn gleichzeitig zum "Special advisor to the director" am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik. Seinen Posten übernimmt der 52-jährige Freiburger Dominique Andrey, bisher Chef Personelles der Armee. Andrey ist diplomierter Bauingenieur und Doktor der technischen Wissenschaften der ETH Lausanne. Er gehört seit 1987 dem Instruktionskorps an und wird nun zum Korpskommandanten befördert. Für den bald 60-jährigen Fellay bedeutet die Absetzung ein bitteres Karrierenende. Nach gut vier Jahren an der Spitze des Heeres und nur zwei Jahre vor seiner Pensionierung muss der umgängliche Unterwalliser seinen Hut nehmen. Noch im Frühjahr war er als Keckeis-Nachfolger im Gespräch gewesen. Vor allem Bundesrat Pascal Couchepin soll ihn favorisiert haben. Fellay unterlag schliesslich dem erst 48-jährigen Roland Nef, der auf den 1. Januar 2008 auf Keckeis folgt.

"Der Entscheid ist keine Strafaktion", sagte Verteidigungsminister Samuel Schmid gestern vor den Medien. Fellay habe eine schwierige Phase des Armeeumbaus mitgestaltet, wobei es "hie und da zu Problemen" gekommen sei. Seine Versetzung nach Genf habe zu tun mit dem Generationenwechsel im höchsten Armeekader. Dabei sei auf die Bildung eines "stimmigen Teams" zu achten, sagte der Verteidigungsminister. Weitere Personalentscheide würden folgen.


Uns fiel auf, dass das Wirken Fellays von Bundesrat Schmid mit keinem Wort gewürdigt wurde. Der Kommandant Heer, Luc Felley, wurde im Zusammenhang mit dem Bergdrama an der Jungfrau hart kritisiert. Er musste damals zugeben, der Armee seien bei der Kommunikation zum Unglück Fehler unterlaufen. Nach unserem Dafürhalten hatte wenige Stunden nach dem Unglück auch Christophe Keckeis kommunikativ versagt. Ohne den Sachverhalt zu kennen räumte er ein, das Kader habe alle 100 prozentig richtig gemacht.




Nachtrag vom 26. November 2007 Die Angehörigen bekommen die ersten Zahlungen.




Nachtrag vom 22. Dezember 2007

Keckeis wird mit einer Strafanzeige konfrontiert.



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