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Mehr als ein halbes Jahrzehnt nach dem "Swissair Grounding" kommt
die grösste Firmenpleite der Schweizer Wirtschaftsgeschichte
vors Gericht. Die ehemalige Führungsriege muss sich vor dem
Bezirksgericht Bülach wegen ungetreuer Geschäftsführung,
Gläubigerschädigung und Misswirtschaft verantworten. Der
Prozess soll klären, ob es neben unternehmerischen Fehlern,
auch strafrechtliche Tatbestände gab. Auf der Anklagebank sind neben
den beiden letzten Swissair-Konzernchefs Philippe Bruggisser und
Mario Corti auch Swissair-Aufsichtsräte wie
Ex-Credit-Suisse-Chef Lukas Mühlemann, Holcim-Aufsichtsrat
Thomas Schmidheiny, Privatbankier Bénédict Hentsch
und Andres Leuenberger, einst Vorsitzender
des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, sowie freisinnige Spitzenpolitiker
wie Vreni Spoerry oder Eric Honegger.
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Es ist eine irrige Meinung, dass jemand der schweigt, nichts sage.
Mit seinem Schweigen sagt er etwas aus. Der ersten Tag der
Gerichtsverhandlungen in Sachen Swissair kam es zu einer Überraschung: Die beiden Angeklagten, Gerhard Fischer und Benedict Hentsch hüllten sich in Schweigen. Beide Ex-Verwaltungsräte der zusammengebrochenen SAir bekräftigten zuerst ihre Unschuld und sagten aber nachher nichts mehr. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich warf Fischer und Hentsch Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung, sowie ungetreue Geschäftsbesorgung vor. Konkret ging es dabei um die Restrukturierung der Airline-Tochter SAirLines und um die Beteiligung bei der belgischen Fluggesellschaft Sabena. Die Restrukturierung sei vorgenommen worden, obwohl die Verwaltungsräte Kenntnis vom desolaten finanziellen Zustand der SAirLines hatten und es sich nicht um eine betriebswirtschaftliche Sanierung gehandelt habe. Der Schaden für die Gläubiger wurde auf 1'177 Milliarden Franken beziffert. |
Bei der kriselnden Sabena hätten die Verwaltungsräte einer
Finanzspritze von 150 Millionen Franken zugestimmt, obwohl sie um die
finanzielle Lage der Gesellschaft gewusst hätten. Zudem sei der
Anteil an der Sabena aufgestockt worden - im Wissen darum, dass Sabena
statt Aktien lediglich Partizipationsscheine ausgeben würde und
diese dazu praktisch wertlos gewesen seien. Zu diesen beiden Anklagepunkten und zur Hunter-Strategie der Swissair wurden die beiden ersten Angeklagten akribisch befragt. So fragte beispielsweise Richter Fischer den Angeklagten Fischer etwa, ob ihm angesichts der Zahlen zur finanziellen Lage der Sabena nicht "die Alarmglocken geläutet" hätten. Fischer schwieg und schweig. Auch zu allen anderen Fragen zur Anklage. Hentsch tat dasselbe. Er schwieg eisern. Angesichts der Komplexität des Themas - aber auch im Hinblick auf hängige Zivilprozesse - wolle er vor Gericht keine Aussage zur Sache machen, sagte Panalpina-Verwaltungsratspräsident Gerhardt Fischer dazu. Vielleicht ist Schweigen doch GoldWir sahen früher einmal einen Krimi. Da riet der Rechtsanwalt dem Angeklagten: "Schweigen Sie - aber konsequent! Sie haben das Recht dazu! Wenn Sie konsequent schweigen, sagen Sie kein einziges falsches Wort. Bedenken sie, wenn Sie schweigen, muss Ihnen alles bewiesen werden können. Das hat das Gericht nicht gern. Mit Schweigen fahren Sie sicher besser. Sie werden es dann schon sehen." Im Krimi ging damals die Rechnung des Rechtsanwaltes auf.Wir gehen davon aus, dass das Schweigen der ehemaligen Swissair- Verwaltungsräte ihr Schweigen vorgängig ebenfalls mit ihren Anwälten abgesprochen hatten. Ob sich wohl die nächsten Angeklagten wiederum der ungewohnten Schweigerhetorik bedienen werden? Beim Schweigen gilt für mich der Kommunikationsgrundsatz: Wer schweigt, sagt damit auch etwas aus. |
Nachtrag vom 17. Januar 2007: Die Schweige-Rhetorik geht weiter Im Swissair-Prozess haben auch am zweiten Tag vor dem Bezirksgericht Bülach die angeklagten ehemaligen Verwaltungsräte Andres F. Leuenberger und Antoine Höfliger die Aussage ebenfalls verweigert. Der Gag mit der "Schweige Taktik" scheint einen Dominoeffekt ausgelöst zu haben. Jedenfalls geht die Schweigerhetorik weiter. Obwohl sich die Aussageverweigerung auf die Urteile positiv auswirken könnte, wird dies vom Publikum gar nicht positiv aufgenommen. Wir haben bereits verschiedene Echos erhalten, die durchblicken lassen: Diese Angeklagten sind feige. Sie haben gewiss viel zu verbergen. Auch für Jugendliche sind die angeklagten Manager kein gutes Vorbild. Alle wissen, die haben bekanntlich die besten Anwälte. Wenn sich nun das Schweigen lohnt, werden sich Kriminelle künftig sagen: Wir werden ebenfalls kein Wort mehr sagen. Denn: Schweigen lohnt sich bestimmt! |
Nachtrag vom 18. Januar: Mauer des Schweigens gebrochen
Als erster von bisher sechs befragten Ex-Verwaltungsratsmitgliedern
der SAirGroup hat Thomas Schmidheiny vor Gericht zu
den Anklagepunkten Stellung bezogen. Ein Zitat vom "Bund" vom Donnerstag: "Bei den Schaulustigen kommt das Schweigen naturgemäss nicht gut an weder bei den Journalisten noch bei den Gelegenheitszuschauern. Doch Schaulustige sind keine Richter. Die Stammtischmeinung, wonach die Aussageverweigerung auf Schuld hindeute, fand zwar auch den Weg in die Medien, doch mit der Realität und mit dem Urteil des Gerichts muss das nichts zu tun haben." |
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