Wie sag ich's meinem Chef?
von Peter Ilg, 20. Juni 2008 Quelle.
Viele Menschen trauen sich nicht, ihren Chef auf Fehler aufmerksam zu
machen. Dieser könnte ja beleidigt reagieren, mit unangenehmen
Konsequenzen für den Kritiker.
Also sagen viele nichts und schlucken den Ärger runter. Kritisch wird
es, wenn der Mitarbeiter Schaden davon nehmen könnte. Spätestens
dann sollte er sich wehren - sich dabei aber an Regeln halten.
Die Hälfte der Angestellten ist unzufrieden mit ihrem Chef
Das Marktforschungsinstitut Forsa wollte wissen, wie es in Deutschland
um das Verhältnis von Chefs und Mitarbeitern bestellt ist und
stellte mehr als 700 Angestellten die Frage: Wie stellen Sie sich ihren
Traumchef vor?
96 Prozent der Befragten wünschten sich einen Vorgesetzten, der
mit Kritik umgehen könne. Das ist der höchste Wert aller
Angaben, dicht gefolgt von Belastbarkeit (95 Prozent), Konsequenz und
Zuverlässigkeit (94 Prozent), gute Fachkenntnisse (92 Prozent)
und Offenheit und Verständnis (86 Prozent).
Ansprüche werden nicht erfüllt
Mitarbeiter stellen also hohe Ansprüche an ihre Vorgesetzten -
und nur etwa die Hälfte kann sie erfüllen. Denn nach einer
Befragung der Initiative "Neue Qualität der Arbeit" ist nur jeder
zweite Arbeitnehmer mit der sozialen und fachlichen Unterstützung
durch seinen Chef zufrieden. Anders ausgedrückt: die Hälfte der
Beschäftigten haben an ihrem Vorgesetzten etwas auszusetzen. Nur:
wie sagt man das seinem Chef und in welchen Fällen darf man ihn
kritisieren?
"Der Arbeitnehmer kann natürlich in den Fällen seine Kritik
äussern, in denen er dazu aufgefordert wird", weiss Nadine
Mattausch aus dem Ressort Arbeitsrecht der IG-Metall in Frankfurt am
Main. Meist geschieht das in Form von anonymisierten Fragebögen,
die im Unternehmen verteilt werden, um etwa die Mitarbeiterzufriedenheit
festzustellen.
Mitarbeiter sollten Kritik äussern
"Weiterhin gibt es Situationen, in denen der Arbeitnehmer
Kritik äussern darf und auch sollte", meint die Frau von der
Gewerkschaft. Dies kann beispielsweise das direkte Verhältnis
zwischen Arbeitnehmer und Vorgesetztem betreffen. In solchen Fällen
rät sie, das Vier-Augen-Gespräch zu suchen.
Wenn ein Treffen unter vier Augen nicht möglich ist, kann
ein Betriebsratsmitglied dabei sein. Erst wenn dieses Gespräch
ergebnislos verlaufen ist, sollte die nächst höhere Instanz
eingeschaltet werden. Dazu zählt die Möglichkeit, sich beim
Betriebsrat zu beschweren, wenn sich ein Arbeitnehmer benachteiligt oder
ungerecht behandelt fühlt.
Aus einer Beschwerde dürfen keine Nachteile entstehen
"Falls die Beschwerde begründet ist, muss der Arbeitgeber die Ursache
abstellen", so Mattausch. Dass dem Arbeitnehmer aus seiner Beschwerde
keine Nachteile entstehen dürfen, ist im Betriebsverfassungsgesetz
geregelt.
Die Äusserung von Kritik kann allerdings unter bestimmten
Umständen zu einer berechtigten Kündigung führen - sowohl
beim Vorgesetzten als auch beim Beschäftigten. Denn beide sind zur
gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. "Ob eine Verletzung
dagegen vorliegt, entscheiden Form und Inhalt der Äusserung",
weiss Mattausch. Schmähkritik, also reine Verunglimpfung und
Formalbeleidigungen wie "Idiot" gehören zweifelsfrei dazu. Doch
das muss nicht sein.
Vorhersehbaren Schaden abwenden
Für den Schweizer Kommunikationsexperten Marcus Knill gibt es zwei
Gründe, die eine Kritik am Chef rechtfertigen: Wenn es der Sache
dient und wenn dem Arbeitnehmer durch das Verhalten des Vorgesetzten
Schaden droht. "Dann muss man sich wehren", sagt er. Doch Kritik tut weh -
ob sie nun den Mitarbeiter oder den Chef trifft.
Aber: "Mit der richtigen Vorbereitung, und dem richtigen Ton kann man
dem Chef ruhig widersprechen oder ihn auf Fehler aufmerksam machen",
davon ist Knill überzeugt. Im Gespräch komme es darauf an,
die Kritik richtig zu verpacken und einige Grundregeln der Kommunikation
zu beachten. Hier die zehn wichtigsten Tipps des Schweizers:
- Kritik immer mündlich vorbringen. Ein verbreiteter Fehler
ist, dass
schriftlich kritisiert wird.
- Nicht zu lange mit der Kritik warten. Der beste Zeitpunkt zu einem
Gespräch ist kurz nach dem Vorfall, wenn die Betroffenen Zeit
haben und niemand unter Druck steht. Reagieren Sie nie spontan auf
kritikwürdige Vorfälle. Der innere Abstand ist wichtig,
damit Emotionen nicht dominieren.
- Bereiten Sie sich stets gut vor. Sammeln Sie erst Argumente, mit
denen die Kritik untermauert werden kann. Das Kritikgespräch soll
immer unter vier Augen und wenn möglich an einem ungestörten
Ort stattfinden. Stimmen Sie sich vor dem Gespräch positiv ein
und halten Sie Blickkontakt.
- Das Konfliktgespräch nicht mit Vorwürfen beginnen. Zeigen
Sie, dass
es Ihnen um die Verbesserung einer Situation geht. Nie rechthaberisch,
überheblich, verallgemeinernd, interpretierend oder drohend
argumentieren. Menschen, die sich persönlich angegriffen
fühlen, reagieren auf Kritik negativ.
- Beschreiben Sie die Fakten konkret, indem sie das Beispiel genau
schildern. Die Sache und nicht die Person ist wichtig. Bleiben Sie
objektiv und sachlich. Gefühlsausbrüche sind tabu.
- Wenn Sie den Kritikpunkt - ohne Umschweife - in 30 Sekunden auf den
Punkt bringen, so können Sie kaum unterbrochen werden. Das muss
jedoch geübt werden.
- Fragen Sie nach, wie der Kritisierte die Sache sieht. Gehen Sie auf
die Argumente des Gesprächspartners ein. Hören Sie zu.
- Sie dürfen auch offen sagen, wie Sie die beanstandete Situation
erlebt haben. Das sind die sogenannten Ich - Botschaften.
- Bieten Sie flexible Lösungen zum Problem an. Machen Sie die
Vorteile Ihrer Lösung bewusst.
- Beenden Sie das Gespräch positiv und mit einer freundlichen
Geste, zum Beispiel mit einem Dank für das Verständnis.
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