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www.rhetorik.ch aktuell: (3. Mai 2003)

Kumpanei zwischen Politik und Fernsehen?



Rasmussen Eine TV-Reportage über Dänemarks Premierminister Anders Fogh Rasmussen zeigt, dass manchen Politikern die eigenen Inszenierungen wichtiger sind als deren politische Folgen. Rasmussen war vom Filmemacher Christoffer Guldbrandsen während der dänischen EU-Präsidentschaft begleitet worden. Die "Schlüsselloch-Reportage" hatte Erfolg, ist jedoch letztlich perfid und kontraproduktiv.


Eine sonderbare Form öffentlicher Diplomatie des dänischen Premierministers Anders Fogh Rasmussen wurde von den Medien erstaunlich gleichmütig zur Kenntnis genommen, obwohl es in diesem Fall um eine seltsame Praxis von Kumpanei zwischen Politik und Fernsehen gegangen war.
Vergangene Woche zeigte der öffentliche dänische Sender eine fragwürdige Dokumentation über den Regierungschef: Während dreier Monate begleitete ein Fernsehjournalist den Politiker. Dieser liess sich ein verstecktes Mikrofon an seiner Kleidung anbringen.
Aus verschiedenen Gründen sind diese "Schlüsselloch-Reportagen" perfid. Die Aufzeichnungen wie auch die auszugsweise Ausstrahlung der Aussagen aller Gesprächspartner erfolgte ohne deren Einwilligung. Der journalistische Kodex verbietet derlei Maulwurfpraktiken. Auch im privaten Bereich müssen Betroffene immer über allfällige Aufzeichnungen orientiert werden. Bei den zum Teil peinlichen Aufzeichnungen - wie bei der beliebten Sendung "Versteckte Kamera" - darf keine Szene ohne Einwilligung ausgestrahlt werden.
Es ist verständlich, dass der "Schlüsselloch-Reporter" dank seiner illegalen Methode Aussagen erhielt, die sonst öffentlich nie geäussert worden wären. Opfer der "Schlüsselloch-Attacken" waren:

Rassmussen mit Chirac
  • Frankreichs Präsident Chirac, der unverblümt und offen über die Schwierigkeiten mit den fanzösischen Bauern sprach.
  • Deutschlands Aussenminister Fischer machte ungünstige Bemerkungen über die türkische EU-Mitgliedschaft.
  • Präsident Putin verglich Journalisten unverblümt mit Banditen. Im Grunde genommen hatte er eigentlich hinsichtlich den "Schlüsselloch-Reportern" gar nicht so unrecht. Doch ging es bei ihm nicht um derartige unfaire Praktiken.
Rassmussen mit Putin


Verständlicherweise amüsierten sich viele Medienkonsumenten und fanden die pikanten Äusserungen recht unterhaltsam. Die heimlichen Aufnahmen waren gleichsam ein Kontrastprogramm zu den schwammmigen, offiziellen politischen Aussagen. (Siehe Airbagrhetorik. Reden und nichts sagen.
Schadenfreude war seit jeher eine der grössten Freuden. Medien verstehen dieses Bedürfnis auszukosten. (Siehe dazu die Beiträge Gesprächsunkultur, Big Brother, Superstar).
Politische Verlautbarungen basieren oft auf Täuschungen. Doch kann diese übliche Täuschung nicht mit einer erneuten Täuschung zu einer angestrebten Ent-Täuschung (Offenlegung der Täuschung) führen. Wer glaubt, mit perfiden Mitteln könnte das wahre Gesicht der Politik zum Vorschein kommen, wird - im herkömmlichen Sinn des Wortes - enttäuscht bleiben. Nur inoffizielle, echte Dialoge bringen uns weiter. Offene Kommunikation hat nichts mit Hinterhältigkeit zu tun. Die Kumpanei des dänischen Premierministers mit den sonst so gefürchteten Medien entspricht im Grunde genommen einem Verhaltensmuster, das wir eher von Berlusconi erwartet hätten.


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