Eine sonderbare Form öffentlicher Diplomatie
des dänischen Premierministers Anders Fogh Rasmussen wurde
von den Medien erstaunlich gleichmütig zur Kenntnis
genommen, obwohl es in diesem Fall um eine seltsame
Praxis von Kumpanei zwischen Politik und Fernsehen gegangen war.
Vergangene Woche zeigte der öffentliche dänische
Sender eine fragwürdige Dokumentation über den Regierungschef:
Während dreier Monate begleitete ein Fernsehjournalist den Politiker.
Dieser liess sich ein verstecktes Mikrofon an seiner Kleidung anbringen.
Aus verschiedenen Gründen sind diese "Schlüsselloch-Reportagen"
perfid. Die Aufzeichnungen wie auch die auszugsweise Ausstrahlung der Aussagen aller
Gesprächspartner erfolgte ohne deren Einwilligung. Der journalistische
Kodex verbietet derlei Maulwurfpraktiken. Auch im privaten Bereich
müssen Betroffene immer über allfällige Aufzeichnungen
orientiert werden. Bei den zum Teil peinlichen Aufzeichnungen - wie bei der
beliebten Sendung "Versteckte Kamera" - darf keine Szene ohne Einwilligung
ausgestrahlt werden.
Es ist verständlich, dass der "Schlüsselloch-Reporter" dank
seiner illegalen Methode Aussagen erhielt, die sonst öffentlich
nie geäussert worden wären. Opfer der "Schlüsselloch-Attacken"
waren:
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- Frankreichs Präsident Chirac, der unverblümt und offen
über die Schwierigkeiten mit den fanzösischen Bauern sprach.
- Deutschlands Aussenminister Fischer machte ungünstige
Bemerkungen über die türkische EU-Mitgliedschaft.
- Präsident Putin verglich Journalisten unverblümt mit Banditen.
Im Grunde genommen hatte er eigentlich hinsichtlich den
"Schlüsselloch-Reportern" gar nicht so unrecht. Doch ging es bei ihm nicht
um derartige unfaire Praktiken.
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Verständlicherweise amüsierten sich viele Medienkonsumenten
und fanden die pikanten Äusserungen recht unterhaltsam.
Die heimlichen Aufnahmen waren gleichsam ein Kontrastprogramm zu den
schwammmigen, offiziellen politischen Aussagen.
(Siehe Airbagrhetorik.
Reden und nichts sagen.
Schadenfreude war seit jeher eine der grössten Freuden.
Medien verstehen dieses Bedürfnis auszukosten.
(Siehe dazu die Beiträge
Gesprächsunkultur,
Big Brother,
Superstar).
Politische Verlautbarungen basieren oft auf Täuschungen. Doch kann diese
übliche Täuschung nicht mit einer erneuten Täuschung zu einer angestrebten
Ent-Täuschung (Offenlegung der Täuschung) führen.
Wer glaubt, mit perfiden Mitteln könnte das wahre Gesicht der Politik zum
Vorschein kommen, wird - im herkömmlichen Sinn des Wortes - enttäuscht
bleiben. Nur inoffizielle, echte Dialoge bringen uns weiter.
Offene Kommunikation hat nichts mit Hinterhältigkeit zu tun.
Die Kumpanei des dänischen Premierministers mit den sonst so gefürchteten
Medien entspricht im Grunde genommen einem Verhaltensmuster, das wir eher
von Berlusconi erwartet hätten.
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