Eine weitere Geschichte belastet die Zürcher Stadtpolizei.
Die Medien erfuhren von der Polizeivorsteherin Esther Maurer
von Vorwürfen gegen die Kripochefin Silvia Steiner:
Der Mann der Kriminalkommissärin Steiner, Hanspeter Steiner,
hatte im Januar angetrunken einen Verkehrsunfall verursacht. Es wird nun
vermutet, dass die Chefin der Kriminalpolizei Silvia Steiner
versucht haben soll, die Polizei auf der Unfallstelle aus dem
Spiel zu halten, um ihren Mann zu schützen.
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Philipp Hotzenköcherle, der Kommandant der Stadtpolizei
Zürich, stellte in Abrede, man habe diesen Vorfall
vom 9. Januar 2002 vertuschen wollen. Dagegen spreche allein
schon die Tatsache, dass man eine neutrale Person für die
Administrativuntersuchung suche. Esther Maurer erklärte, sie
habe zuerst die mündlichen Vorwürfe klären müssen
und die Vorwürfe in schriftlicher Form verlangt. Am 22. April,
drei Wochen nach dem anonymen Telefonanruf vom Ende Mai, habe Maurer
diesen Bericht erhalten und danach am 23. April eine
Administrativuntersuchung eingeleitet. Im Beschwerdebrief habe
die Polzeivorsteherin noch erfahren, dass die Verfasserin
bereits eine Anfrage von einem "Sonntags-Blick"-Journalisten
gehabt hatte.
Im guten Glauben, die Angelegenheit nicht in der Öffentlichkeit
breitzuschlagen, bevor eine saubere Untersuchung vorliegt,
verzichtete Maurer hierauf auf eine Medienorientierung und
überliess dem "Sonntags Blick" diesen Primeur.
Aus unserer Sicht war dies ein Fehler:
Wenn jemand der Presse Unterlagen über einen Unfall zukommen lässt,
(auch wenn es eine Mandatsgeheimnisverletzung ist), so müssten die Medien
unverzüglich proaktiv informiert werden. Es muss z.B. gesagt werden:
- Was unternommen wird.
- Wann später informiert wird.
- Über was jetzt nichts gesagt werden kann.
- Weshalb nicht mehr gesagt werden kann.
Die Polizeichefin glaubte in guten Treuen zu handeln.
Sie wollte nicht, dass eine Kaderperson durch Medienmobbing
ungerechtfertigt abgeschossen werden kann, bevor alles
geklärt ist.
Bei der Krisenkommunikation darf aber nicht zugewartet
werden, bis die Presse das Szepter in die Hand genommen hat.
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Esther Maurer hatte rechtzeitig, d.h. zwei Tage vor dem Erscheinen des
"Sonntagsblicks" erfahren, dass die Geschichte gross aufgemacht in der
Sonntagszeitung erscheinen wird. Die Polzeivorsteherin wurde nämlich
am Freitag um eine Stellungnahme gebeten. Auf die Frage, warum sie nicht
selbst als Erste an die Medien gelangt sei, antwortete Maurer in einem
Interview im Tages-Anzeiger vom 11. Juni:
"Ich wusste ja, dass die Medien von diesem Vorfall Kenntnis hatten.
So hätte ich höchstens den andern Medien eine Freude gemacht,
indem ich einen "Primeur" durch die vorgezogenen Medienmitteilung
vereitelt hätte."
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Wir meinen: Hätte die Polizeichefin alle Medien gleichzeitig
informiert, wäre der Druck reduziert worden. Beim Krisenmanagement
darf man sich nie durch die Medien steuern lassen. Es gilt das Prinzip:
Alle Medien werden gleich behandelt!
Uns erstaunt es heute, dass die Polzeichefin dem "Sonntagsblick"
die Führung überliess und erst nachher informierte.
In Krisen sind reaktive Informationen immer unvorteilhafter als das
proaktive Verhalten. Immer wieder unterstrich Maurer:
"Ich muss nicht die Öffentlicheit herstellen, sondern
erst die Sache sauber abklären."
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Nochmals:
Wer führt, muss sowohl Öffentlichkeit herstellen
als auch alles sauber abklären. Beider ist wichtig!
Informieren will aber nicht heissen, Vermutungen weiterzugeben
oder Teilwahrheiten kolportieren.
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Das ungeschickte Verhalten von Esther Maurer
ist erklärbar, weil sie früher am eigenen Leib
die mediale Vorverurteilung erlebt hatte. Sie
bestätigt, dass sie in dieser Hinsicht ein
"gebranntes Kind" ist:
"Es gab in letzter Zeit viele Medienberichte, in denen
ich verurteilt und diskreditiert wurde, ohne dass die Journalisten
bei mir angefragt hätten. Der "Sonntagsblick" gab mit Gelegenheit
zur Stellungnahme. Und das habe ich geschätzt."
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Die Emotionen, die Vorgeschichte und vor allem das persönliche
Erlebnis beeinflussten das Verhalten der Politikerin wesentlich.
Deshalb:
Da in Krisensituationen der Mensch Beeinflussungsmechanismen erliegt
und oft spontan reagiert, ist es in schwierigen Situationen
besonders wichtig, ein Stop-Signal zu setzen:
Übersicht gewinnen: | Erst denken, abklären, die Zusammenhänge sehen.
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Druck reduzieren: | Externen Rat einholen und proaktiv informieren.
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Die Polzeivorsteherin scheint etwas gelernt zu haben:
So meint Esther Maurer heute zu ihrer Informationspolitik:
"Wir wollen in Zukunft über solche Vorfälle schneller
informieren."
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Der Fall Steiner wird nun von der Staatsanwaltschaft untersucht.
In einem "10 vor 10" Beitrag wurde der Fall Steiner in einem
grösseren Beitrag behandelt. Maurer gab sich selbstsicher.
Eine Panne kam beim Interview zum Vorschein: Maurer antwortete
der Frau, die ihr den Fall beschreiben hatte, vorerst nicht.
Es gibt nun eine heikle Situation für Maurer.
Soll die Kriposchefin Steiner entlassen oder suspendieret werden?
Im Interview gab nun Maurer endlich zu:
Nach den verschiedenen Vorfällen hoffe sie, dass
die Polizei dabei etwas lerne. Dann wurde Maurer konkreter
und kündigte konkrete Schritte an:
- die Schulung von Fahrern solle intensiviert werde, um
Unfälle zu verhindern.
- Da bei der Information zu lange zugewartet wurde
und vor allem spät reagiert wurde, werde künftighin
rascher informiert und der Informationsfluss innerhalb
der Kantonspolizei verbessert.
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Nachtrag 13. Juni :
Am Mittwoch 12. Juni wurde die Chefin der Zürcher Kriminalpolizei
ab sofort und bis auf weiteres vom Dienst suspendiert. Der Grund ist
ein "gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen der politschen und
polizeilichen Führung einerseits und der Chefin der Kriminalpolizei anderseits".
Silvia Steiner's bisheriger Stellvertreter Bernhard Waser übernimmt
im Moment die Leitung der Stadtpolizei. Der Tagesanzeiger vom 13. Juli
kommentiert die Informationspolitik von Esther Maurer wie folgt:
"Esther Maurer fehlten Rezepte für die Bewährung von
Krisensituationen. Sie scheint auch bei der Kommunikation nach aussen nicht
gut beraten worden zu sein. Esther Maurer hatte genügend Zeit,
sich Massnahmen zu überlegen. Doch sie zog es vor, auf den
Eclat zu warten. Ihr verspätetes hartes Durchgreifen
könnte als Zeichen der Stärke gedeutet werden, doch ihre
Zögerlichkeit beweist genau das Gegenteil."
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Der Umgang Maurers mit der Öffentlichkeit macht einmal mehr deutlich,
dass sich jede Führungspersönlichkeit mit Krisensituationen
auseinandersetzen muss, wenn die Krise noch nicht ausgebrochen ist.
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Esther Maurer wird noch länger an ihrem Verhalten zu kauen haben.
Es ist denkbar, dass angebliche Mängel im Umgang mit den Medien
schwerwiegendere Folgeschäden nach sich ziehen können.
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