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www.rhetorik.ch aktuell: (ab 11. Juni 2002)


Esther Maurer und die Medien (II)

( Fortsetzung von Teil I )

Silvia Steiner Eine weitere Geschichte belastet die Zürcher Stadtpolizei. Die Medien erfuhren von der Polizeivorsteherin Esther Maurer von Vorwürfen gegen die Kripochefin Silvia Steiner:

Der Mann der Kriminalkommissärin Steiner, Hanspeter Steiner, hatte im Januar angetrunken einen Verkehrsunfall verursacht. Es wird nun vermutet, dass die Chefin der Kriminalpolizei Silvia Steiner versucht haben soll, die Polizei auf der Unfallstelle aus dem Spiel zu halten, um ihren Mann zu schützen. Hanspeter Steiners Unfall

Philipp Hotzenkoecherle Philipp Hotzenköcherle, der Kommandant der Stadtpolizei Zürich, stellte in Abrede, man habe diesen Vorfall vom 9. Januar 2002 vertuschen wollen. Dagegen spreche allein schon die Tatsache, dass man eine neutrale Person für die Administrativuntersuchung suche. Esther Maurer erklärte, sie habe zuerst die mündlichen Vorwürfe klären müssen und die Vorwürfe in schriftlicher Form verlangt. Am 22. April, drei Wochen nach dem anonymen Telefonanruf vom Ende Mai, habe Maurer diesen Bericht erhalten und danach am 23. April eine Administrativuntersuchung eingeleitet. Im Beschwerdebrief habe die Polzeivorsteherin noch erfahren, dass die Verfasserin bereits eine Anfrage von einem "Sonntags-Blick"-Journalisten gehabt hatte.
Im guten Glauben, die Angelegenheit nicht in der Öffentlichkeit breitzuschlagen, bevor eine saubere Untersuchung vorliegt, verzichtete Maurer hierauf auf eine Medienorientierung und überliess dem "Sonntags Blick" diesen Primeur. Aus unserer Sicht war dies ein Fehler:

Wenn jemand der Presse Unterlagen über einen Unfall zukommen lässt, (auch wenn es eine Mandatsgeheimnisverletzung ist), so müssten die Medien unverzüglich proaktiv informiert werden. Es muss z.B. gesagt werden:
  • Was unternommen wird.
  • Wann später informiert wird.
  • Über was jetzt nichts gesagt werden kann.
  • Weshalb nicht mehr gesagt werden kann.
Die Polizeichefin glaubte in guten Treuen zu handeln. Sie wollte nicht, dass eine Kaderperson durch Medienmobbing ungerechtfertigt abgeschossen werden kann, bevor alles geklärt ist.
Bei der Krisenkommunikation darf aber nicht zugewartet werden, bis die Presse das Szepter in die Hand genommen hat.

Esther Maurer hatte rechtzeitig, d.h. zwei Tage vor dem Erscheinen des "Sonntagsblicks" erfahren, dass die Geschichte gross aufgemacht in der Sonntagszeitung erscheinen wird. Die Polzeivorsteherin wurde nämlich am Freitag um eine Stellungnahme gebeten. Auf die Frage, warum sie nicht selbst als Erste an die Medien gelangt sei, antwortete Maurer in einem Interview im Tages-Anzeiger vom 11. Juni:

"Ich wusste ja, dass die Medien von diesem Vorfall Kenntnis hatten. So hätte ich höchstens den andern Medien eine Freude gemacht, indem ich einen "Primeur" durch die vorgezogenen Medienmitteilung vereitelt hätte."


Wir meinen: Hätte die Polizeichefin alle Medien gleichzeitig informiert, wäre der Druck reduziert worden. Beim Krisenmanagement darf man sich nie durch die Medien steuern lassen. Es gilt das Prinzip: Alle Medien werden gleich behandelt! Uns erstaunt es heute, dass die Polzeichefin dem "Sonntagsblick" die Führung überliess und erst nachher informierte. In Krisen sind reaktive Informationen immer unvorteilhafter als das proaktive Verhalten. Immer wieder unterstrich Maurer:

"Ich muss nicht die Öffentlicheit herstellen, sondern erst die Sache sauber abklären."


Nochmals:

Wer führt, muss sowohl Öffentlichkeit herstellen als auch alles sauber abklären. Beider ist wichtig! Informieren will aber nicht heissen, Vermutungen weiterzugeben oder Teilwahrheiten kolportieren.


Das ungeschickte Verhalten von Esther Maurer ist erklärbar, weil sie früher am eigenen Leib die mediale Vorverurteilung erlebt hatte. Sie bestätigt, dass sie in dieser Hinsicht ein "gebranntes Kind" ist:

"Es gab in letzter Zeit viele Medienberichte, in denen ich verurteilt und diskreditiert wurde, ohne dass die Journalisten bei mir angefragt hätten. Der "Sonntagsblick" gab mit Gelegenheit zur Stellungnahme. Und das habe ich geschätzt."

Die Emotionen, die Vorgeschichte und vor allem das persönliche Erlebnis beeinflussten das Verhalten der Politikerin wesentlich. Deshalb:
Da in Krisensituationen der Mensch Beeinflussungsmechanismen erliegt und oft spontan reagiert, ist es in schwierigen Situationen besonders wichtig, ein Stop-Signal zu setzen:

Übersicht gewinnen: Erst denken, abklären, die Zusammenhänge sehen.
Druck reduzieren: Externen Rat einholen und proaktiv informieren.


Esther Maurer Die Polzeivorsteherin scheint etwas gelernt zu haben: So meint Esther Maurer heute zu ihrer Informationspolitik:

"Wir wollen in Zukunft über solche Vorfälle schneller informieren."


Esther Maurer im 10 vor 10 Der Fall Steiner wird nun von der Staatsanwaltschaft untersucht. In einem "10 vor 10" Beitrag wurde der Fall Steiner in einem grösseren Beitrag behandelt. Maurer gab sich selbstsicher. Eine Panne kam beim Interview zum Vorschein: Maurer antwortete der Frau, die ihr den Fall beschreiben hatte, vorerst nicht. Es gibt nun eine heikle Situation für Maurer. Soll die Kriposchefin Steiner entlassen oder suspendieret werden?
Im Interview gab nun Maurer endlich zu: Nach den verschiedenen Vorfällen hoffe sie, dass die Polizei dabei etwas lerne. Dann wurde Maurer konkreter und kündigte konkrete Schritte an:
  • die Schulung von Fahrern solle intensiviert werde, um Unfälle zu verhindern.
  • Da bei der Information zu lange zugewartet wurde und vor allem spät reagiert wurde, werde künftighin rascher informiert und der Informationsfluss innerhalb der Kantonspolizei verbessert.
Nachtrag 13. Juni :
Silvia Steiner suspendiert Am Mittwoch 12. Juni wurde die Chefin der Zürcher Kriminalpolizei ab sofort und bis auf weiteres vom Dienst suspendiert. Der Grund ist ein "gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen der politschen und polizeilichen Führung einerseits und der Chefin der Kriminalpolizei anderseits".
Silvia Steiner's bisheriger Stellvertreter Bernhard Waser übernimmt im Moment die Leitung der Stadtpolizei. Der Tagesanzeiger vom 13. Juli kommentiert die Informationspolitik von Esther Maurer wie folgt:

"Esther Maurer fehlten Rezepte für die Bewährung von Krisensituationen. Sie scheint auch bei der Kommunikation nach aussen nicht gut beraten worden zu sein. Esther Maurer hatte genügend Zeit, sich Massnahmen zu überlegen. Doch sie zog es vor, auf den Eclat zu warten. Ihr verspätetes hartes Durchgreifen könnte als Zeichen der Stärke gedeutet werden, doch ihre Zögerlichkeit beweist genau das Gegenteil."


Der Umgang Maurers mit der Öffentlichkeit macht einmal mehr deutlich, dass sich jede Führungspersönlichkeit mit Krisensituationen auseinandersetzen muss, wenn die Krise noch nicht ausgebrochen ist.


Esther Maurer wird noch länger an ihrem Verhalten zu kauen haben. Es ist denkbar, dass angebliche Mängel im Umgang mit den Medien schwerwiegendere Folgeschäden nach sich ziehen können.


Nachtrag vom 16. Juni: Einmal in den Schlagzeilen - lange in den Schlagzeilen?
Der Pressespiegel über die Vorkommnisse bei der Stadtpolizei Zürich machen deutlich, wie schwer es ist, sich aus dem Zentrum des Medieninteresses zu bewegen. Wir zitieren aus der NZZ vom Sonntag dem 16. Juni 2002:
"Die Rolle von Silvia Steiner bei diesem Unfall war bemerkenswert lange kein Thema. Polizeivorsteherin Esther Maurer erfuhr erst am 22. April davon und ordnete sofort eine Administrativuntersuchung an. Die Strafanzeige wurde aber erst deponiert, als der "Sonntagsblick" die Veröffentlichung der Geschichte ankündigte - also mehr als einen Monat später. Das bringt einen Mitarbeiter der Justiz, der anonym bleiben will, zur spitzen Frage. "Was dieses lange Zuwarten von Esther Maurer mit dem Einreichen einer Strafanzeige nicht ebenfalls eine versuchte Begünstigung?"


Elmar Ledergerber Die Medien hatten während der letzte Woche die Geschichten um den Fall Steiner in ihren Schlagzeilen laufend behandelt. Dies belastet. Solange die Aussagen synchron bleiben und keine News auftauchen, besteht die Möglichkeit, dass sich die Medien auf neue Themen konzentrieren. Hierzu bedarf es jedoch eines Informationsmanagementes. Dass Journalisten bei der jetzigen Kripo Affaire weiter recherchieren, war vorauszusehen. Im "Sonntagsblick" vom 16, Juni wurden nun angeblich neue Fakten gebracht, die der Öffentlichkeit beweisen sollen, dass die Polizeichefs entgegen früherer Behauptungen doch mehr wussten. Auch wurden Kopien von Akten abgedruckt, die zeigen, dass der Mann der Kripochefin mit 3 Promille im Blut den Unfall verursacht hatte. (Die Strassenmessung hatte nur 2 Promille ergeben).
Damit ist für den "Sonntagsblick" klar, dass die Führungspitze der Polizei vom Crash der Ehemanns der Kripochefin gewusst haben musste. Polizeivorsteherin Esther Maurer konnte sich zwar dank der Eingeständnisse von Fehlern im Informationsbereich und mit der Entschuldigung beim Unfallopfer etwas entlasten. Die Gefahr besteht jedoch, dass die Medien sich noch längere Zeit an der Thematik festbeissen.
Es wird interessant sein, weiterverfolgen, ob Maurers These

"Zur Basis eines Krisenmanagementes gehört, zuerst sofort die Pendenzen aufzuschaffen."


Erfolg haben wird. Vielleicht wäre die Polizichefin besser beraten mit der These:
Bevor ein Krise ausgebrochen ist, muss der Informationsfluss koordiniert werden! Die Führung der Information ist genau so wichtig wie das Abbauen von Pendenzen.


Die Analysen und Kommentare der Zürcher Polizeiaffäre liessen die Öffentlichkeit im Glauben, der SP Parteikollege Elmar Ledergerber stehe voll hinter seiner Polzeivorsteherin. Wenn nun der Statdrat und der Stadtpräsident der angeschossenen Kollegin nach aussen den Rücken stärkten, so machen nachträglich verschiedene Beiträge bewusst, dass das Verhätnis von Esther Maurer und Elmar Ledergerber gestört ist. Am 15. Juni sagte der Stadtpräsident in einem Interview des Tagesanzeigers:

"Fehler dürfen gemacht werden.. Aber: Nur einmal!"


Mit dem etwas giftigen Nachsatz meinte er Maurers wiederholte Fehleinschätzungen, Ihr zögerliches Handeln, ihre verspätete, widersprüchliche und damit auch unglaubwürdige Informationspolitik. Drei Mal hat sich Esther Maurer in diesem Jahr den gleichen Fehler geleistet:
  1. Als am 15. März der Einbrecher Kurt von Allmen von Polizisten angefahren wurde (und ein Bein verlor) verstrich bis zur öffentlichen Entschuldigung eine Woche.
  2. Im Fall Eldar S. als den Polzeibeamten unnötige Gewalt vorgeworfen wurde, war Maurer für ihre Mitarbeiter nicht erreichbar. Ihr Sprecher wusste nicht, wo die Polzeichefin in den Ferien war. Nach Wochen holte dann Maurer zu einer Medienschelte aus.
  3. Im Fall Silvia Steiner sprach Maurer zuerst von Mobbing gegen Steiner. Zwei Tage später entzog sie ihr das Vertrauen. Es wurde nur eine interne Untersuchung veranlasst.

Maurers Hauptfehler war stets, nie rechtzeitig die Brisanz der Fälle erkannt zu haben. Dass Ledergerber die wiederholten Pannen den Amtsantritt verdorben haben, ist nachvollziehbar. Maurer sieht das jedoch nicht so. Im Sonntagsblickinterview vom 16. Mai:

Reporter: "Sie kommen gerade von einer Klausur des Stadtrats. Stadtpräsident Elmar Ledergerber sprach von einer Fehleinschätzung Ihrerseits im Fall Steiner. Sehen Sie das auch so?" Esther Maurer: "Der Stadtrat hat das Thema behandelt und hat mir sein Vertrauen ausgesprochen. Ich gebe dazu keine weitere Stellungnahme mehr ab."




Nachtrag, 20. Jun, 2002. Esther Maurer reagiert gelassen auf Kritik.
Trotz Kritik am Führungsstil Maurers und Vorwürfen gegen die Zürcher Stadtpolizei bewahrte die Polizeivorsteherin ruhig Blut. Auch nach zusätzlicher Kritik des Detektivverbands zur Diensteinstellung der Kripo-Chefin Steiner, will Maurer keine öffentliche Diskussion über den Fürungsentscheid führen. Enrico Germann, der Detektivverbandspräsident stellte am 18. Juni von sich aus die Vertrauensfrage. Esther Maurer spürt offenbar keinen Druck von der Basis. Auf eine entsprechende Frage antwortete sie:

"Im Polizeikorps der Stadt Zürich arbeiten rund 1850 Menschen. Von vielen habe ich positive Rückmeldungen bekommen. Aber selbstverständlich gibt es auch kritische Stimmen."


Zur Stimmung im Korps meinte sie:

"Auf Grund der Rückmeldungen habe ich keinen Anlass, auf eine schlechte Stimmung im Korps zu schliessen."




Nachtrag vom 19. Juli: Rehabilitierung von Steiner
Die Administrativuntersuchung bescheinigte der Kripo Chefin Steiner korrektes Verhalten. Trotz dieser Rehabilitation wird Steiner die Stadtpolizei im gegenseitigen Einvernehmen verlassen. Das Strafverfahren wegen versuchter Begünstigung ist noch im Gange. Enrico Germann, der Präsident des Verbandes der Detektive der Stadtpolizei bemängelte, dass in der Pressemitteilung kein Wort des Bedauerens oder der Entschuldigung zu finden sei. Die Suspendierung Steiners sei einmal mehr auf Druck der Medien ausgesprochen worden und habe die Karriere einer Frau zerstört. CVP und SVP kritisieren Esther Maurers Verhalten im Fall Steiner. Der Tagesanzeiger vom 20. Juli beanstandet Esther Maurers Medienverhalten:
  • Indiskutabel sei, dass Maurer ihrer Kripochefin öffentlich am Lokalfernsehen das Vertrauen entzogen habe.
  • Ganz oben in der Polizeiführung sei etwas faul. Christian Traber (CVP) findet, die Suspendierung sei vorschnell und ungerechtfertigt erfolgt.
Esther Maurer wollte zu diesen jüngsten Vorwürfen keine Stellung beziehen da gegenseitiges Stillschweigen vereinbart worden war. Doris Fiala findet, Maurer habe zwar dazu das Recht. Doch liesse sich mit geschickter und offener Kommunikation das Vertrauen in der Öffentlichkeit schneller wiederherstellen. Dass das Schweigen nicht goutiert wird, macht die Äusserung von Markus Schwyn bewusst: "Das Schweigen widerspiegelt Maurers unzulängliche Informationspolitik." Adi Kälin kommentiert das Medienverhalten Maurers mit folgenden Worten: "Warum erklärt uns Maurer nicht die Gründe der Suspendierung? Hat sie nur unter Druck der Medien gehandelt? Bedauert sie dies heute? Gesteht sie Fehler ein? Oder ergreift sie einfach die erstbeste Gelegenheit, um den Fall ad acta zu legen? Wir wissen es nicht. Maurer verweigert sich einer politischen Stellungnahme. Der Tagesanzeiger meint, damit tue Maurer genau das, was sie Steiner vorgeworfen hatte: Sie versteckt sich hinter Paragrafen und Anwälten, statt eine Gesamtwürdigung wenigstens nur zu versuchen. Wenn sie das nicht begreift, erkennt sie weder die Tragweite des Falles, noch beweist sie politisches Fingerspitzengefühl."


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