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www.rhetorik.ch aktuell: (1. Juni 2002)


Mediale Vorverurteilung? - Esther Maurer und die Medien.

( Fortsetzung: Teil II)

Ester Maurer Im Zusammenhang mit harten Vorwürfen gegen die Zürcher Polizei holte die Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer Ende Mai zu einer Medienschelte aus. Nach verschiedenen Übergriffen und Fehlern von Polizeibeamten übte Esther Maurer vehemente Kritik an der "medialen Vorverurteilung" von Polizisten.
In jüngster Zeit führten verschiedene Vorfälle zu Schlagzeilen und wurden danach durch die Medien thematisiert.
  • Eldar S. Im Zentrum der Kritik stand der Fall "Eldar S." Der 20-jährige Bosnier machte geltend, er sei Ende April bei einer Festnahme ohne Grund von zwei Polizisten spitalreif geschlagen worden.
  • Auch im Fall "Goran D." sei die Polizei unverhältnismässig vorgegangen. Der Polizeikommandant Philipp Hotzenköcherle meinte zu diesem Fall: Abklärungen hätten ergeben, dass den Polizisten kein Vorwurf gemacht werden könne. Doch werde mit den Polizisten während der nächsten Tage ein persönliches Gespräch geführt.
  • In weiteren Fällen ging es um den Einsatz eines Wasser-Tränengasgemisches, das zu massiven Körper-Verätzungen geführt haben soll und um unverhältnismässige Übergriffe der Stadtpolizei auf Medienschaffende.
  • Als "tragische Vorfälle" taxierte die Polizei Fehlleistungen von Polizeibeamten beim Autofahren, die dazu führten, dass einem Passanten ein Bein amputiert werden musste und ein anderer starb.


Elmar Ledergerber Der neue Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber unterstützte die Polizeivorsteherin. Für ihn sei die Stadtpolizei keine "Rambotruppe". Doch hätten die Vorfälle zu einem Vertrauensverlust der Polizei gegenüber der Öffentlichkeit geführt. Er appellierte, die hängigen Untersuchungen schnell abzuklären. Es laufen zur Zeit Strafuntersuchungen gegen Polizisten.
Aus unserer Sicht hätte Esther Maurer nicht so lange zuwarten dürfen. Die Medien konnten die Fälle allzulange selbst bearbeiten. Über Wochen wurden der Bevölkerung Aussagen und Bilder von Opfern vermittelt. Esther Maurer wird jetzt zwar gelobt als sie in die Offensive gegangen war. Durch das etwas späte Agieren wurde das 1800 köpfige Polizeikorps aber bereits diskreditiert.
Bei so gravierenden Vorwürfen müsste unbedingt rascher informiert werden. (vgl. Verhalten in publizistischen Krisen). Proaktiv reagieren heisst: Die Szepter sofort in die Hand zu nehmen, nicht reaktiv handeln, beschönigen oder abzuwarten.
Gespannt werden wir die Fortsetzung dieser Mediengeschichte verfolgen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass trotz der verspäteter Offensive die Eigendynomik der Medienommunikation Überhand nimmt. Dann hätte die Polizeivorsteherin einen schweren Stand. Möglicherweise ist der Polizeivorsteherin mit der Schaffung einer Ombudsstelle nachträgglich ein Meisterstück an Medienarbeit geglückt. Die kommunikative Gegenattacke könnte die Gefahr einer Eskalation bannen. Jedenfalls spricht "Tele Züri" plötzlich vom "vermeindlichen" Prügelopfer und beleuchtete auch die Optik der Polizei. Bis anhin wurde die Sicht der Ordnungshüter meist ausgeklammert.

Fazit: Der Gefahr einer medialen Vorverurteilung kann nur damit begegnet werden, indem Fakten laufend herausgegeben werden. Wenn man nichts sagen kann, so muss immerhin begründet werden, weshalb nicht informiert werden kann. Den Medien wird aber gesagt, wann, was weiter zu erfahren ist. Bei Pannen und krisenähnlichen Vorkommnissen hat die Informationsführung erste Priorität. Unsere Medien dürfen und müssen Sachverhalte kritisch hinterfragen. Bei Krisen haben bekanntlich nicht nur Lügen, sondern auch unnötiges Schweigen kurze Beine.


Links:


Nachtrag vom 3. Juni, 2002
In der Sonntagspresse zeigt sich bereits, dass Esther Maurer der Befreiungsschlag noch nicht ganz gelungen ist. Der Sonntags Blick zeigt sich jedenfalls gar nicht überzeugt von der Argumentation der Polizeichefin.


Nachtrag vom 10. Juni, 2002
Heute ist bekannt geworden, dass Maurers Kripochefin Steiner verdächtigt wird, ihren Mann geschützt zu haben, als der im Vollrausch einen Unfall gebaut hatte. Die Affaire belastet Maurer zusätzlich. Wir werden die Geschichte in einem separaten Aktuellartikel behandeln:

Hier ist die Fortsetzung: Teil II.


Nachtrag vom 11. Dezember, 2002
Im Juni 2001 hatte Leuenberger noch die Meinung geäussert, der Inhalt sei wichtiger als form. Nun scheinen Kleider doch wieder einen grösseren Stellenwert für zu haben: Leuenberger im Tagesanzeiger:

"Es gibt Fernsehauftritte, da denke ich länger über Kleider nach, als was ich sagen soll".


Wir vertreten die Meinyung, dass sowohl Botschaft als auch Form wichtig sind. Was eine Person sagt, hat erste Priorität. Doch nützt die beste Botschaft nichts, wenn die Form und das "Wie" stört oder irritiert.


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