"Fern-sehen" als flächendeckendes Phänomen
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Am 100. Geburtstag von George Orwell werden wir tagtäglich,
auffällig - oder auch unauffällig - überwacht.
An das "Aus der Ferne gesehen werden" mit Video-Aufnahmegeräten
haben wir uns gewöhnt. Unbemerkt bewegen wir uns gleichsam
in einem riesigen "Big- brother" Container.
Eine neue Mini-Kamerageneration liefert heute gestochen scharfe, farbige Bilder
für all jene, die an einer Überwachung interessiert sind.
Gesichter und Autonummern sind bei den neuen Geräten auf den
Monitoren deutlich erkennbar.
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Die Kritiker verstummen
Kritiker der Videoüberwachung können sich nicht durchsetzen.
Trotz Verletzung des Persönlichkeitsschutzes werden wir heute
auf Schritt und Tritt beobachtet. Orwell lässt grüssen.
Wir hören darob kaum noch einen Aufschrei der Empörung.
Die Menschheit hat sich offensichtlich mit dieser eigenartigen
"Supervision" abgefunden.
Es geht bei den erwähnten Videoaufnahmen um die Speicherung von
Geschehnissen, damit allfällige Gesetzesbrecher überführt werden
können, oder auch um die Überwachung von
Verkehrsabläufen.
Überall haben wir Kameras im Genick
Städte werden Tag und Nacht überwacht (die deutsche Stadt
Singen setzte Videokameras als Massnahme gegen die zunehmenden
Gewaltakte bewusst ein). Videoinstallationen gibt es
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- Bei Tankstellen, um "Schwarztanker" zu identifizieren.
- Im Innern von Waschanlagen
- In unbewachten Zügen (als Massnahme gegen Vandalismus und Gewalttaten)
- In Bahnhöfen (die Aufnahmen werden nach 24 Stunden gelöscht)
- In der Post
- In Tunnels
- In Warenhäusern, aber auch zahlreichen kleinen Ladenlokalen
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- In Banken (Bänder werden 30 Tage aufbewahrt)
- An Bankomaten
- In Schwimmbädern
- In Parkhäusern
- Bei gewissen Verkehrsbetrieben
- Im Eingangsbereich privater Wohnungen
- In Museen
- In Spielcasinos, Spitälern, Restaurants, Gefängnissen
oder Sportanlagen, aber auch in Schulen.
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Dazu kommen
- Webcameras in Kurorten oder Städten
- Webcameras zur Verkehrsinformation
- Satellitenüberwachung für Umweltschutz, Agrar, Geologische oder militärische Zwecke.
- Flugphotos zu kartographischen oder wissenschaftlichen Zwecken (siehe dazu
ein Beispiel).
- Film und Fotoaufnahmen von Privatpersonen. Viele Handys haben heute eingebaute Kameras und erlauben
das drahtlose übermitteln von Bildern per Telefon. Einige Sportclubs erwähnen schon die Verbannung
von solchen Handys aus ihren Rämen.
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Dissuativ, observierend oder invasiv
Fachleute unterscheiden zwischen
- "dissuativer" Überwachung
zur Prävention, zum Beispiel auf Flughafen oder bei Sportanlässen
- von "observierender" Überwachung, zum Beispiel vom Strassenverkehr,
- oder von "invasiver" Überwachung wie bei der
Beschattung tatverdächtiger Personen.
Es gibt sicherlich viele gute Gründe, die für die
Installation von Überwachungskameras sprechen.
Die technischen Einrichtungen wurden von Jahr zu Jahr perfekter.
Die Minikameras sind für alle erschwinglich geworden und
können mit Datenbanken vernetzt werden. Durch die kleinen
Kameras werden die unzähligen Installationen immer
unkontrollierbarer. (Minikameras können so montiert werden,
dass sie nicht gesehen werden).
Vernetzte Überwachung
Zur Überwachung braucht es künftig keine Personen mehr. Kameras
werden mit Rechnern verbunden. Das Verhalten der Personen wird
längere Zeit verfolgt. Nach einer gewissen Zeit ist das System
fähig, bei abweichendem Verhalten einer Person,
selbständig Alarm auszulösen.
Meist fehlen rechtliche Grundlagen
Nach Expertenmeinung mangelt es heute an den entsprechenden
Rechtsgrundlagen zur permanenten Überwachung. Die
Strafprozessordnung der Stadtpolizei setzt bei einer geregelten
Überwachung eine richterliche Verfügung voraus. Auf privatem Grund
herrschen zudem besondere rechtliche Bestimmungen. Obschon
die Videoüberwachung überall Fuss fasst, bleibt
sie doch ein Eingriff in die Privatsphäre, weshalb in
Schulanlagen und Städten vielerorts Videokameras
nachträglich entfernt werden mussten, obschon sie
im Kampf gegen Vandalismus und Jugendgewalt beigetragen haben.
Selbst Webcams an exponierten Stellen in Städten wurden
aus rechtlichen Gründen wieder abmontiert.
Gesichter dürfen nicht erkannt werden.
Notwendiges Übel?
Allgemein wird heute trotz aller Bedenken die Überwachung akzeptiert.
Vielleicht deshalb, weil man sich durch die aufgestellten Kameras sicherer
fühlt (Parkhäuser, unbegleitete Regionalzüge usw).
Die Menschen haben sich allmählich mit den installierten Argusaugen
abgefunden. Für die Öffentlichkeit sind sie ein notwendiges
Übel geworden. Tatsächlich konnte nachgewiesen werden, dass
die Installation von Kameras im Kampf gegen Vandalismus und Gewalt
erfolgreich war. Die Meinung ist verbreitet: Wer ein gutes Gewissen hat,
muss ja nichts befürchten. Vielleicht ist dieses Argument mit
ein Grund zur grossen Akzeptanz der Überwachungsanlagen.
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Anderseits bleibt der Satz von Orwell - "Big brother is watching you" -
aktueller denn je. Der Zürcher Datenschutzbeauftragte warnt
jedenfalls vor einer fast unmerklichen "rasanten Ausbreitung"
der Videoüberwachung. Datenschutzbeauftragte können
nicht überall präsent sein. Wir vermuten deshalb,
dass alle Vorbehalte gegen "den totalen Ueberwachungsstaat" -
trotz aller Vorteile der Videoüberwachung - nach wie
vor berechtigt bleiben.
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Bei der Angelegenheit geht es stets um die Balance zweier konträre
Bedürfnisse: dem Wunsch nach Sicherheit, und den Wunsch nach Freiheit.
Herausforderungen für den Persönlichkeitsschutz kamen vor allem
nach mehr Überwachung aus Sicherheitsgründen
(Beispiel 11. September) oder zur Eindämmung
von Epidemien
(Beispiel SARS Ausbruch),
wo Passagiere in Flughäfen ungefragt per Video auf Fieber
geprüft werden.
Fragen wie "Wer überwacht denn die Überwacher" oder "Wer
kontrolliert die Kontrolleure?" sind mehr denn je aktuell.
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