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www.rhetorik.ch aktuell: (20. Jul, 2008)

Fall Medien? Fall Nef? Fall Schmid?

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Zum Auftritt von Roland Nef:

"Roland Nef steckt in einer Kommunikationskrise, obwohl er es nicht wahr haben will. Und in einem solchen Fall, gibts ganz einfach Regeln, die zu befolgen sind: nicht lügen, rasch informieren und transparent informieren. Den ersten Punkt kann ich nicht beurteilen, in den beiden anderen Punkten hat Nef versagt. Er dachte, sein Auftritt wird zum Befreiungsschlag, aber das wurde er definitiv nicht. Die Geschichte ist somit noch lange nicht ausgestanden. Erst las Nef eine persönliche Erklärung vor, dann stellte er sich den Fragen der Journalisten. Als Antworten wiederholte Nef die immer gleichen Sätze, verweigerte zusätzliche Informationen und verwies auf das Recht auf Privatsphäre. Doch spätestens als er von seiner "intensiven Liebesbeziehung" sprach und zugab, dass er "nicht immer besonnen gehandelt" habe, hat er selbst Geschichte öffentlich gemacht. Augenfällig war der Unterschied zu Nefs Auftritt nach dem Kander -Unglück: Damals wirkte er sympathisch, erhielt viel Kredit. Davon ist jetzt leider nicht mehr viel übrig. So rasch geht es mit der Glaubwürdigkeit. Es braucht gewiss viel, sehr viel, bis der Armeechef das verlorene Vertrauen wieder zurückgewinnen kann."
Zum Auftritt von Samuel Schmid:

"Auch die Kommunikation von Samuel Schmid ist bedenklich: Versteckspielen, Schweigen, Abtauchen ist in Zeiten der Krisenkommunikation sicher einer der gravierendsten Fehler. Wie die alte Fasnacht meldete er sich am Freitagnachmittag auch noch zu Wort. Wie Nef hat er versucht, die Sache zu beschönigen, zu bagatellisieren und wie Nef hat er es nicht geschafft, glaubwürdig zu wirken. Schmid wirkte zwar zu Beginn, als er mit seiner sonoren Stimme seine vorbereitete Erklärung - ohne Gestik und spärlichem Blickkontakt - vorlas, ruhig, versunken, glaubwürdig. Der Ton hat jedenfalls Sicherheit vermittelt. Beim Frageblock hingegen störten die vielen Satzbrüche, das Lavieren beim Antworten. Die vielen "Ähs" und vagen ausweichenden, zum Teil hektischen Antworten waren eindeutig als Stresssignale erkennbar. Schmid hat wie Nef betont, das Vertrauen der Bevölkerung zu geniessen. Während der letzten Tage hörte ich mich bewusst in der Bevölkerung um. Da war gar nichts von Vertrauen zu hören. Interessant: Der Armeechef will nicht zurücktreten - weil er ja nur privat unbesonnen gehandelt hat und der Verteidigungsminister ist sich keines Fehlers bewusst. Beide kennen dafür die Schuldigen: Es sind die Medien.
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Time line nach Sonntagszeitung vom 20. Juli



Time line nach Sonntagsblick vom 20. Juli


Experten sind sich einig: Roland Nef hat ein Anrecht auf eine Privatsphäre. Die Medien haben auch ein Recht Fragen zu stellen, vor allem dann, wenn Widersprüche auftauchen. Wenn jedoch ein Departementschef einen Kronfavoriten trotz hängigem Strafverfahren die Bundesratskollegen überrumpelt und der oberste Armeechef widersprüchliche Aussagen macht, müssen wir uns nicht wundern, dass man nicht mehr nur von einen Fall Medien sprechen darf. Schmid und Nef waren sich zwar einig: Die unbesonnenen privaten Handlungen haben nichts mit dem Job Armeechef zu tun. Dies ist reine Privatsache und geht die Medien nichts an. Für beide kann der Charakter geteilt werden. Es gibt ein unbeherrschtes und unbesonnnenes Verhalten im privaten Bereich und es geht um ein besonnenes Handeln im Job. Deshalb will Nef nicht zurücktreten, wie KKdt Knutti, der nur einen Formfehler hinsichtlich Beförderungsreglement gemacht hatte. Bundesrat Schmid glaubt auch, immer völlig richtig gehandelt zu haben und betont: Ich würde heute auch wieder so handeln. Für ihn war die eindeutige "Pflichtverletzung der Nichtinformation des Bundesrates" lediglich ein bewusstes kalkulierbares Risiko gewesen.

Beide sind sich einig: Schuldig sind allein die Medien. Es geht bei der Geschichte vor allem um Amtsgeheimnisverletzung und um die Verletzung der Privatsphäre. Blick muss eingeklagt werden.

Ich gehe davon aus, dass der jüngsten Medienwirbel nicht so schnell nur als "Fall Medien" abgetan werden kann. Es gibt auch einen "Fall Nef" aber auch einen "Fall Schmid".

Mich erstaunt es, dass auf oberster Armeeebene die einfachsten Krisenkommunikationsgrundsätze so krass missachtet wurden.
  • Es gibt in heiklen Situationen immer ein Botschaftenmanagement. Dies fehlte völlig. Schmid und Nef wurstelten für sich drauflos.
  • Aussagen wurden nicht koordiniert - Die Kommunikationskrise wurde verdrängt (wird sogar heute noch bestritten) Diese Blindheit gibt zu denken.
  • Es wurde blockiert, geschwiegen und der Verteidigungsminister tauchte ab - Die Medien wurden zum Sündenbockgestempelt - Informationen werden nur angedeutet. Statt aktiv zu informieren, wird nur noch reagiert.


Die Kommunikation wurde an der VBS Spitze nicht geführt. Fragen werden nicht oder widersprüchlich beantwortet.


Obschon Radio, Fernsehen und Printmedien seit Tagen über den Fall berichtet hatten, konnten Nef und Schmid die Situation nicht beruhigen. Im Gegenteil, die Glaubwürdigkeit litt von Tag zu Tag mehr. - Obschon die Presse Auszüge aus den Polizeiprotokollen publiziert hatte, weiss die Bevölkerung immer noch nicht, was der Armeechef tatsächlich gemacht hat. Es heisst lediglich: Die Geschichte wurde gütlich bereinigt. Warum wollte Schmid keine Details erfahren, obwohl man ihn man ihm vor der Wahl konkrete Fakten hat zukommen lassen? Warum stellte er keinen Antrag zur Aufhebung der Schweigepflicht?
  • Wurde Nef tatsächlich die persönliche Waffe konfisziert? Wenn ja, hätte die Polizei dazu einen Grund gehabt? Nef wich bei dieser Frage an der Pressekonferenz aus und flunkerte - ohne die Frage zu beantworten: Die Waffe ist bei mir jetzt zu Hause.
  • Nef verneinte eindeutig die Frage: "Trifft es zu, dass Ihre ehemalige Lebenspartnerin die Desinteresse-Erklärung erst nach Ihrer Wahl unterschreiben hat?" Nefs Anwalt liess hernach wissen, dass diese Antwort nicht stimmt. Die Erklärung erfolgte erst nach der Wahl. In der Krisenkommunikation sind widersprüchliche Aussagen etwas vom Schlimmsten. Dieses "Nein" könnte Nef letztlich den Kopf kosten.
  • Wieviel Geld hat Nef der Exfrau bezahlt? Auch Bundesrat Schmid scheint es nicht zu interessieren, ob Stalking im Spiel war und sein Kandidat Nef sich mir Geld losgekauft hat. Ist somit die angebliche Wiedergutmachungssumme nicht doch Schweigegeld? (wäre strafbar)
Fazit: Wer Tatsachen schönredet, verfälscht wer schweigt und nicht sofort erklärt, weshalb er nicht mehr sagen kann, kennt das ABC der Krisenkommunikation nicht. In Krisensituationen (Nef und Schmid bestreiten zwar, es handle sich um eine Krise) rächen sich Beschönigungen, Lügen und Verleugnungen.




Nachtrag vom 20. Juli, 2008



"Nzz-online" vom 20. Juli: In der Affäre um Armeechef Roland Nef kommt zunehmend Bundesrat Samuel Schmid unter Druck. Politiker aller Parteien kritisieren sein Verhalten. Nachdem sich beide öffentlich erklärt haben, konzentriert sich die Kritik zunehmend auf Schmid. Insbesondere Vertreter von FDP und CVP, Schmids wichtigste parteipolitische Verbündete, gehen auf Distanz. "Die Sache ist kein Fall Nef, sondern ein Fall Schmid", sagt FDP-Nationalrat Peter Malama. CVP-Ständerat Philipp Stähelin hält es für "einen klaren Fehler", dass Schmid den Gesamtbundesrat nicht über die gegen Nef laufende Strafuntersuchung wegen Nötigung informiert hat. Die Untersuchung war 2006 auf Anzeige von Nefs ehemaliger Lebenspartnerin eingeleitet worden. CVP-Ständerat Bruno Frick zeigt sich "erstaunt", dass sich Schmid nicht näher über dieses Verfahren informiert hatte. Von einem "Fall Schmid" spricht SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi, der Grüne Josef Lang sieht "primär einen Fall Schmid". SP-Nationalrat Hans Widmer fragt sich, warum sich Schmid nicht beim Bundesrat entschuldigt hat. Am Samstag wurden weitere Details publik. Radio DRS meldete, dass Nefs frühere Partnerin ihre sogenannte Desinteresse-Erklärung erst im September 2007 abgegeben hatte. Bei Nefs Wahl lag also noch keine Garantie vor, dass die Strafuntersuchung eingestellt würde. Nefs Anwalt hat inzwischen bei der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft beantragt, es sei der Verdacht auf Amtsgeheimnisverletzung abzuklären.


Laut Schweizer Fernsehen Tagesschau stimmt es nicht, dass Bundesrat Schmid von den persönlichen Problemen seines Anwärters für den höchsten Posten der Armee nichts gewusst hat.

SF: Schmid soll Vorwürfe gekannt haben, er wurde offenbar bereits Ende Juni informiert. Wie die "SonntagsZeitung" schreibt, war Bundesrat und VBS-Chef Samuel Schmid offenbar doch über die Vorwürfe der Ex-Freundin von Armeechef Roland Nef informiert. Das Blatt schreibt, es habe den Verteidigungsminister bereits am 27. Juni 2008 informiert. Schmid seien Auszüge der Anklage und der Inhalt der Anschuldigungen zugestellt worden. Die Zeitung habe den VBS-Chef zu einer Stellungnahme aufgefordert. Schmid soll nur mit dem Eingeständnis, dass er vom hängigen Strafverfahren zum Zeitpunkt der Wahl wusste, reagiert haben. An der Medienkonferenz Schmids vom Freitag, sagte jedoch der VBS-Chef, er kenne die Details zu den Vorwürfen nicht. Ein VBS-Sprecher sagte nun am Sonntag, es treffe zu, dass das VBS von der "SonntagsZeitung" vor dem ersten Artikel eine Anfrage erhalten habe.


Solche Geschichten sind Gift in einer Kommunikationskrise. Aussagen müssen später korrigiert werden und ältere Aussagen stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein.

Wenn sich jemand in Krisensituation falsch verhalten hat, folgen Rundumschläge oder der Betroffene kriecht sich oft beleidigt ins Schneckenhaus zurück. Nach 20 Min-online ist diese Phase nach dem Medienwirbel in der Sonntagspresse bereits eingetroffen:

"20 min": Nef will nur noch rechtliche Waffen einsetzen Armee-Chef Roland Nef nimmt nicht weiter zu den gegen ihn in den Medien erhobenen Vorwürfen Stellung, teilten Nefs Anwälte heute mit. Und dies, obschon weitere Fragen zur Affäre aufgeworfen wurden. Der oberste General will auch Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung einreichen.


Jetzt ist es zu spät mit dem Rückzug. Die Medienmaschinerie läuft. Nef hätte früher konsequent sein sollen. Indem er an seiner Pressekonferenz den Medien Andeutungen gemacht hat und doch etwas von sich preisgegeben hatte (Vergleichen wir einmal die Journalisten mit Amseln, die im Rasen nach dem Regen Würmern suchen), muss er sich nicht ärgern, wenn die Journalisten nun den Kopf des Wurmes ruckartig ganz ans Tageslicht zerren.

Mit dem Rundumschlag gegen die Medien schlägt sich Nef letztlich selbst. Es bleibt ihm nur noch: Entweder ein Mea culpa. Oder Nef müsste den Sachverhalt so offen legen, dass alle sehen, dass der Armeechef unschuldig ist.

Das kann er aber nicht, weil er mit der ExFrau eine Vereinbarung getroffen hat, dass er die Details nicht offen legen kann. Es sieht nicht gut aus.

Die SonntagsZeitung neue brisante Einzelheiten zur persönlichen Auseinandersetzung des Armeechefs mit seiner Ex-Partnerin aufs Tapet. Obschon es um vertrauliche Akten geht, wurde ein Ausriss aus einer Akte publiziert, die veranschaulichen, dass Nefs unbesonnenen Handlung gravierender waren als vermutet. Es sind zwar illegale Enthüllungen, die eingeklagt werden könnten. Sollte jedoch der Inhalt stimmen, so sieht die Oeffentlichkeit in der Aufdeckung der Ungereimtheiten keinen Rufmord. Viele werden den Mut der Journalisten loben. Angenommen, es könnte tatsächlich nachgewiesen werden, dass der Armeechef mit einer Geldsumme die "Nötigung" zur einer gütigen Einigung erkaufen konnte und es könnte auch nachgewiesen werden, dass Bundesrat Schmid tatsächlich davon gewusst hatte (an der Pressekonferenz bestritt er dies zwar eindeutig), dann würde es für beide recht brisant. Immer wenn die Presse Falschaussagen oder einen Missstand mit illegalen Mitteln aufgedeckt, ist die Öffentlichkeit nachsichtig.

Falls die Berichte der SonntagZeitung beweisen, dass mit fragwürdigen Mitteln bei der Wahl gezinkt worden ist und Bundesrat Schmid an der Pressekonferenz gelogen hat, so nimmt die Mediengeschichte eine neue Dimension an. Der Armeechef wird dann mit seiner Rufmordklage kaum grossen Erfolg haben. Noch diese Woche wird eine Sitzung der Sicherheitskommission einberufen. Dies überrascht. Es ist eine Kehrtwende. Man wollte nämlich noch zuwarten. Doch die neuen Enthüllungen führten zum Umdenken. Jetzt geht es um die Glaubwürdigkeit der Armeespitze und das Vertrauen in die Armeeführung. Das VBS darf in der Handlungsfähigkeit eingeschränkt bleiben. Bundesrat Schmid muss sich an der nächsten Sitzung rechtfertigen und zu all den happigen Vorwürfen Stellung nehmen. Bereits liegen die ersten Rücktrittsforderungen auf dem Tisch. Die Causa Nef/Schmid hat somit neue Formen angenommen auf politischer Ebene. Der Fall rückt jetzt in eine heisse Phase.

Einmal mehr sehen wir bestätigt, dass die unprofessionelle Pressekonferenzen während der Kommunikationskrise kein Befreiungsschlag waren, im Gegenteil: Die unbedachten Auftritte wurden zum Bumerang. Die zwiespältigen allenfalls falschen Aussagen und Antworten sind gespeichert und können Folgen haben.




Quelle: TAGI

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