Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (19. Dez, 2007)

Körpersprache und Bundesrat

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Es gibt Dutzende von Büchern, die den Lesern sagen, was die Haltung usw. einer Person aussagt. Wir lehnen stets rezeptorientierte Interpretationen ab. Wie würde ein Pseudo - Experte die erste Foto des neunen Bundesrates beurteilen? Es kann amusant sein, was die einzelnen abgebildeten Magistratspersonen mit Ihrem Körper und mit ihrem Äusseren aussagen: Versuchen Sie selbst, das Verhalten jeder Person zu beschreiben, aber auch zu interpretieren.

Es folgt der Text einer angeblichen Fachperson, die glaubt, sie verstehe etwas von Kinesik. Das erste Foto des Bundesrats in der neuen Zusammensetzung stammt von Reuters.
Micheline Calmy-Rey: Die Beine sind gut geerdet. Sie steht stabil da. Dies zeugt von Selbstsicherheit. Der Blick ist dem Publikum zugewandt. Der Kontakt mit dem Volk, dem Publikum war der Bundespräsidentin während des ganzen Präsidialjahres ihr zentrales Anliegen. Das Rot des Pullovers ist nicht nur ein Bekenntnis zum Sozialismus. Die Farbe Rot signalisiert auch Mut, Angriffslust. Anderseits schwächen die verschränkten Arme die Ausdruckskraft ab. Es wirkt so, als müsse sie sich schützen - vor wem?. Mit den verhaltenen der Armen nimmt sie sich zurück. Erstaunlicherweise zeigt die Bundespräsidentin auf dieser Foto nicht mehr das künstliche Lachen von früher, mit dem Zähnezeigen. (Man sagte bislang, mit ihrem permanenten Lachen habe sie auf freundliche Art den Kollegen und Medienschaffenden die Zähne gezeigt). Tatsächlich hatte die Frau stets Biss. Mit einer gewissen Verbissenheit paukte Sie bekanntlich auch - gegen alle Widerstände - ihre Rütlifeier durch und hatte damit letztlich Erfolg. Samuel Schmid: Er steht immer so stabil da. Gefasst, so gefasst, wie es die Hände hinter seinem Rücken sind. Sein Blick scheint auf die neue Bundesrätin gerichtet - froh eine Stütze gefunden zu haben. Vielleicht zufrieden, dass das Leid des Fraktionsausschlusses auf beide Personen verteilt wurde. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Seine rote Kravatte nimmt den Farbton der linken Nachbarin ab. Hans - Rudolf Merz: Er grenzt sich als Einziger beidseitig vom Kollegium ab. Zwischen ihm Schmid und Couchepin gibt es einen deutlichen Zwischenraum. Im Gegensatz zu allen andern Männern trägt er ein blaue (FDP blaue?) Kravatte. Merz ist der kleinste in der Runde. Es ist nicht gut ersichtlich, ob er mit der rechten Hand die Tasche oder ein Sparbuch hält. So als halte er die Finanzen gut zusammen. Bewundernd richtet sich seinen Blick in Richtung Bundespräsidentin, die angeblich weiss, wo es lang geht. Pascale Couchepin: Das Alphatier Couchepin blickt ebenfalls zur Calmy hinüber. Haben Sie doch gemeinsam die Konkurrenz Christoph ausboten können. Seine graue Kleidung wirkt eher blass. Mit den herabhängenden Händen steht er da wie ein artiger Schüler. Doch die Grösse und die Position in der Mitte signalisieren: 2008 bin ich der Boss und bin keine graue Maus. Nächstes Jahr habe ich als Bundespräsident das Sagen. Sein zufriedener Ausdruck ist somit gut einzuordnen. Moritz Leuenberger: Im fiel es immer schwer, bei Fototerminen, ein Lachen aufzusetzen. Das Posieren für eine Aufnahme scheint ihm auch auf diesem Bild ein Graus zu sein. Er wird sich sagen: Machen wir halt diese Pflichtübung. Die Hände sagen alles. Sie fassen sich kräftig und halten damit auch die Person zusammen. Nichts von Lockerheit. Gesicht und Haltung alles ist bewusst gefasst. Mit seinem etwas erhobenen Blick baut er eine Brücke zur SP Kollegin. Doris Leuthard: Sie scheint gar noch nicht bereit für die Aufnahme. Doris Leuthard steht einfach so da. Man hat den Eindruck, die Aufnahme sei bei ihr eher ein Schnappschuss bevor es ernst gilt. Ihre Augen schielen zur neue Bundesrätin. Als prüfe sie, wie sich wohl die neue Kollegin präsentieren will. Aehnlich wie Couchepin lässt sie ihre Arme kraftlos hängen. Sie Haltung ist weder gespannt noch locker. Eben: Sie steht einfach so da. Eveline Widmer-Schlumpf Die neue Frau im Bundesrat schliesst das Bild auf der rechten Seite ab. Sie schaut wie die Bundespräsidentin zur Kamera und nimmt dadurch mit der Bevölkerung Augenkontakt auf. Den linken Fuss hat sie leicht nach vorn versetzt. Der Oberkörper etwas gebeugt, als wollte sie sich bewusst kleiner machen um noch nicht zu dominieren. Die Hände wie Kollege Schmid auf dem Rücken - Aus Solidarität? Es ist das einzige Signal, das bewusst macht, dass sich die neue Bundesrätin fassen muss. Der Gesichtsausdruck ist nicht gestellt, sondern neutral - natürlich. Wie bei Herrn Merz besteht bei ihr ein Zwischenraum zur Nachbarin. Ein Signal für eine bedachte Tuchfühlung mit dem Team? Menschen, die sich am Anfang forsch aufdrängen werden nie geschätzt. Ale neue im Bund macht Eveline Widmer- Schlumpf einen sicheren kompetenten Eindruck - trotz des enormen Drucks, der auf ihr lastet.
Sie haben vielleicht schon festgestellt, dass eine Momentaufnahme unterschiedlich interpretiert werden kann. Nach einem ersten Schritt das Beobachtens und Beschreibens müsste der Kontext, die Vorgeschichten und die gegebene Situation bekannt sein. Eine bessere Beurteilung wäre mit einer Bildfolge oder einer Videosequenz möglich. Die untenstehenden Aufnahmen sind beinahe gleichzeitig, möglicherweise innerhalb weniger Minuten entstanden. Die Versuchung ist gross auch das zu analysieren: "Auf der Schwarz-Weiss Aufnahme scheint die Bundespräsidentin das Team zu dirigieren und Samuel Schmid stabilisiert sich mit verzahnten Fingern vor seinem Bauch während Couchepin die Szene dominiert, indem er mit den Händen die Runde durchschneidet."

NZZ vom 19. Dezember 2007 SN vom 19. Dezember 2007


Fotos sind immer nur Momentaufnahmen. Es ist gefährlich, Leute auf Grund von Blitzaufnahmen zu beurteilen oder zu verurteilen.





Rhetorik.ch 1998-2019 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com