Als Berater, Kritiker, Coacher oder Mediator gilt es stets,
die Selbstkritikfähigkeit zu nutzen. Der Weg über
die Selbstkritik führt rascher zum veränderungswürdigen
Ziel. Werden Mängel selbst erkannt, kommt es viel schneller
zu den erwünschten Verbesserungen.
Dank der persönlichen Einsicht braucht es zudem weniger
Überzeugungs oder Motivationsarbeit. Die langwierigen
Rechtfertigungszenarien bleiben aus. Wer bei Kritik- Beurteilungs-
oder Schlechtnachrichtengesprächen die Selbstbeurteilung
an den Anfang stellt (und immer zuerst die Gegenseite zu Wort kommen
lässt), erspart sich nicht nur die unerwünschten
Rechtfertigungsphasen. Der Berater erhält meist bereits am Anfang
hilfreiche Zusatzinformationen und kann damit viel gezielter nachfragen.
Hiezu ein Beipiel aus der Praxis:
Nach einem obligaten Schulbesuch führt ein Behördemitglied
mit einer Lehrerin unter vier Augen ein Beurteilungsgespräch durch.
Das Gepräch wird nach herkömmlichen Muster durchgeführt.
Zuerst erwähnt der Schulvorstand die festgestellten positiven
Punkte wie Disziplin, didaktisches Vorgehen (roter Faden) usw. Nachher
beanstandet er den Start der Lektion. Gar nicht gefallen hat mir der
Anfang der Deutschlektion. Schülerinnen und Schüler
redeten durcheinander, waren unaufmerksam und Sie wirkten recht
unkonzentriert."
Hätte das Behördemitglied zu Beginn der Beurteilung den
Ball sofort der Lehrkraft übergeben
übergeben, beispielsweise mit der Frage:
"Wie beurteilen Sie die erteilte Deutschstunde?" oder
"Waren Sie zufrieden mit der Lektion?"
Bestimmt hätte Lehrerin selbstkritisch den schlechten Start selbst
angesprochen und gesagt:
"Mit dem Start war ich ganz und gar nicht zufrieden. Wir hatten
gestern ein Abschlussfest. Ich fand den Schlaf nicht und mich plagten
starke Kopfschmerzen. So schlecht beginne ich sonst die Stunde nie.
Der Start war wirklich schlecht. Ich muss vielleicht künftighin
in einer analogen Situation bewusst vor dem Schulzimmer eine
Konzentrationspause einschalten."
Kritik und Urteile sind dazu da,
den Unterricht zu verbessern. Es geht beim Beurteilungsgespräch
bestimmt nicht darum, Mängel, die bekannt sind, nur aufzulisten
oder zu verstärken. Die persönliche Einsicht an sich
genügt eigentlich, wenn sie eine Verhaltensänderung bewirkt.
Erst bei Betriebsblindheit müsste von aussen nachgeholfen werden.
Die Frage ist berechtigt: Wollen wir die Kritik als Selbstzweck
oder rasche Verbesserungen?
Die Gespräche, die Veränderungen bezwecken, müssen
in der Regel mit der Selbstkritikphase beginnen. Eine Regel, die sich
alle Ausbildner hinter die Ohren schreiben sollten.
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Selbstkritik
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich;
so hab' ich erstens den Gewinn,
dass ich so hübsch bescheiden bin;
zum zweiten denken sich die Leut,
der Mann ist lauter Redlichkeit;
auch schnapp'ich drittens diesen Bissen
vorweg den andern Kritiküssen;
und viertens hoff'ich ausserdem
auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es dann zuletzt heraus,
dass ich ein ganz famoses Haus.
Wilhelm Busch
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