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www.rhetorik.ch aktuell: (22. November, 2003)

"Lärmrhetorik" oder "sich bewusst Gehör verschaffen"?



Trifft der Beitrag "Das Prinzip Lärm" von Markus Somm in der Weltwoche 45/03 zu, der die merkwürdigen Vorstösse der Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als Bruch mit der Tradition der Zurückhaltung betrachtet? Oder handelt es sich bei den zahlreichen Aktionen und Vorstössen der Aussenministerin um ein bewusst neues Kommunikationsverhalten, damit die Öffentlichkeit im Medienzeitalter die Aktionen des EDA besser wahrnimmt? Hofft sie dank offensiver - zum Teil "vorlauter" Informationspolitik - sich vermehrt Gehör zu verschaffen, oder dass durch Provokationen Probleme angesprochen werden können?
Bisher ging die Rechnung der Aussenministerin mit ihrer Informationspolitik auf. Beim Publikum erntete sie mit ihrer offensiven Haltung vorwiegend Pluspunkte. "Diese Politikerin ist mutig und macht wenigstens etwas."
Es gab aber auch Kritik. Vergleiche dazu den Aktuellbeitrag "Open Diplomacy" als Stein des Anstosses. Schon wieder wird eine neue Geschichte in der Sonntagszeitung vom 16. November kommentiert. Es geht um die Friedensinitiative, die am 1. Dezember in Genf lanciert werden soll. Die Zeitung titelt den Auftritt der Aussenministerin mit den Worten: Bundesrätin Calmy-Rey provoziert Israel. Israel betrachtet angeblich die Rolle der Schweiz bei der Initiative mit Argwohn, der EDA Sprecher findet das Mitwirken der Aussenministern völlig normal. Der Journalist Marco Morelli hingegen ist erstaunt, dass sich die Aussenministerin von den Unmutsäusserungen aus Jerusalem nicht beeindrucken lässt und findet: Mehr Zurückhaltung, bitte!
Israel betrachtet die Teilnahme Calmy-Reys als Einmischung in innere Angelegenheiten. Mit der Teilnahme an der Zeremonie nehme die Aussenministerin sogar einen diplomatischen Eklat in Kauf. Vielleicht war die Absicht gut gemeint.


Nach Meinung der Weltwoche verletzt die Aussenministerin zwischenstaatliche Gepflogenheiten. Dieser Vorfall sei typisch für den Zustand der schweizerischen Aussenpolitik. Die Bemühungen seien aufsehenerregend. Offensichtlich wolle sich die Bundesrätin im Ausland profilieren. Wenn sie etwas im Kopf habe, halte sie unbeirrt an ihrem Kurs fest. Weltwoche:
"Calmy-Rey ist eine machtbewusste Politikerin und lässt sich nicht so leicht mit den Zwangsmitteln der Kollegialität einschüchtern. Für ihre Ueberzeugungen steht sie unbeirrt ein ... Ihr unbändiger Drang, etwas zu tun, aufzufallen, führt sie aber oft in die Irre. So viele Fehler sind einem Neuling selten unterlaufen." Einige Vorkommnisse sind rechts aufgelistet und kommen einer Schwarzliste gleich.
  • Konferenz zum Irak Konflikt.
  • Sie habe die USA vor den Kopf gestossen. Das Aussenministerium zerstöre, für was die Schweizer Aussenpolitik bekannt gewesen war: Berechenbarkeit und Bescheidenheit.
  • Mit dem Genfer Vorstoss werde Israel verärgert
  • Mit der Sponti-Politik habe sie die Diplomaten gegen sich.
  • Die interne Kommunikation sei nicht gut. Nur wenig Eingeweihte, Mitarbeitdende im EDA schnappten nach Informationen.
  • Bei der Humanitären Konferenz hätten ihre Fachleute die Neigkeiten aus der Zeitung erfahren.
  • Generalisten - wie es Diplomaten sind - könne die Aussenministerin zusehends weniger brauchen
  • Das EDA wolle sämtliche Aussenbeziehungen unter dem Stichwort "Koordination" selbst kontrollieren.


Wir haben in verschiedenen Beiträgen auf das neue Verständnis von "Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit" Calmy-Reys hingewiesen und vermutet, dass sich die Aussenministerin mit ihrer Haltung früher oder später Probleme einhandeln würde.

Wir vertreten nach wie vor die Meinung, dass aktives Informieren nicht heissen muss, vorschnell- zu schnell oder unbedacht zu informieren. Obschon die Bundesrätin mit ihrer Informationspolitik in der Bevölkerung erstaunlich grosses Lob erntet, könnte sie ohne Kurskorrekturen in ernsthaftere Schwierigkeiten kommen. Die aktive Politikerin hat vorläufig nichts zu befürchten und muss kaum um Ihre Wiederwahl bangen. Auch Christoph Blocher würde es nicht schaffen, ein Stuhlbein der Bundesrätin abzusägen. Wir gehen davon aus, dass die Verantwortlichen aus den bisherigen Fehlern die Konsequenzen ziehen.


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