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www.rhetorik.ch aktuell: (29. Juni, 2003)

"Open Diplomacy" als Stein des Anstosses


Seit Bundesrätin Micheline Calmy-Rey im Amt ist, scheiden sich die Geister bei der neuen "offenen" Aussenpolitik. Wir kommentierten die Medienechos zu dieser Thematik schon in den Beiträgen Im Blätterwald wurde die "Öffentliche Diplomatie", "Public Diplomacy" oder "Open Diplomacy" Calmy-Rey's beschrieben, gelobt aber auch kritisiert.

Lob und Tadel für "Open Diplomacy"

Durch die offene Art, "Themen via Medien zur Diskussion zu stellen", schaffte sich die Aussenministerin sowohl Feinde als auch Gegner. Was sie mit ihrer ungewohnten "Transparenz" in der Öffentlichkeitsarbeit erreichen wird, kann heute noch nicht beurteilt werden. Das Tagesanzeiger-Magazin vom 20. Juni 2003 machte jüngst Calmy-Reys "öffentliche Diplomatie" zur Titelgeschichte "Reizfigur Calmy-Rey" mit Untertitel "Was bringt die offene Diplomatie?". Der fundierte Beitrag von Christoph Keller zitiert eine der ersten Aussagen der neuen Bundesrätin zur "öffentlichen Diplomatie". Calmy-Rey sagte damals zur Politik der Transparenz bei diplomatischen Verhandlungen, sie wolle

"die übliche Verschwiegenheit bei Amtshandlungen von internationalen Verhandlungen durch die offene Kommunikation unserer Position ersetzen".


Implizit liess sie damit durchblicken, dass die bisherige Diplomatie zu verschwiegen und zu undurchsichtig gewesen ist. Nachdem die neue Magistratin bei verschiedenen Anlässen und Vorkommnissen wie dem WEF, dem Irak-Krieg, der Humanitäre Konferenz oder der Waffenausfuhr ihr Vorhaben offensichtlich auch umzusetzen wusste, schieden sich die Geister. Verständlicherweise wurde die neue "offene" Politik von der Boulevardpresse gelobt, zumal Frau Calmy-Rey auch Home-Storys zugelassen hatte. Andere Medien waren von der noch nie so praktizierten Offenheit gegenüber der Öffentlichkeit eher irritiert. Wir haben auf die vielen negative Schlagzeilen bereits hingewiesen.

Spannungen verschärften sich

Zwischen den Politischen Abteilungen I und IIa, welche beide für die landesbezogenen bilaterale Aufgaben zuständig sind und der politischen Abteilung III (multilaterale Organisationen) mit der Abteilung IV (Friedens- und Menschenrechtspolitik) bestehen heute laut Tagesanzeiger-Magazin Spannungen. Der Grund sei, dass die Aussenministerin den Schwerpunkt eindeutig auf Friedenspolitik und Konfliktprävention gesetzt habe. Die Diplomaten äusserten ihre Bedenken nicht offen gegen ihre Chefin. Nur die "Aussenpolitische Kommission" wagte sich offen gegen den angeblichen Aktionismus der Bundesrätin. Sie kritisierte die "verwirrliche" Strategie Calmy-Reys und forderte grössere Zurückhaltung vom Bundesrat. Die Frage nach der Kompetenzaufteilung in der Friedenspolitik brachte Nationalrat Reimann aufs Tapet. Maximilian Reimann, der "angeblich nichts gegen die Bundesrätin hat", geht es nach seinen Worten allein "um die Glaubwürdigkeit der Aussenpolitik" .

Kritik auch von anderen Seiten

Vor allem von der Economiesuisse wird die "öffentliche Diplomatie" als bedrohlich empfunden. Verständlich, konnte doch die Privatwirtschaft über Jahre die Weichen via bilaterale Verhandlungen stellen - abseits jeder öffentlichen Einmischung. Beispielsweise bei beim GATT-Beitritt, der Zusammenarbeit mit der OECD oder den Entscheiden bei der EFTA oder beim EWR. Rudolf Walser, Mitglied der Geschäftsleitung der economiesuisse dem Verband der Schweizer Unternehmen, hält nicht viel von der "öffentlichen Diplomatie":

"Schliesslich gab es schon genügend Öffentlichkeit beim EDA. Was der Aussenministerin vorschwebt, ist völlig unrealistisch. Gewisse Verhandlungen - etwa bei der WTO - dürfen keinesfalls transparent gestaltet werden, weil sonst jeder zu jeder Zeit dreinfunkt und unserer Position schadet. Bei jeder diplomatischen Verhandlung gibt es immer wieder Phasen, die geheim bleiben müssen!"


Nemo Gysin Selbst der Basler Sozialdemokrat Remo Gysin, ein Mitglied der Aussenpolitischen Kommission, hat gewisses Verständnis für die Aufruhr in Wirtschaftskreisen. Er formuliert es wie folgt:

"Die Politik der Öffnung und Transparenz, die Micheline Calmy-Rey betreibt, ist eine direkte Bedrohung für die Klüngelei zwischen Wirtschaft und Politik." Dann fragt er sich: "Wer weiss, was passiert, wenn sich die Einsicht durchsetzt, dass die Bürgerinnen und Bürger über die elementarsten Entscheidungen im GATT informiert werden müssen?" Und ergänzt: "Gerade weil es bei diesen Fragen um existentielle Fragen unserer Demokratie geht."

Die Kritik perlt ab

Bundesrätin Calmy-Rey ist sich völlig bewusst, dass sie sich mit der "öffentlichen Diplomatie" voll ins Schussfeld der Kritik begibt. Sie nahm alle Vorwürfe gelassen entgegen. Sie kontert:

"Die Wirtschaftsverbände müssen begreifen, dass eine offene Informationspolitik auch in ihrem Interesse ist."


In allen Interviews, die wir verfolgen konnten, antwortete die Aussenministerin in der Regel rhetorisch geschickt und flexibel.
Auch im Blickinterview vom 14. Juni lässt sie die Kritik an sich abperlen. Sie präzisierte sogar in einer Antwort die Bemerkung des Journalisten, der sagte:
"Es war für Sie ein brutaler Einstieg als Bundesrätin!"
Calmy-Rey:
"Brutal ist nicht das richtige Wort. Der Start war sehr dynamisch und zugegebenermassen hart."


Mit dieser Antwort bewies die Bundesrätin, dass sie gut zuhören kann und das Gehörte - so wie wir es empfehlen - sofort klärt. Die Bundesrätin will auch keine Konsequenzen ziehen. Mit ihrer Bemerkung - "Ich bin entschlossen, volle Transparenz zu schaffen" - zeigt die Bundesrätin einmal mehr ihre Zähne. Die Worte sagen im Grunde genommen: "Ich lasse mich nicht vom bisherigen Kurs abbringen." Für Calmy-Rey stammen die Kritiker vor allem aus einem Lager:

"Es sind Männer, die sich vor starken Frauen fürchten. Viele Kritiker haben nur ein Ziel: Das Bild einer starken Frau zu zerstören. Es sind antiquierte Vorstellungen über Frauen, die nichts überlegen und viel schwatzen."


Diese Argumentation überzeugte uns weniger. Das Spannungsfeld der öffentlichen Diplomatie darf nicht auf das einfache "Mann- Frau Klischee" reduziert werden, obschon in diesem Fall dieser Grund durchaus auch mitspielen wird. Das Abschieben der Problematik auf die Ebene "Männer fürchten starke Frauen" scheint uns bei dieser komplexen Sachfrage zu einfach.
Im "Blick" vom 16. Juni 2003 wurde dieser Aspekt erneut im Fronttitel verstärkt:
"Männer haben Angst vor mir!"
Verbunden mit dem neuen Titel:
"Frauen stehen wie ein Mann hinter Calmy-Rey."
Christine Beerli Blick betont in dieser Ausgabe, dass die Bundesrätin für ihren mutigen Satz bei den Parlamentarierinnen grosses Lob geerntet habe. Christine Beerli differenzierte zwar dieses Lob und wird ebenfalls im Blick zitiert:

"Gut, dass Frau Calmy-Rey das thematisiert hat. Aber Hand aufs Herz: Manchmal bringt weibliche List etwas mehr, als mit dem Kopf durch die Wand zu rennen."


Couchepin Auf das Verhältnis mit dem Kollegen Couchepin, antwortete Calmy-Rey im alten Blick-Interview in gewohnt cleverer Manier:

"Unsere Beziehung ist völlig normal. Wir sind schliesslich Walliser und lieben beide die Debatte."


Diese Antwort ist rhetorisch geschickt: Die Differenzen werden nicht bestritten, aber die Auseinandersetzung wird unmerklich verschoben, so subtil, dass sie die gut nachvollziehbar wird.

Fazit:

Bei der Thematik "Öffentliche Diplomatie" geht es nicht um ein "Entweder-oder" Informationsmanagement beim Umgang mit Medien, oder beim öffentlichen Verhandeln, Es geht vor allem auch um ein "Sowohl-als auch". Bei jeglichen öffentlichen Verhandlungen ist die hohe Kunst gefragt, Gegensätze unter einen Hut zu bringen: Die geheimen Verhandlungen mit bilateralen Gesprächen sowie die öffentlichen Gespräche mit Verlautbarungen über die Medien. Wie immer im Umgang mit Paradoxien, liegt die Schwierigkeit darin, die Balance zu finden. Vielleicht könnte die Bundesrätin auch noch etwas lernen. Nämlich: Kritiken ernster zu nehmen, mit gewissen Verlautbarungen künftig länger abzuwarten, bis Sachverhalte intern geklärt sind oder mehr Verständnis für bilaterale "geheime" Vorgespräche zu zeigen.
Aus unserer Sicht ist Standfestigkeit und das konsequente Einstehen für eine Meinung eine lobenswerte Tugend. Es gilt jedoch stets auch, sich der Gefahr bewusst zu sein, dass Härte und Biss plötzlich zu Sturheit mutieren könnte. "Mit dem Kopf durch die Wand gehen" war noch nie eine taugliche Methode bei heiklen Kommunikationsanliegen. Wir haben beim skizzierten Feld "Information und Öffentlichkeit" gewisse Bedenken: Falls es Micheline Calmy-Rey nicht schafft, die erwähnten Gegensätze unter einen Hut zu bringen, könnte es längerfristig zu weiteren Reibereien kommen.
Der Historiker Paul Widmer veranschaulicht in seinem Buch "Schweizer Aussenpolitik und Diplomatie", dass Gute Dienste nur dann erfolgreich sind, wenn man sie als "leises Geschäft" betreibt. Mit zahlreichen Beispielen belegt er, dass die Guten Dienste immer dann weniger erfolgreich waren, wenn Bern versuchte, die Eigenprofilierung dem Interesse der Drittstaaten zu überlagern. (z.B. im November 1985 als sich Reagan und Gorbatschew in Genf mit Bundespräsident Furgler arrangierten. In der Öffentlichkeit kam das Treffen zwar gut an. Aber im Grunde genommen wurde es von den Gästen als lästig empfunden.)
Bei allen Kommunikationsprozessen hat das Ich stets auf das Du Rücksicht zu nehmen. Möge es der neue Bundesrätin gelingen, künftighin in bei "Open Diplomacy " etwas mehr Flexibilität zu zeigen.


Nachtrag vom 13. Juli, 2003: Schadet Brunners Anti- CVP Kampagne der Bundesrätin?

Blick Schlagzeile Der Sonntagsblick vom 13. Juli (Frontseite: "Brunner verheizt Calmy-Rey") kommt nach einer ausführlichen Analyse der gewählten Bundesräte zum Schluss: Obschon die Mehrheit der Bevölkerung Bundesrätin Calmy-Reys forsche Art schätzt, könnte die SP Kampagne gegen Bundesrat Deiss letztlich zum Eigentor werden. Die Bürgerlichen könnten die neue Bundesrätin aus dem Rat werfen, denn die SP war immer auf eine andere Partei angewiesen, will sie ihre Kandidaten durchbringen. Meist war es die FDP oder die CVP, die der SP zu ihren Sitzen verholfen hatte. Angeblich muss die selbstbewusste neue Bundesrätin viele bürgerlichen Politiker zur Weissglut getrieben haben. Sie wittern nach der unglücklichen PR Aktion gegen die CVP Morgenluft und wollen ihren Unmut loswerden. Micheline Calmy-Rey wird mangelnder Leistungsausweis und schlechte Organisation vorgeworfen. Es soll bereits bürgerliche Überlegungen geben, Calmy-Rey abzuwählen. Ob die SP mit ihren provokativen Plakaten eine Lawine losgetreten hat?


Nachtrag vom 29. Juli, 2003
Die Schweizerische Aussenministerin Calmy-Rey mischte mit Vorliebe auf der Weltbühne mit - vom Irak bis Korea. Obschon dies zu ihrem Job gehört, hatte ihr dies den Vorwurf eingetragen, sie vernachlässige die Interessen der Schweiz bei den Nachbarn sowie die Geiseln in Algerien. Jetzt kontert Camy-Rey mit Reisen durch Europa. Sie plant noch in diesem Jahr Visiten in Deutschland, Österreich, Italien, England, Schweden, Luxemburg, Portugal und Polen.


Geiseln Nachtrag vom 19. August, 2003
Frau Calmy-Rey hat bei der Befreiungsaktion der Sahara-Geiseln gut reagiert. Sie sagte nichts und wartete konsequent, bis die Geiseln tatsächlich befreit waren.

Sie konnte in diesem Fall schweigen und gab keine vorschnellen Communiqués ab. In dieser Situation wäre eine sogenannte offene Informationpolitik völlig falsch gewesen.


Nachtrag vom 1. Oktober: Türkei lädt Bundesrätin Calmy Rey aus.
Ein geplante Besuch der Aussenministerin Calmy-Rey in der Tükei nächster Woche platzte überraschenderweise. Die Türkei hatte die Bundesrätin kurzfristig ausgeladen weil der Waadtländer Grosse Rat vor einer Woche den Völkermord an den Armeniern im Jahre 1915 offiziell anerkannt hatte. Später hiess es aber, der Besuch sei zwar nicht "annulliert", sondern "aus technischen Gründen verschoben" worden. Damit wird die offensiv politisierende Bundesrätin nicht für ihr eigenes Verhalten, sondern für den Entscheid eines Kantonsparlamentes bestraft. Die Türkei betrachtet die Auslegung der Armenier als "historische Lüge". In den türkischen Schulen lernen heute die Kinder, dass die Armenier an der türkischen Bevölkerung einen Genozid verübt haben und nicht umgekehrt. Die UNO und verschiedenen Länder haben jedoch den Genozid an der armenischen Bevölkerung anerkannt. Uns interessierte die Reaktion der Aussenministerin in den Medien auf diesen ungewöhnlichen Akt. Micheline Calmy-Rey zeigte sich am Dienstagabend gegenüber Radio und Fernsehen recht ungehalten. Die türkische Haltung sei "übertrieben und schwer verständlich". Calmy-Rey wies darauf hin, dass das politisch heisse Thema im waadtländer Parlament in einem normalen politischen Verfahren durchgeführt worden war. Die Schweiz wolle der Türkei keine Lehren erteilen. Simon Hubacher, Sprecher des Eidgenössischen Departementes für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) sagte gegenüber der NZZ: Die Annullierung der Reise werde nach Aussagen der Vorsteherin des EDA die Sache "doch ein bisschen komplizieren". Bereits in den neunziger Jahren war die Beziehung zwischen der Schweiz und der Türkei belastet: Im Juni 1993 hatten türkische Sicherheitsbeamte in Bern unkontrolliert auf kurdische Demonstranten geschossen, wobei ein Kurde getötet wurde und unter den Verletzten ein Berner Stadtpolizist war. Die Täter verliessen damals die Schweiz unter dem Schutz der diplomatischen Immunität.
Wir erachten das Verhalten der Bundesrätin als angemessen. Sie nutzte bewusst diplomatische Formulierungen.


Nachtrag vom 2. Oktober 2003 Zuerst hatte die Türkei den Besuch von Bundesrätin Calmy-Rey in Ankara einseitig abgesagt. Dann wurde der türkische Botschafter ins Bundeshaus zitiert. Nun gibt es eine neue Formulierung: Der Besuch sei nicht "annulliert", heisst es, sondern er sei nur "aus technischen Gründen verschoben". Der türkische Botschafter in Bern, Metin Örnekol, ist am Dienstag ins Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zitiert worden. Diese Aufforderung erfolgte nach der Annulation des Besuchs von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in Ankara. Über den Inhalt des Gesprächs gab EDA-Sprecher Simon Hubacher keine nähere Auskunft. Auch die türkische Botschaft in Bern macht keine detaillierte Angaben. Die Sprecherin Sibel Gal erklärte lediglich, dass der Besuch der Schweizer Aussenministerin nicht "annulliert", sondern "aus technischen Gründen verschoben" worden sei.




Nachtrag vom 5. Oktober Nach NZZ am Sonntag vom 5. Oktober wird Bundesrätin Calmy-Rey doch von der Türkei eingeladen. Chefbeamte beider Staaten suchen einen neun Termin.
Die Sonntagszeitung vom 5. Okt schreibt von einer getürkten Ausladung. Mit dem Besuchsprogramm in der Türkei habe Calmy-Rey bewusst den Eclat provoziert und die Konfrontation mit Couchepin gesucht. Bei Couchepin hatten die Wirtschaftinteressen stets erste Priorität. Bislang hatte sich der Bundesrat gegenüber der Verfolgung von Minderheiten in der Türkei nachsichtig gezeigt. Calmy-Rey hatte für die rund 6000 Armenier, die in der Schweiz leben nur Lob übrig:

"Der diplomatische Eclat hat nur positive Folgen: Man spricht in der Schweiz endlich einmal ausführlich über den Völkermord an den Armeniern, sowie über die offizielle Haltung der Schweiz dazu."


Damit habe die streitbare Aussenministerin mit ihrem Programm den Eclat bewusst in Kauf genommen.
Bundesrätin Calmy-Rey hatte oft erfahren müssen, wie sie mit ihren offensiven Aktivitäten Gegenkräfte geweckt hat. Nach der Türkeigeschichte: Ausladung, brachte die Sonntagszeitung einen Bericht, der davon ausgeht, als hätte die Aussenministerin den Eclat selbst inszeniert.
Dass die Aussenministerin die ganze Aktion als Konfrontationhandlung gegen Couchepin absichtlich geplant hatte, können wir uns kaum vorstellen. Anderseits haben wir verschiedentlich gesehen, dass Bundesrätin Calmy-Rey selten ein Blatt vor den Mund nimmt, wenn sie etwas zu sagen hat.


Nachtrag vom 16. Oktober, 2003: Gehören Ausklammerungen zur diplomatischen Rhetorik?
Calmy-Rey mit Fischer Bundesrätin Calmy-Rey wurde in der NZZ kritisiert, weil sie bei der Medienkonferenz mit Aussenminister Fischer die Auseinandersetzung über die Anflüge auf den Flughafen Kloten scheinbar ausgeklammert hatte. Erst auf die Frage eines Journalisten hin sagte Fischer, man habe das Thema beim 50-minütigen Gespräch kurz gestreift. (Mit dem Hinweis, das liege in der Zuständigkeit des Verkehrsministers der Schweiz). Die Konferenz vermittelte sonst den Medien das Bild von gegenseitigem Verständnis und Harmonie. Es war für die Schweizer Aussenministerin ein medienwirksamer Auftritt. NZZ:


"Die Charakterisierung der Beziehung als reibungslos zu bezeichnen - wenige Wochen vor Inkrafttreten der nächsten Stufe des verschärften Anflugregimes - stellt demgegenüber geradezu einen Akt deutsch-schweizerischer Realitätsverweigerung dar."


Wir vermuten, dass Calmy-Rey und Fischer nicht noch mehr Feuer in die emotionalisierte Thematik giessen wollten. Ob jedoch in dieser Situation das Ignorieren des Lärm-Problems eine angemessene Reaktion war, darüber könnte gewiss diskutiert werden.
Die bisherigen Aussenminister beider betroffener Länder waren sich gewohnt, stets gute Nachrichten verkünden. Die NZZ störte sich scheinbar nur daran, dass wenn Störungen in Teilbereichen der Beziehung aufgetreten sind, auch eine adäquate Form im öffentlichen Umgang gefunden werden müsste. Sonst:

"... wollen sie (beide Akteure gemeint) sich nicht dem Vorwurf aussetzen, die gemeinsamen Auftritte seien überflüssige Showveranstaltungen".


Erkenntnis: Einmal mehr zeigt sich bei Verhandlungen und diplomatischer Rhetorik, dass der Balanceakt zwischen einer offensiven, unverblümten Informationspraxis einerseits und einer eher "Problem -ausklammernden", beschönigenden Haltung anderseits schwierig sein kann. Diplomatische Rhetorik heisst, die Balance zwischen den beiden Extremen zu suchen. Micheline Calmy-Rey hat bewiesen, dass sie beide Verhaltensweisen beherrscht.


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