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www.rhetorik.ch aktuell: (2. März, 2002)


Die jüngsten Ausweichtechniken Blatters (II)

(Fortsetzung von Aktuell Mai, 25, 2001).
Siehe hier für die Fortsetzung vom 17. März .

Blatter, März 2002 Nachdem der englische Enthüllungsjournalist Andrew Jenning neues Material zu dem im Umfeld der letzten Weltfussballverband - Präsidentenwahl 1998 geäusserten Bestechungsvorwürfe veröffentlicht hat und beweisen will, dass afrikanische Verbände nach Schmiergeldzahlungen für den Schweizer gestimmt haben, wurden in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens Auszüge aus einem Dokumentarfilm gezeigt.
Farah Addo, März 2002 In der Sendung "Reporter" am 1. März wurde das brisante, unterschriebene und vor laufender Kamera formulierte Statement von Hassan Ali gezeigt, der angibt, von einem Wahlhelfer Blatters 10'000 Dollars entgegengenommen zu haben. Im Fernsehbeitrag behauptet Farah Addo, dass ihm einige Wochen vor der Wahl 100'000 Dollars angeboten worden seien, damit er für Blatter wähle. Er habe jedoch das Angebot abgelehnt. Addo will in einer Untersuchung herausgefunden haben, dass 18 afrikanische Verbände zu Blatter übergelaufen seien. Blatter habe von den Bestechungen gewusst, behauptete er zudem.
Wie antwortete Joseph Blatter am Fernsehen bei den Befragungen? Wir haben bereits früher im Wortlaut auf seine geschickten "Nichtantworten" hingewiesen. Uns interessierte es deshalb, wie der "König des Fussballs" heute bei unangenehmen Fragen antwortet.
In der FIFA-Homepage nimmt Blatter bereits Stellung auf den Artikel im "Daily Mail":

Blatter schreibt, er sei nicht überrascht, zu dieser Zeit von einem solchen Artikel zu hören. Er sei ein Teil einer Kampagne von Destabilisierung und Diffamierung gegen seine Person, die schon eine ganze Weile dauert. Anschuldigungen müssten erst einmal bewiesen werden, schreibt er.

Damit zeichnet sich Blatter auch bei dieser schriftlichen Begründung wieder dadurch aus, beim Antworten geschickt auszuweichen. Er sagt im Text nicht explizit: "Ich bin unschuldig!" Mit seiner Antwort heisst es lediglich: Man muss mir das Fehlverhalten "zuerst" beweisen! Wir protokollierten nach der Fernsehsendung vom 1. März wiederum detailliert (wortwörtlich) die Antworten Blatters aus dem Interview. (Die Mundart übertragen wir jedoch in die Schriftsprache) Es geht auch bei dieser Analyse nicht darum, Blatter schuldig zu sprechen. Das bleibt die Angelegenheit allfälliger Untersuchungsorgane.
Wir beschränken uns wiederum nur auf das rhetorische Verhalten anlässlich der harten Befragung.
Journalist: Blatter:
"Farah Addo behauptet, ihm wären 1000 Dollar angeboten worden!" "Ja, gut."
"Können Sie sich das vorstellen?" "Ja- äh - wenn er es sagt. Ja, dann soll er das doch beweisen. Ich mag über das gar nicht mehr reden. Aber ehrlich! Also, wenn jemand das sagen sollte, so nehmen sie dies. Sie müssen zu Farah Addo gehen und sagen. Bitte Herr Addo. Bitte geben sie mir den Ausweis, dass sich jemand angeboten hat. Wer ist das gewesen?"
"Er hat die schriftliche Aussage vom Vizepräsidenten die bestätigt, er habe das Geld angenommen." "Von wem?"
"Von einem Emissär aus XY" "Für was Geld angenommen?"
"Dass er für Sie stimmt. Dass der somalische Verband für Sie stimmt." "Wenn jemand sagt, dass der somalische Verband zu Farah Addo gehört, muss jemand irgendwie nicht ganz auf der Platte sein."

Blatter unter Beschuss, Photoquelle BBC Urteilen Sie selbst, ob Blatter eindeutig negiert, dass die Vorwürfe nicht stimmen. Falls nachträglich die Bestechung nachgewiesen werden könnte, hätte Blatte mit dieser Antwort nicht gelogen, denn er sagt nie explizit: Der Vorwurf stimmt nicht. Weshalb betont Blatter, dass diese Antwort ehrlich sei? Sind die anderen Aussagen nicht ehrlich? Blatter spricht pausenlos. Die Formulierungen sind zudem ungenau. Blatter holt sich Luft mit Gegenfragen. Nachdem verschiedene Finanzprobleme undurchsichtig blieben und die Bezüge Blatters ebenfalls unklar sind, wurde der FIFA Präsident im Interview persönlich gefragt:
Journalist: Blatter:
"Die FIFA ist keine private Firma, sondern ein Verein, der einer Idee dient. Weshalb darf man nicht wissen, was der Präsident verdient?" "Aeh, der-der Präsident verdient-äh- nicht. Der Präsident wird kompensiert - für Arbeit, die er macht. Ich bin auch nicht in einer Pensionskasse-äh- äh - oder nicht mehr in der Pensionskasse - bin Retraité- nach dem schweizerischen - nach schweizerischem Gesetz."
"Es werden Zahlen herumgeboten. Es ist behauptet worden - auch in Publikationen: Sie hätten Bezüge von ca. 4 Millionen pro Jahr!" "Nein! 4 Millionen Dollar -äh- 6 Millionen Schweizer Franken. Ja."
"Und was sagen Sie dazu?" "Das sind - das sind Zahlen-wo-wo- aus- aus dem Kosmos kommen. Und-und-äh, wenn die konkrete Frage jetzt kommt, werde ich sie schon beantworten."
"Ist 2 Millionen denn die bessere Schätzung?" "Nein, das ist auch keine richtige Schätzung. Es gibt keine Schätzung. Es gibt spezifische Zahlen. Und die Zahlen werde ich, wenn einmal die Frage kommt und die Frage ist noch gar nie in konkreter Frage...".
"Ich stelle Ihnen jetzt die Frage. Wieviel beziehen Sie pro Jahr?" "Aber ich gebe die Antwort via Finanzkommission - kann dann das Exekutivkomitee bekommen."

Blatter unter Beschuss, Photoquelle BBC Dieser Interviewteil überzeugt uns nicht. Die Antworten werden pausenlos, zu hektisch und zu schnell gesprochen. Das Gesicht war sichtlich erregt, gerötet. Der Sprechfluss meist gestört. Trotz Blickkontakt zeigt sich leichter Angstschweiß, die Haut glänzt. Der Fussballkoenig wirkt vorsichtig, wach, aber immer mit einem ungewissen Blick, der sagt: "Was ist los?" Die Antworten widersprechen sich. "Ich gebe eine Antwort, wenn ich gefragt werde", sagt Blatter wortwörtlich. Nachher gibt er jedoch keine Antwort, als ihm die Frage konkret gestellt wird.
Der König des Fussballs konnte sich bislang immer geschickt aus allen Schlingen ziehen. Es wird vermutet, dass der wendige Walliser, dank seinem riesigen Netzerk auch bei dieser Geschichte unbeschadet die jüngste unangenehme Situation überstehen wird. Blatter kann in seinen Antworten erstaunlich gut mit Widersprüchen leben. Als er darauf angesprochen wurde, ob er sich einen Flug von 100 000.-- Fr nach Afrika schenken liess, antwortete er zuerst, das sei ein Privatflugzeug gewesen.
Als er aber später vom Journalisten nochmals auf den teuren Privatjet angesprochen wurde, mit der Frage, ob er ein Geschenk von 100'000 Fr annehmen dürfe, meinte Blatter plötzlich:
Der Flug ist nicht von einem Geschäftsmann offeriert, sondern vom Präsident des entsprechenden Fussballverbandes.
In den Antworten sind für Blatter Widersprüche kein Problem. Er meisterte bislang alle gefährlichen Klippen, indem er sich in den Antworten stets ein Hintertürchen offen lässt.
Der Eindruck dominiert: Blatter ist ein Mann, der mit allen Wassern gewaschen ist.


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