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www.rhetorik.ch aktuell: (ab 30. Januar, 2002)

Wer wird neuer Bundeskanzler?

K+K kommentiert die kommunikative Kompetenz der Kandidaten beim Kanzler Wahlkampf.
Seit Mitte Mai 2002 gibt es einen dritten Kandidaten für die Bundeskanzlerwahl: der FDP Kandidat Guido Westerwelle . Wir werden von nun auch die kommunikative Kompetenz des dritten Kandidaten im Auge behalten und gegebenfalls die neue K und K und K Frage in einem separaten Beitrag kommentieren.


Alte Bundeskanzler Vorbemerkung: Beim nachfolgenden Vergleich geht es nicht um die Beurteilung der fachlichen Kompetenzen der Kanzlerkandidaten Stoiber und Schröder. Es geht weder um die Wählergunst noch um die Beurteilung der politischen Inhalte im Kampf um das Kanzleramt. Wir möchten vor allem das Verhalten und die rhetorischen Elemente dieser zwei Konkurrenten vergleichen und analysieren. Beim Duell zwischen dem Kanzler Schröder und dem Bayer Stoiber ist ist offensichtlich, dass beide "Macher sind" die sofort Kampfstimmung zeigten. Beide - der Kanzler sowie der Kandidat - kämpfen um die Mitte. Beim Beleuchten ihrer Auftritte möchten wir vor allem der Frage nachgehen:
Wie kommen die Kontrahenten beim Publikum an, wenn sie sich der Öffentlichkeit zeigen?

Umgang mit den Medien:
Schröder Stoiber:
  • Er spricht frei, am liebsten ohne Manuskript.
  • Er liebt das grosse Publikum.
  • Er registriert sehr schnell, wie es mit der Stimmung im Saal bestellt ist (gute Wahrnehmungsfähigkeit).
  • Er kann dank der Selbstironie politische Gegner aufweichen.
  • Er spricht immer ruhig.
  • Er strahlt Sicherheit aus.
  • Die Stimme tönt angenehm und hat eine gute Resonanzebene.
  • Wirkt kompetent, routiniert
  • Wenn er Texte ablesen muss, wirkt das Ablesen zusammen mit der Ruhe zu langweilig
  • Er ist nun auch bereit, sich dem Gegner in den Medien zu stellen (Doch möchte er das amerikanische Modell mit nur zwei Auftritten)
  • Sein erstes Interview strahlte Sicherheit und Wärme aus. Obschon bei den Antworten wenig konkrete Aussagen gemacht wurden, überzeugte Schröder.
  • Bei Fernsehauftritten wirkt der Kanzler in der Regel gelöst.
  • Er gibt sich gerne kämpferisch.
  • Das Engagement verleitet ihn gerne zur Polemik.
  • In Bayern gibt er sich im Outfit heimatverbunden (mit Hirschknopf-Janker).
  • Ausserhalb Bayerns trägt er meist dunkle Anzüge.
  • Die Stimme wirkt dann, wenn er sich ereifert, zu schrill, überschlägt sich mitunter.
  • In älteren Interviews wirkt er manchmal oberlehrerhaft.
  • Er möchte sich am liebsten permanent mit dem Kanzler an den Medien duellieren.
  • Bei Fernsehauftritten wirkte Stoiber anfangs kalt, unnahbar, hochnäsig und ungewöhnlich nervös, korrigierte später aber solche Fehler.
Beispiel: Misslungen ist Stoiber der TV Auftritt am 20. Jan, am Sonntag in der ARD. Bereits beim ersten Fernsehauftritt als Kandidat trat er ins Fettnäpfchen. Erst sprach er die Moderatorin Sabine Christiansen mit "Frau Merkel" an, dann strapazierte Edmund Stoiber die Geduld der Zuschauer, indem er sich auf ellenlange Fachsimpeleien mit Experten einliess. Der Kanzlerkandidat wirkte kalt, unnahbar, hochnäsig und nervös. Nur selten sahen die Zuschauer ein gequältes Lächeln im Gesicht. Die Gestik war vielfach nur ein Fuchteln d.h. es waren keine Bewegungen, die zur Aussage passten. Die Nervosität spiegelte sich in den verschachteteln Sätzen. Bei einigen Gedanken musste Stoiber den Abschluss suchen. Im zweiten Auftritt im ZDF (23. Jan) überzeugte er aber plötzlich, trotz hartem Kreuzverhör. Stoibers Coach Michel H. Spreng scheint es gelungen zu sein, dem Kanzlerkanditat seine Stärken bewusst zu machen und in zwei Tagen elementarste Fehler zu beheben. Jedenfalls war Stoiber entspannter und formulierte plötzlich kompakt. Ob der Stoiber Berater Spreng recht hat, wenn er meint. "Stoiber ist der beratungsfähigste Politiker, den ich kenne."

Laufbahnen:
Schröder Stoiber:
Schröder ist der Sohn eines Hilfsarbeiters. Sein Vater fiel im zweiten Weltkrieg was zur Folge hatte, dass seine Mutter mit Putzen das Geld verdienen musste. Das Vorbild der Mutter prägt Schröders politische Einstellung. 1963 tritt er in die sozialdemokratische Partei ein und engagierte sich bei den JUSOS. 1964 macht er noch die mittlere Reife per Abendschule und schliesst 1971 sein erstes juristisches Staatsexamen ab. Nach der Scheidung mit erster Ehefrau Eva heiratet er Anne Taschenmacher. Seit 1976, nach dem zweiten Staatsexamen ist Schröder in Hannover Rechtsanwalt. Als Ministerpräsident von Niedersachsen setzt er nach einer Koalition mit den Grünen auf "sozialdemokratischen Pragmatismus". Seit 98 ist Schröder der siebte Bundeskanzler. Dank der permanenten Medienpräsenz erübrigt sich eine zusätzliche detaillierte Auflistung seiner Aktivitäten. Wuchs als Jüngster von drei Kindern in ärmlichen Verhältnissen auf. Er arbeitet und rackert sich nach oben. Ehrgeizig, möchte er überall er der Beste sein. Sonnt sich als erfolgreicher Ministerpräsident im Erfolg. "Von Bayern lernen, heisst siegen lernen!" Nach dem Jurastudium läuft die Karriere nach Plan. Er fällt mit aufhetzerischen Zwischenrufen und Autoaufkleber wie "Mir stinken die Linken" auf. Franz Josef Strauss kürt Stoiber zum Generalsekretär. Stoiber wurde damals als "Wadenbeisser" gefürchtet. Wer ihm gefährlich werden konnte, bekam die Kämpfernatur des Bayern zu spüren. "Gott vergibt, Stoiber nie". Jahrelang zog Stoiber gegen Sozis, Chaoten, Faschisten und Kommunisten. Der Scharfmacher wurde aber allmählich zum Staatsmann und beschwört heute die heile bayrische Welt. Manchmal überholt der CSU Chef in sozialen Fragen sogar die SPD.

Berater:
Schröder Stoiber:
Schröder wird beraten von
  • Kanzleramtchef Frank-Walter Steinmeier
  • Büroleiterin Siegrid Kamplitz
  • Historiker Heinrich-August Winkler
  • VW- Aufsichtratchef Ferdinand Piëch
  • Siemens-Chef Heinrich von Pierer
  • In Krisenzeiten: Altkanzler Helmut Schmidt
  • Christian Ude wurde im März neu ins SPD Wahlkampfteam berufen und soll dort vor allem die Wirtschaftskompetenz Stoibers ins Auge fassen.
  • Regierungssprecher Ulrich Wilhelm
  • CSU-landesgruppenchef Michael Glos
  • Siemens-Chef Heinrich von Pierer
  • für den Wahlkampf holt Stoiber Schäuble als Berater
  • als Wahlkampfmanager: Michael H. Spreng der ehemaliger Chefredakteur von der Zeitung "Bild am Sonntag".
  • Stoiber traf sich im Februar 2002 vertraulich mit Alt-Kanzler Helmut Kohl. der Stoiber versprach, seine internationalen Kontakte und Erfahrungen im Wahlkampf zur Verfügung zu stellen.

Aussagenschwerpunkte:
Schröder Stoiber:
  • Inhaltlicher Schwerpunkt ist bei Schröder die Aussen- und Sozialpolitik.
  • In der Aussenpolitik scheidet der Kanzler im Januar bei der Bevölkerung sehr gut ab.
  • Edmund Stoiber belegt die politischen Themenfelder: Arbeitsmarkt und Wirtschaft.
  • Er weiss, dass er gegenüber Schröder im Bereich der inneren Sicherheit stärker ist.

Ehepartner:
Schröder Stoiber:
Doris Schroeder Karin Stoiber
Nach Meinungsforschern wird es bei der Wahl im Herbst für beide Anwärter eng. Die Ehepartner könnten deshalb den Ausschlag geben.
  • Doris Schröder-Köpf wird von den Medien als die perfekte Frau für den jetzigen Regierungschef bezeichnet. Spricht fliessend Englisch was bei internationalen Kontakten hilfreich ist.
  • Hat eine charmante Art. Schafft gutes Gesprächsklima.
  • Ihr persönlicher Einfluss auf den Kanzler: Als ehemalige Politikredakteurin "FOCUS" ist Doris Schröder eine wichtige Beraterin des Mannes. Hält sich aber im Hintergrund.
  • Ihr Motto: "Ich sage Gerd, was ich denke. Was er macht, entscheidet er."
  • Seit 4 Jahren mit Schröder verheiratet.
  • Karin Stoiber steht hinter ihrem Mann. Bescheidenes Auftreten.
  • Freundlich. Herzlich.
  • Ihr persönlicher Einfluss auf den Kanditaten: Ist ein Seismograf und Berater, sagt der Ehemann von ihr. Redet mit dem Mann über grundsätzliche politische Dinge. Kandidat Stoiber hörte aber bei der Kanzlerkanditatenfrage nicht auf seine Frau.
  • Stoiber sagt selbst: "Ohne Karins Kontrolle gehe ich nicht los."
  • Seit 34 Jahren mit Stoiber verheiratet.
Wer ist eleganter?
Doris Schröder liebt Hosenanzüge oder Kostüme mit Nickituch und Perlenkette. Abendkleider sind figurbetont. Trägt gerne Hochsteckfrisuren. Wirkt nie aufgedonnert. Achtet auch auf die Eleganz des Mannes. Karin Stoiber ist stets elegant gekleidet. Sie bevorzugt Abendroben, trägt aber auch gerne die Tracht. Dezentes Make-up. Lieblingsschmuck: Weiss-Goldring mit kleinen Brillanten (Hochzeitsgeschenk des Mannes).
Wer ist herzlicher?
Doris sorgt mit ihrem Charme an Staatsbesuchen für ein entspanntes Klima. Karin wirkt immer freundlich. Sie legt ihrem Mann gerne Zettel mit lieben Bemerkungen ins Reisegepäck.
Wer ist schlagfertiger?
Auf den Mann angesprochen, antwortet Doris: "Ich stehe nicht hinter dem Mann, sondern neben ihm." Karin über die Ehe: "Es war Liebe auf den 50. Blick."
Wer ist beliebter?
Doris macht sich mit Lebensweisheiten beliebt. In der Öffentlichkeit wurde die Aussage geschätzt: "Kinder müssen endlich wieder zu Fleiss, Pflichtbewusstsein und hilfsbereitschaft erzogen werden." Karin Stoiber gilt als Bayrische Landesmutter und hat in der Bevölkerung eine grosse Akzeptanz.


Wie war ich? 
   Schroeder und Stoiber nach Rededuellen
Das sanften Rededuell im Bundestag. Schröder und Stoiber umsteuern Fettnäpfchen.


Wie kommende Auftritte verbessern?
Schröder Stoiber:
  • Obschon der Kanzler gut mit den Medien umgehen kann, natürlich wirkt und Sympathie ausstrahlt, müsste er auch Einiges verbessern.
  • Kanzler Schröder dürfte konkreter werden und Fakten nennen. Immer wieder bringt er vage Formulierung. Sprüche und allgemeingültige Aussagen. Hohle Politikersprüche überzeugen nicht. Deshalb: Konkrete Details, Zahlen und Fakten! Siehe hohle Phrasen.
  • Immer wieder verwendet Schröder die Formel "Ehrlich gesagt". Damit haben die Zuhörer das Gefühl, bei anderen Aussagen sei es nicht sicher, ob es ehrlich gemeint ist.
  • Bei den Diskussionen bei Interviews beschönigt Schröder zu oft beweisbare Vorwürfe. Weshalb nicht auch eindeutige Fehler zugeben? (z.b. die hohen Arbeitslosenzahlen). Obschon mehrere Jahre im Amt, können die Fehler nicht zu lange nur Kohl in die Schuhe geschoben werden.
  • Schröder ist und bleibt gewiss ein Medienpofi. Er bewegt sich vor der Kamera wie ein Fisch im Wasser. Es besteht höchtens die Gefahr, dass er mit der Zeit zu selbstsicher und zu fahrlässig wird und sich zu sicher fühlt. Als Coacher müssten wir ihm immer eine vernünftige Prise Lampenfieber geben, damit der Kanzler Im Eu-Stress wach und präsent bleibt. Der ehrgeizige Stoiber wird bestimmt aus den Fehlern Lernen und kein leichter Gegner sein, obwohl der als Kandidat noch lernen muss, in der Bundesliga zu spielen.
  • Stoiber wirkt bis anhin noch steif und hölzern. Die Körperhaltung ist verkrampft. Obwohl er hinsichtlich Fachwissen kompetent wirkt,müsste noch einige Hausaufgaben machen um für die bevorstehenden Verbalkämpfe gewappnet zu sein: Stoiber dürfte beispielsweise die Ehefrau Karin im Wahlkampf mit einbeziehen.
  • Stoiber macht den bekannten Fehler, Vorwürfe zu wiederholen. Wenn die Journalistin sagt: "Das gibt einen FLOP!" antwortet Stoiber: "Das gibt keinen FLOP!" Damit wird in der Antwort der Vorwurf FLOP wiederholt, wenn gleich nur negativ.
  • Stoiber müsste proaktiv antworten lernen. Beispielsweise bei diesem Vorwurf: "Nein, das wird ein Erfolg sein!" Wenn Negatives wiederholt wird, gelangt das negativ besetzte Wort ins Langzeitgedächtnis.
  • Die Formulierungen müssten offensiver formuliert werden. "Wir werden mit Schröders Regierungssünden Schluss machen¨" (Aber ohne Stockungen und Aehs). Durch das unablässige Stammeln und die zu langen Gedanken werden die Aussagen unverständlich. Stoiber versucht die zahlreichen Gedanken in noch zahlreichere Worte zu fassen. Ein Muster aus einem Interview vom 20. Jan: (nach Spiegel, 5/2002
    "Das heisst also Absenkung des Nach..., des, des, des, des, des, na, des, des Alters der Kinder, wenn sie, des Nachzugsalters; dann kommt der fünfte Punkt, und der sechste Punkt kommt dann sicherlich die Fragen gleichge..., äh, nicht gleichgeschle...., sondern, äh, ob ich auch, äh, äh, Asylgründe schaffe ausserhalb der politischen und der rassistischen Verfolgung, also auch Gründe, äh, wenn aus, wenn, wenn andere Gründe sozusagen also aus dem Geschlecht oder ähnlichem, äh, stattfinden, also wenn Frauen die irgendwie wegen ihres Frauseins irgendwo verfolgt werden."
  • Stoiber könnte Fortschritte machen, indem er jeweils nur kurze Gedanken nacheinander formulieren würde und nach 13 Worten oder 3 Sek den jeweiligen Gedanken abschliessen würde. Die Technik wäre rasch lernbar. Gedanken (abschliessen) - Pause - neuer Gedankenbogen (abschliessen) - Pause usw. Damit würden "Aehs" eliminiert, Versprecher reduziert, das "Stottern" verschwinden. Kürze ist und bleibt ein wichtiger Verständlichkeitshelfer.

Die folgende Gegenüberstellung stammt von unserem Beobachter und Analytiker aus Deutschland:
Hans M. Hofmann:

Gegenüberstellung:
Schröder Stoiber:
Auf den ersten Blick wirkt
Schröder jovial. Stoiber distanziert und kühl.
Auf den zweiten Blick ist zu bemerken,
dass er sich nur so gibt, weil er anzunehmen scheint, dass es von ihm erwartet wird und ihm Sympathien (=Stimmen/Wähler) bringt. dass er unsicher, fahrig, nervös zu sein scheint, sich aber dank seiner Sachkenntnis (und seines Naturells) allen anderen überlegen fühlt.
Er findet Cousinen, bereist neue Bundesländer, klopft Sprüche ("Basta, Lehrer sind faule Säcke"). Er ist ein hervorragender Redner, der auch fesselnd und glaubhaft reden kann. Er wirkt frei, leger. Er gibt sich als warmherziger Familienmensch, Vereinsbruder und praktizierender Katholik, übertreibt aber und wirkt unglaubhaft, manchmal fast lächerlich (wie z.B. mit Schützenhut als Ehrenoffizier oder mit Masskrug beim Bieranstich).
Parvenue (gebessert), der Brioni Anzüge und Cohiba-Zigarren nicht wirklich geniesst, sondern sich damit wichtig macht und zur Schau stellt. Ein Prolet, der bemüht ist, seine "Spannkraft" z.B. durch verdächtig dunkles Haupthaar zu belegen. Er ist nicht wirklich souverän, kein Parteimensch, hat keinen "Stallgeruch". Gibt sich als "Landesvater" voller Verständnis und Gefühl, was ihm nur schwer abzunehmen ist. Mimt den Intellektuellen, der er äusserlich auch scheint, und scheint mit randloser Brille und mit Rechtsscheitel geboren. Er ist ein Zauderer. Zu seiner Partei (CSU) verwurzelt. In erster Linie ist er ein Bayer.
Ein Machtmensch, der gefährliche Konkurrenten (=Parteifreunde) ziemlich erfolgreich und rücksichtslos ausschaltet oder zur Seite zwingt
z.B. Lafontaine. z.B. Waigel.
Er hat keine Konturen, keine Prinzipien, keine tiefen Bindungen, keine Persönlichkeit, aber einen extrem starken Machttrieb. Man glaubt ihm, Grundsätze zu haben, Prinzipien, nach denen der lebt und regiert. Hat Persönlichkeit.
Im Geruch von Spezi-Wirtschaft oder Amigobräuchen
steht er nicht. steht er schon, obwohl nichts zu beweisen ist. Ein gewisser Hautgout ist da. Sein Förderer war schliesslich Franz Josef Strauss.
Den Eindruck, Einzelheiten von dem zu kennen, worüber er redet und zu entscheiden hat,
macht er weniger. macht er unbedingt.
Im Auftreten wirkt er in letzter Zeit
nervös, gereizt, abgespannt und sichtbar bemüht, zu werben. Er geht nicht mehr, er schreitet und lächelt gönnerhaft. ruhiger, aber überheblich und abgehoben.
Er entspricht dem landläufigen Bild des
Rauchers, Geniessers (auch guter Tropfen). des überzeugten Nichtrauchers, Teetrinkers, Arbeitstieres.
Ein Mauschler. "Lässt" mauscheln.
Er sieht sich als erfolgreicher (Politiker sowieso) Wirtschaftler, versucht dieses Bild zu vermitteln. macht aber sachliche Fehler,
indem er sich einmischt (Holzmann z.B.) beziehungsweise in der Umgestaltung versagt (Neugestaltung der Renten, Krankenversicherung, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit). für die er Bauernopfer fordert (z.B. beim 400. Mio DM Verlust der Landeswohnungsbauanstalt), sieht sich (und wirkt auch) als sehr erfolgreicher Ministerpräsident, trotz etlicher Versager (Maxhütte, Grundig, Kirch).


Wie sehen Kabarettisten die Kontrahenten?
Schröder Stoiber:
    • Schroeder kann als mediengewandter Rhetoriker weniger gut karrikiert werden. Sprachmarotten wie das Setzen von vehementen Schlusspunkten: "Wir werden es so machen - Basta!" werden gerne parodiert.
    • Bei Schroeder waren in einer Satiresendung seine angeblich gefärbten Haare ein dankbares Endlosthema.
    • Eine bösartige Analogie machte früher die Runde: "Das Kabinett Schröder gleicht der Vorhalle eines Getränkemarktes lauter leere Flaschen!"
    • Heute sind es vor allem politische Probleme, die thematisiert werden. Bei den enormen Arbeitslosenzahlen heisst Schröder "Viermillionenkanzler". Gepöttelt wird auch über Minister mit unterschiedlichsten Hypotheken: z.B. der Arbeitsminister (frisierte Zahlen), der Verteidigungsminister (Eigenmächtige Flugzeugbeschaffung), oder Schilly ("V Männer-Geschichte").
  • Michael Lechenberg, der seit Jahren Stoiber imitiert, ist der Meinung, dass sich Stoiber verändert hat. Vom Scharfmacher sei er ein ruhiger, überlegter Politiker geworden. Er sei staatstragender geworden habe heute etwas von einem "Landesvater".
  • Der Müncher Promifriseur Gerhad Meir meint zur Frisur Stoibers: "Ein bisschen zu aufgebretzelt und hingeföhnt" und fragte: "Warum signalisiert er nicht auch frisurtechnisch Mut zum Wechsel?"
  • Stoiber sei leicht zu imitieren, meint Komiker Lechenberg, weil er immer eine ähnliche Diktion habe. Auch bei der Mimik oder Gestik (Finger parkt im Gesicht) ist viele Verhaltensweisen wiederholt werden.
  • Der Kabarettist findet Stoiber aber nicht als humorlos. Aus seiner Sicht verhält sich der Kanzlerkandidat nur überkontrolliert. Vielleicht habe er zu viele Berater, meinte er.
  • Der Schriftsteller Günter Grass griff Stoiber in einem NDR-TV-Interview an und verglich dabei den CSU-Kanzlerkandidaten mit Berlusconi und Haider. Grass machte den bayrischen Kanzlerkandidaten auch für den Rechtrsradikalismus in Deutschland verantwortlich. Grass ist dafür bekannt, ihm missliebige Personen mit starken Worten zu benennen: Er nannte den ehemaligen Präsident Nixon einmal ein "Arschloch".


Beide suchen das Fernsehduell
Strauss-Schmidt Die Fernsehdebatten könnten entscheidend sein und an Schluss die letzten Prozentpunkte im Wahlkampf bringen. Doch sind wir noch weit entfernt von der Endphase. Werden die Fernsehduelle Schröder/Stoiber wiederum Strassenfeger, wie vor 22 Jahren beim Duell Franz Josef Strauss gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt? Damals gewann Strauss das Fernsehduell und Schmidt die Wahlen. Ein Blick zurück: Bereits 1976 weigerte sich Kanzler Schmidt, gegen Herausforderer Kohl anzutreten. "Warum sollte ich mich auf ein Fernsehduell zu zweit einlassen? Da würde ich den Kandidaten nur aufwerten. Wenn überhaupt würde ich nur mit Genscher vor der Kamera diskutieren," lautete damals die Begründung. Vier Jahr später lehnte Schmidt wiederum ein TV-Duell mit Strauss ab. Es kam dann immerhin noch zu einer Viererrunde (Strauss, Kohl, Schmidt, Genscher). Nonverbale Signale spielten dazumal bereits eine grosse Rolle: Schmidt griff immer wieder fahrig zur Zigarette. Zweimal fiel Schmidt Kohl ins Wort, der konterte: "Benehmen sie sich doch, wie es einem Bundeskanzler zukommt!" Strauss, sonst ein Raufbold, blieb ruhig, lächelte und glänze mit Fachwissen. Trotzdem gewann Schmidt die Wahl. 1982 zahlte es die Gegenseite heim und verweigerte auch Duelle gegen Vogel, Sharping, Lafontaine, Schröder). Nun mit der Begründung: Meine Vorgänger haben dies auch nicht gemacht.
Und heute? Schröder stellt sich der Herausforderung. Er kennt seine Stärken vor Mikrofon und Kamera.


Situation Ende Februar 2002
Schröder Stoiber:
Der Kanzler lässt sich trotz all dem, was schief läuft, nicht nervös machen und liess verlauten, er wolle sich jetzt in erster Linie um sine Arbeit kümmern. Damit signalisiert er, dass er sich vom Herausforderer Stoiber nicht aus der Ruhe bringen lässt. Der Kanzler mit der ruhigen Hand bereist auch jetzt ruhig die Welt. Alles scheint den normalen Lauf der Dinge zu nehmen. Schröders Wahlkampf steht unter dem Motto: "In Deutschland ist die Mitte rot!" Dass die SPD die Mitte besetzen will - und damit Stoiber in die rechte Ecke gedrängt wird - zeichnet sich immer mehr ab. Die zwölffache Wiederholung der Mitte am "Mitte-Kongress" war geprägt vom Willen, sich nicht von Problemen und schlechten Nachrichten leiten zu lassen. Trotz dieser Strategie, bleibt der Kanzler vorläufig von Ärger umzingelt:
  • Das Bündnis für Arbeit liegt wegen Tarifkämpfen in der Agonie. Riester steht unter Beschuss.
  • Die Beschaffung der Militär Airbus A 400M macht Bauchweh (Scharping und die Haushaltkompetenz)
  • Das NPD Verbotsverfahren (V-Männergeschichte). Schilly mit seinen herrischen Auftritten trug wenig zur Beruhigung bei.
  • In der Budgetpolitik kam Eichel nach den Presseechos vom Regen in die Traufe. Bei der drohenden Abmahnung aus Brüssel wegen der hohen Neuverschuldung muss nun Eichel bis 2004 die Defizite beinahe ausgleichen. Bei Städten und Komunen zeichnen sich gewaltige Widerstände ab.
Wie wird es Schroeder schaffen diese Gefahren abzuwenden? Es gibt Anzeichen dafür, dass es sich vor allem um die Familien kümmern will.
Schröders Rivale hat zwar in der ersten Phase des Wahlkampfes veschiedentlich die Probleme der Rot-Gruenen Regierung angesprochen und wiederholt. Doch genügt es der Bevölkerung noch nicht, wenn die Fehler der Regierung nur dauernd vorgebetet werden.
Alle warten auf konkrete Vorschläge. Was kann Stoiber tun, um die Wirtschaft anzukurbeln? Wenn Stoiber nicht schon heute wenigstens ein paar Schwerpunkte verlauten lässt, muss er damit rechnen, dass er an Glaubwürdigkeit verliert. Andeutungen genügen nicht. Es brauchte unbedingt grundsätzliche Thesen, die nachher im Programm noch verdeutlicht werden können.
Diese Thesen dürften aber nachher nicht mehr laufend relativiert werden. Den Wählerinnen und Wählern nutzt es nichts, wenn immer wieder etwas Anderes versprochen wird:
  • Einmal: Ich baue die Oekosteuer ab
  • Dann: Ich friere die Oekosteuer ein
  • Oder: Die Oekosteuer überprüfen wir noch
Stoiber müsste es fertig bringen, wenigstens ein glaubwürdiges Leitbild zu entwerfen. Es fehlt ihm an programmatischen Eckpunkten. Ein skizziertes Gesellschaftswunschbild allein genügt noch nicht, um bei Auftritten ein Publikum zu überzeugen.
Schröder Stoiber:
Distanziert sich von den Problemministern. Kann die Probleme der SPD nicht nutzen.
Möglicherweise wollen beide niemanden vor den Kopf stossen. Bis zu diesem Zeitpunkt herrscht eine Patt-Situation.

Zwischenbilanz vor der nächsten Etappe.
Was Schröder und Stoiber am meisten fürchten müssen:
Aus unserer Sicht sieht es so aus, als versuchten sowohl Kanzler und Herausforderer, den Gegner zu belauern. In den nächsten sieben Monaten werden beide den Rivalen auf Schritt und Tritt beobachten. Zur Zeit haben beide Kontrahenten unangenehme Dinge und Sachveralte, die ihnen gefährlich werden könnten.
Schröder Stoiber:
Der Kanzler muss am meisten befürchten, dass er mit Stillstand und Halbherzigkeit in Verbindung gebracht wird. Er muss sich vor einer weiter zunehmenden Arbeitslosigkeit fürchten. Ein weiterer Rückgang der Wirtschaft wäre jetzt Gift im Wahlkampf. Schröder müsste sich ferner vor dem Herausforderer fürchten, falls er trotz schlechtem Medienstart sich plötzlich doch noch besser "verkauft". Gefährlich wäre für Schröder der sogenannte Bush-Effekt. Niemand rechnete in den Staaten mit Bush, als er im TV Duell zuerst negativ abschnitt. Nachher war er jedoch nicht mehr so schlecht, wie alle erwartet hatten. Schröder dürfte somit Stoiber nicht unterschätzen, obwohl das Interview bei Christiansen mager war. Der Kanzler muss sich auch vor einem klaren, eindeutigen, realistischen Konzept Stoibers fürchten (das zwar noch fehlt).
Schröders Familie, die zum Teil querschlägt, macht ihm gewiss auch Bauchschmerzen. Falls Stoiber plötzlich als zweifacher Grossvater mit dem Enkelkind auf dem Arm den Familienpolitiker mimen könnte, wäre dies für den Kanzler ebenfalls beängstigend.
Stoiber fürchtet sich bestimmt davor, dass ihm die Sorgen für den kleinen Mann die Konsensfähigkeit oder die Sympathie abgesprochen würden. Stoiber muss vor widersprüchlichen Aussagen oder nichtrealisierbaren Versprechen Angst haben. Letzteres gilt vor allem in finanzpolitischen Fragen. Stoiber weiss genau: Das was gefordert wird, muss immer auch bezahlt werden können. Er würde für ihn gefährlich, wenn realistische finanzpolitische Lösungen nicht mehr rechtzeitig publik gemacht werden könnten. Der Herausforderer Stoiber hätte es schwer, wenn in Fernsehduellen die Moderatoren zu moderat wären und sich in allgemeine Themen flüchten würden dh. Themen ansprechen, die vor allem Schröder gerne abhandelt. Auf politischer Ebene könnte Schröder die Friedenssicherung im Balkan vorantreiben und dort Erfolg haben. Dieser aussenpolitischer Erfolg der Gegenseite käme Stoiber ebenfalls recht ungelegen. (Die Bürger in Deutschland haben nämlich wenig Verständnis für Interventionen auf mehreren Kontinenten.) Die Konzentration der Kräfte Schröders mit einem punktuellen Erfolg müsste somit Stoiber aussenpolitisch am meisten fürchten.
Vermutlich hätte Stoiber auch keine Freude, wenn der Kanzler seine weit verzweigte Familie doch noch auf Kanzlerkurs bringen könnte. Schröder würde damit zum Friedenstifter, der alle Probleme lösen kann, sogar familiäre.

Erste Redeanalyse zum Auftakt des Wahlkampfes
Schröder Stoiber:
In München sprach der Kanzler am 1. März vor den eigenen Parteigenossen Die Gerd-Show dauerte nur 30 Minuten. Weniger lang als Stoiber nur zum Anwärmen gebraucht hatte. Er sprach völlig frei, während Stoiber in den Anfangsphasen meist auf sein Manuskript fixiert ist. Schröder stellte sich in wohlgesetzten Worten von der moralisch überlegenen Seite dar. Den Namen Stoiber erwähnte er mit keinem Wort. Er sprach lediglich von "der anderen Seite". Diese fahre wieder einmal die von Franz Josef Strauss erfundenen Sonthofen-Strategie: Um die Regierung zu treffen, rede sie einfach das "Land krank". Schröder kommt im Gegensatz zu Stoiber ohne Zahlen aus. Das Thema Arbeitslosigkeit, die Pro-Kopf-Verschuldung klammerte der Kanzler geschickt aus. Kein Wort zu den neusten Arbeitslosenzahlen. Gewiss kann Schröder mit dieser Taktik in einem Streitgespräch nicht mehr operieren. Dann sind Begründungen gefragt. Zum Auftakt des Wahlkampfes, bei einer Grossveranstaltung in Frankfurt konzentrierte sich der Kanzlerkandidat auf wirtschaftliche Themen und warf dem der Regierung Versagen vor. Er betonte mehrmals die Zusammenarbeit mit der CDU Vorsitzenden Merkel. Stoiber gelang es, seine Anhänger zu mobilisieren. Von Anfang an brandete ihm frenetischer Jubel entgegen. Dies zeigt einmal mehr, dass Stoiber dann stark ist, wenn er Heimvorteil hat. Bei harten Befragungen oder dann, wenn er den Gegenwind spürt, zeigte er bislang zu viele Schwachstellen. In der einstündigen Rede in Frankfurt konzentrierte sich Stoiber hauptsächlich auf das "Sündenregister" der rot-grünen Regierung und zitierte immer wieder die "ruhige Hand" des Kanzlers als Symbol der Untätigkeit. Er weiss, dass die Wirtschaftsthemen über Sieg oder Niederlage entscheiden könnte. Um sich bei den Bürgerlichen zu profilieren, musste Stoiber aber auch auf andere Themen wie Patriotismus, Ehe, Familie, Disziplin oder Fleiss ausweichen. Die Ausdehnung der Einwanderung lehnt Stoiber ab. Mit einem Frontalangriff gegen Rot-Grün, bei den Themen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften oder erleichterte Einbürgerung ging der ehemalige reaktionäre Scharfmacher nicht ein. Damit erhob Stoiber selbstbewusst seinen Anspruch auf die bürgerliche Mitte.

Wahlkampf im Buchladen:
Schröder Stoiber:
"Gerhard Schröder, ein Portrait", von Jürgen Hogrefe, "Spiegel" Korrespondent.
Beurteilung des Buches von Michael Spreng, (Schröders Wahlkampfberater).
Gerd ist in diesem Buch die Sonne und wir die Monde. Nur wenn die Sonne strahlt, dann scheinen auch die Monde. Das Bekannteste an Gerhard Schröder ist die Oberfläche. Die Nähe des Autors zu Schröder führt zu keinen neuen Erkenntnissen oder Deutungen. Das Buch ist ein Rekapitulation einer Aufsteigersage. Es ist eine Verehrungsschrift. Abgesehen von einigen Anekdoten ist das Buch langweilig. Am Schluss blitzt eine Formulierung auf: "Kanzler des Übergangs". Vielleicht hatte der Autor mehr Recht als er glaubt.
"Edmund Stoiber, der Kandidat", von Michael Stiller, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung".
Beurteilung des Buches von Matthias Machnig, (Chef der SP Wahlkampforganisation).
Wenn es um wichtige politische Fragen geht, erinnert man sich an den berühmten Spruch eines Sportreporters. "Wo ist Stoiber?" Der Autor thematisiert die dem Bayer heute so lästige Vorgeschichte. Viele harte Zitate illustrieren Stoibers gnadenlose Scharfmacherei. Wir lernen Stoiber kennen als einen wenig mutigen Mann, der Theo Waigel nicht offen, sondern hintenherum "von der Bühne schubste". Wir erfahren im Buch, dass Stoiber kein Gestalter ist, keine Prioritäten setzt und extrem misstrauisch ist. Die Selbstzweifel versucht Stoiber durch forsches Auftreten zu kaschieren. Monatelang blieb Stoiber im Wahlkampf unverständlich und diffus.

Wahlkampf im Internet:
Schröder Stoiber:
Verbale Schlagabtausche der beiden Kontrahenten sind im Internet verfolgbar.
Die Reden und Partei von Gerhard Schröder finden sich in:
Die Reden von Edmund Stoiber findet man auf den Links:


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