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www.rhetorik.ch aktuell: (28. Feb. 2004)

Mord an einem Fluglotsen (Fortsetzung vom 5. Juli 2002)

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Der 36 jährige Flugverkehrsleiter Peter N. von "Skyguide", der während der Überlingen-Katastrophe am 1. Juli 2002 Dienst hatte wurde am 24. Februar vor seinem Haus in Kloten erstochen aufgefunden.


Tat-Hergang (Quelle "Blick"). Um 17.45 Uhr taucht vor dem Einfamilienhaus (Bild) des Skyguide-Mitarbeiters Peter N. am Rebweg in Kloten ein etwa 50-jähriger Mann auf und klingelt an der Tür. Als der 36-jährige Hausbewohner öffnet, wechseln die beiden nur wenige Worte. Plötzlich greift der Besucher sein Opfer an, sticht mit einem Messer mehrmals zu. Dann ergreift der Täter - er spricht gebrochen Deutsch, hat dunkle Haare, Dreitagebart und trug einen dunkelgrauen Mantel mit Fischgratmuster - zu Fuss die Flucht Richtung Lufingen.


Die Medien fragten sofort, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Mord in Kloten und der Flugzeugkatastrophe von Überlingen gebe. Verschwörungstheorien wurden geäussert: War es die Rache eines Hinterbliebenen? Wurde er als Wurde er zum Schweigen gebracht, weil er als Kronzeuge gegen Skyguide aussagen hätte machen können?

Ob es sich beim Mord in Kloten um einen Racheakt gehandelt hat ist immer noch in Abklärung. Gefahndet wurde nach einem 50 Jahre alten Mann mit dunklen Haaren, der gebrochen Deutsch spricht. Ein Verdächtiger, Witali Kolojew, der beim Flugzeugzusammenstoss seine Frau und Kinder verloren hatte und bereits im Juli 2003 mit Vergeltung gedroht hatte, ist später verhaftet worden.


Der Arbeitgeber des ermordeten Lotsen, die Flugsicherung Skyguide, zeigte sich entsetzt über die Tat. Die Mitarbeiter seien bestürzt und stünden unter Schock. Skyguide ordnete eine Reduzierung der Kapazitäten an: Die Überflüge im Luftraum Zürich wurden am Mittwochmorgen um 40 Prozent verringert. Die Maßnahme diene der Sicherheit und solle die Schockbelastung der Mitarbeiter auffangen, erklärte Skyguide.

Die Tötung des Lotsen beschäftigt die internationale Presse. Die Medien in Russland und in der Schweiz widmentem sich dem Thema mit grosser Aufmerksamkeit. Die Geschichte wurde auch in "CNN" gebracht. Für zahlreiche Moskauer Zeitungen und viele deutsche Blätter war die Tötung des Fluglotsen sogar das Hauptthema. Dabei wurden Stimmen von Eltern laut, deren Angehörige bei der Flugzeugkatastrophe ums Leben gekommen waren. Erstaunlicherweise waren sie von der Verbindung zwischen dem Unglück und dem Schmerz der Angehörigen nicht überzeugt. Nach dem "Südkurier" kursieren in Bachkirien verschiedene Thesen.
Die Mutmassungen gehen in eine andere Richtung als die offiziellen Berichte. Die Tageszeitung "Nowyje Iswestija" vertrat die Theorie, dass der Fluglotse aus dem Weg geschafft worden sei, damit die Skyguide keine hohen Schmerzensgelder zahlen müsse. Ein toter Fluglotse könne die Schuld vor Gericht nicht mehr bestätigen. Es gehe bei den Zahlungen um immense Beträge. Nach dem "Tagesanzeiger" wird dem Management der Skyguide eine Mitschuld zugewiesen. "Die Skyguide habe die Schuld voreilig dem russischen Piloten zugeschoben und damit Wut und Trauer der Hinterbliebenen in Baschkirien zusätzlich geschürt. Ebenfalls im "Tagesanzeiger" wurde eine andere Verschwörungstheorie zitiert: Ein ominöser russischer Informant soll einem deutschen Mafiaexperten anvertraut haben, ein Angehöriger der Opfer habe einen Auftragsmörder gesucht. Bewiesen ist vorläufig noch nichts.


Was von verschiedenen Seiten beanstandet wurde, ist die Tatsache, dass Skyguide Soforthilfe versprochen habe, aber bis anhin nichts bezahlt haben soll. Beim Absturz in Bassersdorf hätte dies viel besser geklappt.

Diese jüngste Geschichte macht wieder einmal bewusst, dass eine Krise selten allein kommt.


Nachtrag vom 29. Februar. Am 29. Februar steht im "Sonntagsblick" und in der "Sonntags-Zeitung" wiederum die Skyguide im Gegenwind. Skyguide-Chef Allain Rossier rechtfertig sich in einem langen Interview. Er sagt darin auch, dass er von der massiven Kritik an der Flugsicherung genug hat. "Wir müssen es immer allen recht machen." Die "Sonntags-Zeitung" titelte auf der Frontseite: Lotsen-Mord: Skyguide übersah Alarmsignale. Gerichtspsychiater Josef Sachs meint, dass Kalojew hätte geholfen werden können: "Er hätte die Möglichkeit gebraucht, mit jemandem zu reden, so hätte das Erlebte sicher besser verarbeitet werden können." Der Psychologe Peter Fässler-Weibel den Vorwurf, dass Skyguide den Opferangehörigen nach der Katastrophe von sich aus psychologische Hilfe anbieten müssen. "Damit wäre sichergestellt gewesen, dass man rechtzeitig merkt, wenn einem Angehörigen die Sicherungen durchbrennen." Ausserdem hätte sich die Skyguide nach dem Unfall sofort förmlich entschuldigen müssen, findet der Krisentherapeut. Wir haben die Informationspolitik, das mangelhafte Informationsmanagement und die Medienarbeit während der langen Krisenzeit protokolliert und sehen nun bestätigt:

Fehler und Mängel während und nach Krisen können Folgen haben. Die Informationspannen am Anfang (unbedachte Schuldzuweisungen), sowie die Hinhaltetaktik bei der Abwicklung von Entschädigungszahlungen müssen bitter bezahlt werden. Wir sehen Folgeschäden einer anfänglich unzureichenden Kommunikationspolitik.
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