Illustration aus der New York Times.
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Der Begriff Job Burnout ist immer noch den Medien. In der Schweiz vor allem,
seit das SVP Aushängeschild Natalie Rickli sich letztes Jahr unter Burnout
zurückziehen musste.
Zwangspause für SVP Politikerin titelte etwa die Schweizerillustrierte.
Ein gerade publizierte
New York Times Artikel zeigt, dass das Problem auch in den USA erkannt wird,
da viele nicht mehr mithalten können. "Schneller, grösser und schneller"
wird gefragt. Der Autor argumentiert aber, dass nicht die Zeit,
die am Arbeitsplatz verwendet wird, zählt,
sondern die Energie. Energie wird dabei als Arbeitsproduktivität definiert.
Mehr Ferien und Ausspannzeit zu nehmen, kann dazu helfen, dass die Energie grösser
ist. Der Artikel zitiert auch Studien. So die Stanford Wissenschaftlerin
Cheri D. Mah, die herausgefunden hat, dass Basketballspieler mit mehr Schlaf
bessere Ergebnisse hinlegten, oder die Schlafforscherin Sara C. Mednick
die gemessen hat, dass 60-90 Minütige Schlafpausen die Gedächtnisleistung
erhöht.
Die Mehrbeanspruchung durch die Rezession ist messbar:
In den USA wurden im Jahr durchschnittlich 9.2 Ferientage pro Jahr ausgelassen.
Im Vergleich waren das nur 6.2 Tage im Jahre 2011. Die Leute wagen sich nicht mehr
von der Arbeit weg.
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Hier sind links zu Artikeln und Fernsehbeiträgen aus der Schweiz vom letzten Jahr:
Schweizer Fernsehen:
Volkskrankheit Burnout Immer mehr Menschen in der leistungsorientierten
Arbeitswelt leiden am Burnout-Syndrom. Sie sind psychisch krank,
müde und müssen behandelt werden. In Freiburg haben heute
500 Fachkräfte über dieses Phänomen diskutiert und
darüber, wie dagegen angegangen werden kann. Reporterin Karin Moser
hat einen Manager getroffen, der - total ausgebrannt - sich behandeln
lassen musste.
Aus dem Tagi:
Der CSP-Nationalrat Karl Vogler hat versucht, sich das Leben zu
nehmen. Sein Suizidversuch löst Betroffenheit aus. Und lenkt
die Aufmerksamkeit einmal mehr auf den ständig wachsenden Druck
am Arbeitsplatz.
Er sei an "seine persönlichen Lebensgrenzen gestossen",
heisst es in einem Communiqué, das Karl Vogler am Wochenende
veröffentlichen liess. Laut Recherchen der "Blick"-Redaktion hatte
der CSP-Nationalrat am vergangenen Donnerstagabend versucht, sich das
Leben zu nehmen. Er konnte aber noch rechtzeitig ins Spital gebracht
und gerettet werden. Die Nachricht über seinen Suizidversuch hat
in weiten Kreisen Betroffenheit ausgelöst. Über die genauen
Umstände, die Vogler zu dieser Verzweiflungstat bewogen haben,
kann nur spekuliert werden. Er selber lässt verlauten, dass "die
psychische Belastung unerträglich wurde".
Vogler ist kein Einzelfall. Fast die Hälfte der Schweizer
Berufstätigen gibt an, an konstanter Erschöpfung zu leiden
Lange Zeit wurden Probleme im Zusammenhang mit Burn-out,
wie das Massenleiden genannt wird, totgeschwiegen: Die Angst, dem
Druck nicht gewachsen zu sein und als Versager abgestempelt zu werden,
überwog. Zwar wurden bereits Mitte der 1970er-Jahre wissenschaftliche
Arbeiten zum Thema geschrieben, doch der "gesellschaftliche Durchbruch"
gelang dem Burn-out erst in den 1990er-Jahren. Und seit der zehnten
Auflage der "Internationalen Klassifikation der Erkrankungen" (ICD-10)
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Burn-out sogar mit einem
eigenen Diagnoseschlüssel (Z73.0) erfasst.
Ist heute von Burn-out die Rede, wissen die meisten, was gemeint ist.
Dazu beigetragen haben nicht zuletzt Prominente, die mit ihrem Problem
an die Öffentlichkeit gegangen sind. In der Schweiz sorgte
vor einigen Jahren der Rücktritt des FDP-Präsidenten Rolf
Schweiger für eine öffentliche Thematisierung des Problems,
genauso wie der Fall von Komiker René Rindlisbacher. Oder Miriam
Meckels Erfahrungsbericht "Brief an mein Leben" (2010), worin sie ihre
ganz persönliche Burn-out-Erfahrung eindrücklich beschreibt
und der sich monatelang in den Bestsellerlisten hielt.
Jahrelang hatte Meckel ihre gesamte Energie in ihre Karriere gesteckt,
mit Erfolg: Sie war die jüngste Professorin Deutschlands,
Regierungssprecherin, Moderatorin und seit 2005 Direktorin am Institut
für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität
St. Gallen. Jahrelang gelang es ihr, alles unter einen Hut zu
bringen. Sie hetzte von einer Veranstaltung zur nächsten,
schrieb Artikel und Bücher und moderierte nebenbei auch eine
Fernsehtalkshow. Bis im Herbst 2008 gar nichts mehr ging. In einem
Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen" beschreibt Meckel den Moment,
als ihr Körper den Schalter auf "Aus" stellte, wie folgt:" Es
fühlte sich an, als hätte ich gleichzeitig eine Überdosis
Schlaftabletten und Aufputschmittel genommen."
Meckel zog den Stecker und begab sich für fünf Wochen in
eine Klinik. Ein vernünftiger Schritt. Damit es erst gar nicht
so weit kommt, appelliert Beate Schulze, Vizepräsidentin der
Schweizer Expertennetzwerks für Burnout in einem Interview mit
"Unipublic" an die Arbeitgeber, die dafür sorgen müssen,
"dass Burn-out am Arbeitsplatz kein Tabuthema bleibt" und dass die
Arbeitsanforderungen und auch die Umgebung an die Fähigkeiten
der Mitarbeiter angepasst werden. Dem zunehmend unter Druck stehenden
Arbeitnehmer rät Schulze, sich "regelmässig den Spiegel
vorzuhalten" und abzuschätzen, inwieweit die persönlichen Ziele
im Einklang mit den Möglichkeiten und Perspektiven des Jobs stehen.
In diesen Spiegel hat Karl Vogler vielleicht zu spät geschaut. "Diese
Situation stellt grundsätzliche Fragen an mich", schreibt Vogler
in seinem Communiqué. Fragen, für die er sich jetzt Zeit
nehmen wird. "Innerhalb der nächsten 14 Tage werde ich über
meinen Gesundheitszustand und meine Absichten informieren."
Aus dem Blick
Rund jede sechste Person in der Schweiz leidet an einer psychischen
Störung. Dies zeigt der neuste Monitoringbericht des Schweizerischen
Gesundheitsobservatoriums (Obsan) von heute.
Psychische Krankheiten gehören zu den häufigsten und den
einschränkendsten Krankheiten überhaupt. Sie wirken sich
auf alle Lebensbereiche der Betroffenen aus und können zu grossen
Beeinträchtigungen führen.
Rund 450 Psychiater, Psychologen und Mediziner aus der ganzen Schweiz
sind heute Nachmittag am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft
für Angst und Depression (SGAD), dem Swiss Forum for Mood and
Anxiety Disorders.
"Allein in der Schweiz belaufen sich die durch stressbedingte Beschwerden
verursachten Kosten auf jährlich 4,2 Milliarden Franken. Die
Vermutung liegt nahe, dass Burnout für einen Grossteil dieser Kosten
verantwortlich ist", erklärt Psychiater Joe Hättenschwiler vom
Zentrum für Angst- und Depressionsbehandlung (ZADZ) in Zürich.
Genau erfasst seien Burnout-Fälle jedoch nicht, da die Erkrankung
noch nicht als eigenständige klinische Diagnose anerkannt ist.
Zu perfekt und leistungsstark
Besonders betroffen von der totalen Erschöpfung und Depression
sind vor allem leistungsstarke Menschen und Mitarbeiter mit dem Hang
zur Perfektion. Dies bestätigt Psychiater Hättenschwiler.
Werden die erbrachten Leistungen nicht gewürdigt und bleibt die
Anerkennung über weite Strecken aus, droht, dass die Betroffenen
Misserfolge im Arbeitsleben als persönliche Niederlage betrachten.
Doch auch auszehrende Berufsgruppen wie etwa die Ärzte selbst,
leiden an Burnout.
Präventivmediziner und und FDP-Ständerat
Felix Gutzwiller sprach den Medizinern ins Gewissen: "Was Ärzte
gerne verdrängen, ist die Tatsache, dass auch sie nur Menschen
sind und damit auch der Gefahr unterliegen zu erkranken. Dies spielt
insbesondere beim Thema Burnout eine Rolle. Hier scheint sich eine grosse
Diskrepanz zwischen Diagnose bei einem Patienten und dem Erkennen des
eigenen Betroffenseins aufzutun."
Bei der Behandlung von Burnout sei es wichtig, sich an den individuellen
körperlichen, seelischen und geistigen Grenzen des Patienten zu
orientieren.
Und möglichst früh mit der Behandlung zu beginnen. "Wer
über längere Zeit nachts nicht mehr schlafen kann, sollte zur
Abklärung", rät Joe Hättenschwiler.