Als parteiunabhängiger Kommunikationsberater freut es mich immer,
wenn es eine Partei versteht, ihre Botschaft verständlich und
adressatengerecht zu vermitteln. Anderseits bedaure ich es, wenn bei
Werbevideos, die bewährten Kriterien leichtfertig missachtet werden,
die bei allen Kommunikationsprozessen gelten. Es gibt angeblich kreative
Werber, die haben aber leider oft als einziges Ziel, lustig und
anders zu sein als die übrige Werbung. Dies kann es aber doch nicht sein.
Wenn das Ziel eines Werbevideos beispielsweise tatsächlich nur darin
bestehen würde, einfach aufzufallen oder von sich reden zu machen,
so hatte der Innerschweizer Kandidat
Marco Fischer
mit seinem grotesken, selbstgebastelten Werbevideo das Ziel erreicht: er wurde berühmt.
Er wurde aber nicht gewählt.
Kommunikationsexperte Marcus Knill kann dem Video
nicht viel abgewinnen. "Die Machart ist dürftig, es fehlt
an Professionalität und Glaubwürdigkeit". Die Akteure
machen sich lächerlich. Mit dem "Tutti-frutti" an Personen,
die künstlich lustig spielen, holt sich die FDP sicher keine
zusätzlichen Wähler. Bei der Werbung dürfen wir die
Kommunikationsgrundsätze nicht ausklammern.
Sie singen, sie tanzen, sie sind liberal. Und sie scheinen weder von
Politwerbung noch von der Dynamik des Internets eine Ahnung zu haben.
Jedenfalls hatte die FDP Reinach nur die besten Absichten, als sie ihr
neues Wahlvideo ins Netz stellte. Liberal zu sein, so sagte man sich,
bedeutet nicht unbedingt, dass man auch stier sein muss, sagt Gerda
Massüger von der FDP Reinach. Um das zu beweisen, singen und tanzen
die FDP-Politiker mit Inbrunst, eine reife Dame wälzt sich sogar
im Schnee, um ihren jugendlichen Geist zu beweisen.
Im Internet wird das Video gerade eifrig verlinkt und mit belustigten
Kommentaren versehen. Sicher ist: Der Wahlspot wird sehr grosse
Aufmerksamkeit erzielen - welcher Art auch immer. Ob das im Sinne
der FDP Reinach sein kann, ist eine andere Frage. Während die
Internet-Gemeinde sich fragt, ob dies eine besonders fiese Form
viralen Marketings ist oder ob die SVP den Spot finanziert hat, ist
man in Reinach bisher noch gar nicht auf die Idee gekommen, dass das
Video ein Fehler gewesen sein könnte. "Ich habe bis jetzt nur
positive Reaktionen erhalten", sagt Massüger. Etwas Witziges
habe man machen wollen, etwas, das die jungen Wähler anspricht,
mit einem Augenzwinkern. Auch dass das Video mit seinem Sauglattismus
die einst staatstragende Partei lächerlich machen könnte,
befürchtet sie keineswegs. "Man muss Politik nicht immer so todernst
nehmen", sagt sie. "Wir sind keine sturen Typen, sondern normale
Menschen." Offensichtlich. Verantwortlich für den Meilenstein
der Wahlwerbe-Videos ist die junge Kommunikationsfirma Fadeout. Diese
wiederum ist in Massügers Businesszentrum eingemietet.
Die Macher und die Parteispitze sind betriebsblind. Ihnen genügt
es, wenn man auffällt und wollen die negative Wirkung beim Publikum
nicht wahr haben. sie finden:
"Voll dä Plausch" - FDP Ein neues Wahlvideo der FDP Reinach sorgt
im Internet für Lacher. Die Baselbieter Sektion wollte damit junge
Wähler ansprechen - und zeigt vor allem, dass die FDP selbst nicht
mehr weiss, wo sie steht. Wenig Ahnung vom Internet: Wahlwerbespot
der FDP.
Das Werbeziel müsste sein: Eine glaubwürdige Botschaft
anschaulich, kurz, verständlich, so zu vermitteln, dass sie vom
vorgesehenen Publikum akzeptiert wird. Wer einfach nur originell und
anders sein will, macht zwar von sich reden, macht sich aber - vor allem
eines: lächerlich. Ich habe laufend mit verschiedenen Politikern
zu tun und habe letztes Jahr gesehen, dass bei der liberalen FDP, ein
durchdachter Kerngedanke im Grunde genommen bei vielen Bürgerinnen
und Bürgern eine grosse Akzeptanz finden kann.
Mir wurde nun heute ein Werbevideo der FDP Reinach zugestellt und bin von
20 Min gebeten worden, diese Arbeit zu beurteilen.
Ich fragte bei der Betrachtung: Werden die klassischen Kriterien als
Massstab angelegt: Verständlichkeit? - Wirkung? - Welches Publikum
wird angesprochen? Was ist die Kernbotschaft?. Vorweg: Das Video ist
mehr als dürftig. Wer sich das Elaborat anschaut und anhört,
stellt fest:
Die Macher ignoreren die wichtigsten Prinzipien der
Verständlichkeit. Das Prinzip der Einfachheit (Sprache) - dann
die Festigung einer konkreten Botschaft. Viele Akteure reden
zu kompliziert "Beschäftigung in Bezug auf Finanzen" (Sprache
basiert auf Verben, nicht auf Substantiven). "Ein guter Standort hilft
die Kosten von Sozialleistungen tragen.". Eine Dachbotschaft ist nicht
auszumachen. Will die FDP den Standort Reinach fördern oder den
Song "Gäll du wählsch mi, gäll Du wotsch mi" ankern.
Mit dem "Tutti-frutti" an Personen, die künstlich lustig spielen,
holt sich die FDP keine zusätzlichen Wähler. Ich habe bei einer
Ueberprüfung gesehen, dass auch Jugendliche auf dieses Video nicht
ansprechen. Der Chor sei unglaubwürdig.
Bei der Werbung müssten die Macher die Wirkung ihres Produktes im
Grunde genommen ernst nehmen. Die Auftritte beim FDP Video (Reinach) sind
iszeniert, künstlich, unglaubwürdig. Personen, Aussagen stimmen
mit dem "Wie" nicht überein. Nur Wenige wirken natürlich. Die
Werbung der Bettwarenfirma
Au in Wädenswil ist zwar auch einstudiert
und künstlich. Doch hat sie bereits Kult, weil der Chef selbst
an seine aufgesetzte Botschaft glaubt und immerhin verständlich
veranschaulicht, was er den Kunden bieten kann.
Ich hatte das Video Felix Schwank (ehemaliger Stadtpräsident von
Schaffhausen_ vorgespielt und erkundigte mich nach seinem Urteil.
Da er hörbehindert ist, musste ich ihm die Aussagen auf
ein Blatt Papier schreiben. Die "Kurzfutteraussagen" sind zu kurz und
können nicht erfasst werden. Er ist erstaunt, dass eine junge
Partei nicht weiss, dass jeder zehnte Bürger hörbehindert
ist und die unterlegte, viel zu laute Tonspur mit hell und metallisch
klingenden Saiteninstrumenten die verbale Aussage gleichsam tilgt.
Durch diese technische Fehlleistung werden allein schon beim Video 10
Prozent der Stimmberechtigten ausgeklammert.
Schade eigentlich, dass es der FDP Riehen mit diesem Video nicht
gelungen ist, die Stimmberechtigten zu überzeugen. Der Beitrag
ist unglaubwürdig und wie gesagt - aus kommunikativer Sicht -
sehr dürftig. Auch wenn er nichts gekostet hätte, hat sich
der Aufwand nicht gelohnt.
Der Videoclip der FDP Reinach führte zu einem enormen Medienecho. Wir
fragten uns nach dem Abstimmungssonntag, wie sich diese umstrittene
Aktion auf die Wahlen ausgewirkt hat.
Der Aufmerksamkeitseffekt ist bei der Werbung ein wichtiger
Aspekt. Entscheidet aber ist und bleibt bei jeder PR Aktion der
Erfolg. Er zeigt, ob sich eine Werbeaktion gelohnt hat.
Man kann das nachher messen, indem man den
Verkauf eines Produktes oder die Wahl einer Partei verfolgt.
Das Wahlresultat macht nun bewusst, dass die FDP Reinach wenig
Schaden gelitten hat. Die FDP wurde nicht abgewählt.
Vielleicht dank des Aufmerksamkeitseffektes, den die Partei in den
Medien hervorgerufen hat.