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www.rhetorik.ch aktuell: (16. Feb, 2012)

FDP Lachnummer

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Als parteiunabhängiger Kommunikationsberater freut es mich immer, wenn es eine Partei versteht, ihre Botschaft verständlich und adressatengerecht zu vermitteln. Anderseits bedaure ich es, wenn bei Werbevideos, die bewährten Kriterien leichtfertig missachtet werden, die bei allen Kommunikationsprozessen gelten. Es gibt angeblich kreative Werber, die haben aber leider oft als einziges Ziel, lustig und anders zu sein als die übrige Werbung. Dies kann es aber doch nicht sein. Wenn das Ziel eines Werbevideos beispielsweise tatsächlich nur darin bestehen würde, einfach aufzufallen oder von sich reden zu machen, so hatte der Innerschweizer Kandidat Marco Fischer mit seinem grotesken, selbstgebastelten Werbevideo das Ziel erreicht: er wurde berühmt. Er wurde aber nicht gewählt.


Aus 20 Min:

Kommunikationsexperte Marcus Knill kann dem Video nicht viel abgewinnen. "Die Machart ist dürftig, es fehlt an Professionalität und Glaubwürdigkeit". Die Akteure machen sich lächerlich. Mit dem "Tutti-frutti" an Personen, die künstlich lustig spielen, holt sich die FDP sicher keine zusätzlichen Wähler. Bei der Werbung dürfen wir die Kommunikationsgrundsätze nicht ausklammern.

Tagi vom 15. Februar:
Sie singen, sie tanzen, sie sind liberal. Und sie scheinen weder von Politwerbung noch von der Dynamik des Internets eine Ahnung zu haben. Jedenfalls hatte die FDP Reinach nur die besten Absichten, als sie ihr neues Wahlvideo ins Netz stellte. Liberal zu sein, so sagte man sich, bedeutet nicht unbedingt, dass man auch stier sein muss, sagt Gerda Massüger von der FDP Reinach. Um das zu beweisen, singen und tanzen die FDP-Politiker mit Inbrunst, eine reife Dame wälzt sich sogar im Schnee, um ihren jugendlichen Geist zu beweisen. Im Internet wird das Video gerade eifrig verlinkt und mit belustigten Kommentaren versehen. Sicher ist: Der Wahlspot wird sehr grosse Aufmerksamkeit erzielen - welcher Art auch immer. Ob das im Sinne der FDP Reinach sein kann, ist eine andere Frage. Während die Internet-Gemeinde sich fragt, ob dies eine besonders fiese Form viralen Marketings ist oder ob die SVP den Spot finanziert hat, ist man in Reinach bisher noch gar nicht auf die Idee gekommen, dass das Video ein Fehler gewesen sein könnte. "Ich habe bis jetzt nur positive Reaktionen erhalten", sagt Massüger. Etwas Witziges habe man machen wollen, etwas, das die jungen Wähler anspricht, mit einem Augenzwinkern. Auch dass das Video mit seinem Sauglattismus die einst staatstragende Partei lächerlich machen könnte, befürchtet sie keineswegs. "Man muss Politik nicht immer so todernst nehmen", sagt sie. "Wir sind keine sturen Typen, sondern normale Menschen." Offensichtlich. Verantwortlich für den Meilenstein der Wahlwerbe-Videos ist die junge Kommunikationsfirma Fadeout. Diese wiederum ist in Massügers Businesszentrum eingemietet. Die Macher und die Parteispitze sind betriebsblind. Ihnen genügt es, wenn man auffällt und wollen die negative Wirkung beim Publikum nicht wahr haben. sie finden: "Voll dä Plausch" - FDP Ein neues Wahlvideo der FDP Reinach sorgt im Internet für Lacher. Die Baselbieter Sektion wollte damit junge Wähler ansprechen - und zeigt vor allem, dass die FDP selbst nicht mehr weiss, wo sie steht. Wenig Ahnung vom Internet: Wahlwerbespot der FDP.
Das Werbeziel müsste sein: Eine glaubwürdige Botschaft anschaulich, kurz, verständlich, so zu vermitteln, dass sie vom vorgesehenen Publikum akzeptiert wird. Wer einfach nur originell und anders sein will, macht zwar von sich reden, macht sich aber - vor allem eines: lächerlich. Ich habe laufend mit verschiedenen Politikern zu tun und habe letztes Jahr gesehen, dass bei der liberalen FDP, ein durchdachter Kerngedanke im Grunde genommen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern eine grosse Akzeptanz finden kann. Mir wurde nun heute ein Werbevideo der FDP Reinach zugestellt und bin von 20 Min gebeten worden, diese Arbeit zu beurteilen. Ich fragte bei der Betrachtung: Werden die klassischen Kriterien als Massstab angelegt: Verständlichkeit? - Wirkung? - Welches Publikum wird angesprochen? Was ist die Kernbotschaft?. Vorweg: Das Video ist mehr als dürftig. Wer sich das Elaborat anschaut und anhört, stellt fest:

Die Macher ignoreren die wichtigsten Prinzipien der Verständlichkeit. Das Prinzip der Einfachheit (Sprache) - dann die Festigung einer konkreten Botschaft. Viele Akteure reden zu kompliziert "Beschäftigung in Bezug auf Finanzen" (Sprache basiert auf Verben, nicht auf Substantiven). "Ein guter Standort hilft die Kosten von Sozialleistungen tragen.". Eine Dachbotschaft ist nicht auszumachen. Will die FDP den Standort Reinach fördern oder den Song "Gäll du wählsch mi, gäll Du wotsch mi" ankern. Mit dem "Tutti-frutti" an Personen, die künstlich lustig spielen, holt sich die FDP keine zusätzlichen Wähler. Ich habe bei einer Ueberprüfung gesehen, dass auch Jugendliche auf dieses Video nicht ansprechen. Der Chor sei unglaubwürdig.

Bei der Werbung müssten die Macher die Wirkung ihres Produktes im Grunde genommen ernst nehmen. Die Auftritte beim FDP Video (Reinach) sind iszeniert, künstlich, unglaubwürdig. Personen, Aussagen stimmen mit dem "Wie" nicht überein. Nur Wenige wirken natürlich. Die Werbung der Bettwarenfirma Au in Wädenswil ist zwar auch einstudiert und künstlich. Doch hat sie bereits Kult, weil der Chef selbst an seine aufgesetzte Botschaft glaubt und immerhin verständlich veranschaulicht, was er den Kunden bieten kann.

Ich hatte das Video Felix Schwank (ehemaliger Stadtpräsident von Schaffhausen_ vorgespielt und erkundigte mich nach seinem Urteil. Da er hörbehindert ist, musste ich ihm die Aussagen auf ein Blatt Papier schreiben. Die "Kurzfutteraussagen" sind zu kurz und können nicht erfasst werden. Er ist erstaunt, dass eine junge Partei nicht weiss, dass jeder zehnte Bürger hörbehindert ist und die unterlegte, viel zu laute Tonspur mit hell und metallisch klingenden Saiteninstrumenten die verbale Aussage gleichsam tilgt. Durch diese technische Fehlleistung werden allein schon beim Video 10 Prozent der Stimmberechtigten ausgeklammert. Schade eigentlich, dass es der FDP Riehen mit diesem Video nicht gelungen ist, die Stimmberechtigten zu überzeugen. Der Beitrag ist unglaubwürdig und wie gesagt - aus kommunikativer Sicht - sehr dürftig. Auch wenn er nichts gekostet hätte, hat sich der Aufwand nicht gelohnt.
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Nachtrag vom 12. März, 2012

Der Videoclip der FDP Reinach führte zu einem enormen Medienecho. Wir fragten uns nach dem Abstimmungssonntag, wie sich diese umstrittene Aktion auf die Wahlen ausgewirkt hat. Der Aufmerksamkeitseffekt ist bei der Werbung ein wichtiger Aspekt. Entscheidet aber ist und bleibt bei jeder PR Aktion der Erfolg. Er zeigt, ob sich eine Werbeaktion gelohnt hat. Man kann das nachher messen, indem man den Verkauf eines Produktes oder die Wahl einer Partei verfolgt. Das Wahlresultat macht nun bewusst, dass die FDP Reinach wenig Schaden gelitten hat. Die FDP wurde nicht abgewählt. Vielleicht dank des Aufmerksamkeitseffektes, den die Partei in den Medien hervorgerufen hat.

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