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www.rhetorik.ch aktuell: (06. Sep, 2008)

Virtuelle Krise?

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In der jüngsten Zuspitzung der Affäre Nef-Schmid zeigt sich immer mehr, dass der Verteidigungsminister als "Selbstverteididungsminister" zu oft unglücklich, falsch, widersprüchlich, vor allem irritierend kommuniziert hatte. Er taucht ab, wenn er auf Deck gehört und spricht, wenn er nicht reden sollte. Man darf gewiss von einer Krisensituation im VBS sprechen. Bundesrat Schmid kam im Zusammenhang mit der Nefgeschichte immer mehr in Bedrängnis und steht nun schon wochenlang im Fokus der Medien. Er hatte zwar Fehler zugegeben (Nichtinformation des Bundesrates. Er habe Roland Nef zu viel Vertrauen geschenkt). Nachdem jüngst nun auch noch bekannt wurde, dass Schmid die Untersuchungen ein halbes Jahr früher gekannt hatte, als er es in der Medienkonferenz verlauten liess und er sogar viel ausführlicher informiert worden war (Auch vom dazumaligen Armeechef Keckeis), flammte die Geschichte wieder auf.
  • Tagi: Schmids Schicksal entscheidet sich in der Herbstsession
  • Tagi: "Inwiefern der Bericht der Geschäftsprüfungskommission Schmid nach erfolgreich bestandenem Rüstungsgeschäft etwas anhaben kann, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Gefährlich werden kann ihm das unter der Leitung des Luzerner CVP-Nationalrats Ruedi Lustenberger erarbeitete Papier, weil Schmid in der Wintersession turnusgemäss für das Vizepräsidium der Landesregierung kandidiert - besser: kandidieren muss. Je grösser die Verfehlungen, die ihm im Bericht angelastet werden, desto geringer sind seine Wahlchancen. Antreten wird Schmid aber nur, wenn er sich seiner Wahl sicher sein kann. Und der Schmach einer Nichtwahl könnte er sich nur entziehen, indem er zurücktritt. In Bundesbern geht kaum jemand davon aus, dass die Untersuchung grosse Neuigkeiten bringen wird. "Der Schock-Faktor wird gering sein", sagt eine SP-Nationalrätin: "Ich glaube ja nicht, dass es Schmid bis zur Wintersession machen wird. Falls aber doch, wird er auch den Lustenberger-Bericht überleben."
  • Der Bund: "Wir wollen Klarheit schaffen"
    Der Bund: "Für Schmid wird es somit ein heisser Herbst und Winter. In zehn Tagen beginnt die Session. Auf dem Programm stehen Rüstungsprogramm und Militärgesetzrevision. Beide Vorlagen sind absturzgefährdet, wenn sich eine Allianz von SVP und SP bildet. Sollten die Vorlagen scheitern, käme - nicht zum ersten Mal - Schmids politische Handlungsunfähigkeit klar zum Ausdruck. In Interviews sagte Schmid, er werde sich Konsequenzen eines Scheitern dann überlegen. Schwierig dürfte es für Schmid zudem werden, wenn das Parlament eine Sonderdebatte zur Armee und zum Fall Nef provoziert. Eine solche Debatte dürfte zur kalten Dusche für Schmid werden. Sollte Schmid das alles durchstehen, wird dann Ende November der nun angekündigte GPK-Bericht publiziert. Es ist angesichts der heutigen Faktenlage anzunehmen, dass dieser Bericht mit Schmid hart ins Gericht gehen wird. Es zirkulieren ohnehin bereits neue Gerüchte, die auf Widersprüche in Schmids Argumentation hinweisen. In der Dezembersession schliesslich könnte dies alles dazu führen, dass das Parlament Schmid einen Denkzettel verpasst. Turnusgemäss ist der Bundesrat an der Reihe, Vizepräsident der Landesregierung zu werden. Das Parlament könnte Schmid diese Ehre verwehren, womit er quasi zum Rücktritt aufgefordert würde."
  • NZZ: Der Bundesrat steht in der Pflicht
  • NZZ: "Die Art und Weise der Bewältigung der Affäre um Armeechef Nef oder den Farc-Emissär Gontard ist freilich nur Ausdruck einer viel tiefer reichenden Misere, die in der schockartigen Veränderung des politischen Systems in den Bundesratswahlen 2007 ihren Anfang genommen hat. Der Pakt zwischen Mitte und Links diente einzig dem Hinauswurf Blochers; nicht fertig durchdacht aber war, wie es denn eigentlich danach weitergehen soll. So wackelt denn der Stuhl von Bundesrat Schmid gefährlich, aber im Alleingang stürzen darf er derzeit nicht. Denn so richtig vorbereitet ist dafür kaum ein Jahr nach der Abwahl Blochers keine Seite. Die SVP sinnt zwar auf Rache für die erlittene Demütigung. Bei der nächsten Vakanz fordert sie als wählerstärkste Partei die Rückkehr in die Regierung. Absehbar ist aber schon jetzt, dass diese Rückkehr einen neuen Streit um Köpfe und Stilfragen provozieren wird. Zwingend ist für die SVP die rasche Übernahme von Regierungsverantwortung derzeit nicht; die Kalamitäten im Bundesrat dürften den Zuspruch bei der eigenen Wählerschaft eher noch mehren."
  • Blick: Schmid düst ab nach China
    Blick mit suggestiver Fotomontage: Die Chinesische Mauer suggeriert Abschottung.
    Blick: "Es brennt nach wie vor lichterloh im Hause Schmid. Daran änderte auch die Medienoffensive von Verteidigungsminister Samuel Schmid am Donnerstag nichts. Offene Fragen bleiben, und die Fraktionen der Bundesversammlung verlangen Aufklärung. Ausgerechnet jetzt sucht der angeschlagene Bundesrat das Weite. Gestern Abend um 19.30 Uhr flog Schmid laut VBS von Zürich Richtung China ab. Um in Peking an den paralympischen Spielen den Gesamtbundesrat zu vertreten. Am Dienstag wird er wieder in Bern erwartet. VBS-Kommunikationschef Jean-Blaise Defago sagt: "Es waren nur falsche Entscheide möglich. Wäre Bundesrat Schmid nicht nach Peking gereist, hätte es geheissen, er habe weiche Knie bekommen."
Bundesrat Schmids Erklärung, er habe leider diese Fakten vergessen, wurden von der Öffentlichkeit nicht mehr goutiert und die Kritik prasselte gegen den angeschlagenen Bundesrat ein. Bundesrat Schmid hatte nach meinem Dafürhalten eine der Grundregeln der Krisenkommunikation missachtet, die lautet:

Alles was Du sagst, muss wahr sein, du musst aber nicht alles sagen was wahr ist.


Nachdem Bocher in einer gelungenen Überraschungsaktion aus dem Bundesrat gekippt werden konnte, hatten all jene Akteure, denen dieser Coup gelungen ist, überhaupt kein Interesse daran, dass Schmid das Handtuch wirft und zurücktritt. Obwohl alle wissen, dass niemand Bundesrat Schmid zum Rücktritt zwingen kann, befürchten nun jene Kräfte, dass er selbst geht. Deshalb hielten sich im Fall Nef - Schmid all jene Parteien und Gruppierungen mit einer Kritik zurück, damit eine Rückkehr eines SVP Hardliners in den Bundesrat verhindert werden kann. Die Bundesräte äusserten sich desahlb während der letzten Wochen nicht über ihren Kollegen. Wurden Sie gefragt, flüchteten sie vor dem Mikrofon und sagten hächstens: "Über Bundesrat Schmid sage ich nichts."
"Blick" Titel vom 6. September: "Schmid taucht ab". Es wird sogar ein Psychoanalytiker bemüht. Kurz darauf wirde der Titel auf "Blick online" revidiert zu "Schmid düst ab nach China".
Auch die SP und CVP hielt sich bewusst zurück. CVP Chef Darbellay will auf keinen Fall mehr, dass man zurückschaut. Für ihn muss ein Strich gezogen werden nach den Vorkommnissen. Jetzt gehe es nur noch um die Armee. Von der Exekutive äusserte sich nur der Bundespräsident und beschwichtigte in Baden in einem Vortrag: Kritik sei zwar immer berechtigt. Für ihn sei jedoch das Ganze ein virtuelles Problem d.h. eine "virtuelle Krise", die von den Medien provoziert worden sei. Die Bevölkerung habe Vertrauen in die Armee. Dass der Bundesrat und vor allem auch Eveline Widmer- Schlumpf heute den angeschossenen Kollegen stützen und die Krise beschönigen, ist verständlich und bestätigt nun, dass meine Prognose zutrifft: Bundesrat Schmid muss unbedingt im Amt bleiben! Er wird auch im Amt bleiben. Es hat bei allen stürmischen Zeiten bewiesen, dass er - getragen vom Kollegium - die härteste Kritik einstecken kann. Meist taucht er zuerst einmal ab. Wird sein Pelz nass, schüttelt er sich, steht dann ruhig- mit getrocknetem Fell - da, als sei nichts geschehen. Mit sonorer Stimme verkündet er selbstsicher den Gedanken: "Ich trete nicht zurück - das Volk steht hinter mir." Samuel Schmid ist sich gewiss bewusst, dass ihn niemand entmächtigen kann. Es ist denkbar, dass es für Schmid erst im November unangenehm eng werden könnte. Denn: Der ganze Fall wird immerhin untersucht. Kämen weitere Falschinformationen ans Tageslicht, könnte ihm das Parlament in Sachvorlagen das Vertrauen entziehen. Dann könnte es doch noch soweit kommen, dass der Verteidigungsminiser trotz konsequenter Unterstützung des Bundespräsidenten und seiner Kollegen regierungsunfähig würde. Die beschönigenden Worte Couchepins teile ich nicht. Auch wenn er es nicht wahr haben will:

Samuel Schmid befindet sich immer noch in einer Kommunikationsksrise.




Bei der Causa Schmid handelt es alles andere als um eine virtuelle Krise. Was man zuerst als Medien Sommerlochstory bezeichnet hatte, entpuppt sich immer mehr als veritable Kommunikations - Krisenstory. Es geht jetzt um die VBS Kommunikationstrategie und den Verteidigungsminister selbst. Da war einmal ein Schlauchbootunfall - Der neu ernannte Armeechef köpfte den Fliegerchef Korpskommandant Knutti (weil er die Beförderungsbestimmungen missachtete) und zeichnete sich - dank dieser Entlassung- als Mann der Tat aus. Dann liess Samuel Schmid seinen neu ernannten Armeechef fallen (dem er blindes Vertrauen geschenkt hatte), und schien damit seine Haut zu retten. Nun sieht es so aus, als ob Bundesrat Schmid ebenfalls den Kopf hinhalten muss, weil er sich laufend in zu viele widersprüchliche Aussagen verstrickt. Es stellt sich nun die Frage, wer kann nun Sämi Schmid köpfen? Die VBS Affairen erinnern uns an die Kindergeschichte "Joggeli wott go Birli schüttle und Birli wänd nid falle." Die Oeffentlichkeit verfolgt die heutigen verworrenen Situation in den Medien. Alle fragen sich: Wer wird wohl dafür sorgen, dass im VBS wieder Ruhe einkehrt?

Wann läuft das Fass - trotz Standfestigkeit des Verteidigungsministers- über? Ein Politologe schrieb mir jüngst, er teile ebenfalls meine Meinung, dass Samuel Schmid - trotz aller Kommunikationspannen- noch lange fest im Sattel sitzen bleiben wird, weil er in der heutigen Konstellation nicht ersetzt werden dürfe. Falls jedoch in der Untersuchung noch weitere Falschinformationen ans Tageslicht kommen, so könnte das Fass doch noch überlaufen.

Quelle: Sonntagszeitung vom 7. September 2008
Nun scheint es schon soweit: An Sonntag 7. September publizierte die NZZ am Sonntag bereits, dass auch die "Vergessens-Version" des Verteidigungsministers auch ins Wanken kommt. Grund: Ein vertrauliches Dokument widerspreche nämlich Schmids Behauptung, er könne sich nicht mehr erinnern, dass er bereits 2006 über das Strafverfahren von Roland Nef informiert worden sei. Damit kommen erneut Ungereimtheiten ans Tageslicht und sie werden Samuel Schmid neues Ungemach bringen. Somit ist die Situation brisanter als prognostiziert. Schmid gab zu, dass er vom Oberauditor Dieter Weber informiert worden sei. Doch bat er um Verständnis. Er habe dies einfach nicht mehr in Erinnerung gehabt. Nun macht ein vertrauliches Protokoll deutlich, dass Nef in einem "Vieraugengespräch" im April 07 den Verteidigungsminister darauf aufmerksam gemacht habe, dass er in einem Verfahren sei, das noch nicht abgeschlossen sei. Nef: "Herr Bundesrat Schmid hat darauf geantwortet, das wisse er. Er sei in Kenntnis gesetzt worden über den Umstand, dass gegen ihn ein Verfahren läuft. Mit dieser Aussage stellt Nef die "Vergessens-Version" des Bundesrate eindeutig in Frage. Nicht nur Nef, auch Ex-Armeechef Keckeis sagte im 10 vor 10 öffentlich, er habe Schmid frühzeitig informiert. Zitat: "Selbstverständlich habe ich am 26. Januar 07 von der Razzia im militärischen Büro des damaligen Brigadiers Roland Nef erfahren. Und selbstverständlich habe ich unmittelbar darnach auch den Departementchef VBS Samuel Schmid informiert."

Wenn generell bezweifelt wird, dass Samuel Schmid die doppelte Information einer so brisante Geschichte einfach vergessen konnte, ist dies mehr als verständlich. Typisch: Dazu sagt Schmid - einmal mehr - nichts - nach dem Motto: "Abtauchen - schweigen". Nef bestätigte auch nach NZZ- am Sonntag: Bundesrat Schmid habe nicht nachgefragt. Dies wird dem Verteidigungsminister mehrfach vorgeworfen: Er habe nicht nachgehakt.

Ob diese neunen Belastungen bereits jene "Tröpfchen" sind, die das Fass zum Überlaufen bringen - on verra.

Jedenfalls ist die Gaubwürdigkeit Schmid heute mehrfach angeschlagen. Auch an der Sicherheitsüberprüfung Nefs wir zusätzlich Kritik laut. Bei der Ueberprüfung sei kein Sicherheitsrisiko festgestellt worden.

Bundesrat Schmid scheint leider in Sachen Krisenkommunikation schlecht beraten zu sein. Laufend muss er seine Aussagen modifizieren und verstrickt sich in immer mehr Widerspräche. Wenn man in Krisensituationen nicht die volle Wahrheit sagt, so ist dies Gift. Schmid untergräbt somit seie Position laufend selbst. Sein Handlungsspielraum wird - trotz voller Unterstützung des Bundespräsidenten, des Bundesratskollegiums und der SVP Kontrahenten - immer enger. In Krisensituation gehört der Chef an die Front. Wo ist der Chef? Er suchte das Weite und geniesst die Tage in Peking. Vielleicht glaubt er, so könne er den Sturm der Kritik entgehen. Langsam zweifle ich daran, dass sich der Verteidungsminister künftig - trotz Rückendeckung - selbst noch weiterhin verteidigen kann. Er gibt zu viele offene Fragen. Laut SonntagsZeitung vom 7.September fordern jetzt sogar Generäle Schmids Kopf. Er führe sein Amt nicht mehr, er werde nur noch von Militärs getrieben. Das VBS messe Verfehlungen mit ungleichen Ellen. In anderen Fällen sei schneller und härter reagiert worden. Aus meiner Sicht schätzt Samuel Schmid die derzeitige brisante Situation völlig falsch ein. Es nützt ihm nichts mehr, auf Mitleid zu machen und zu sagen: "Ich bin auch nur ein Mensch". Gravierend empfand ich übrigens Schmids Schlüsselsatz, nachdem man ihm Falschaussagen nachweisen konnte. Schmid antwortete: "Was sie sagen, ist richtig, aber nichtig!" Sorry: "Fehler hinunterspielen" und Krisen nach dem Motto meistern: "Nichts sehen - nichts hören - nichts sagen" ist völlig unprofessionell! Heute schrieb Hannes Britschgi treffend im Sonntagsblick:
"Samuel Schmid verlor zuerst die Übersicht, dann die Erinnerung und schliesslich seine Glaubwürdigkeit."




Nachtrag vom 10. September: Club




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