Die Nebengeräusche sind nicht mehr zu überhören. Am
7. Dezember 2006 unterschreiben 102 Nationalräte ein
Postulat von Rolf Hegetschweiler (FDP/ZH), das sich gegen
die SRG-Konzessionserhöhung ausspricht. Einen Tag darauf
beschliesst der Bundestrat statt 75 Millionen der SRG nur 25 Millionen
zuzugestehen, worauf auf SF 1 online klagend von einem
"Konzessionsfranken" spricht. Der Medienminister und Bundespräsident
Leuenberger sagt klar, dass die beschlossene Politik nicht mit dem
Programm zusammenhängen, doch der Kontext ist vorhanden. In
seiner brilliant formulierten Rede "vom homo sapiens hin zum homo zappiens"
anlässlich der 75jährigen SRG-Gala äussert
der Bundespräsident ähnlich kritische Töne, die die
Programmleitung von SF schon seit einiger Zeit zu hören bekommt,
wenn sie denn hinhört.
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In diesem Zusammenhang wurde eine der wenigen, noch vorhandenen
Politformate, die "Arena" kritisiert. Der FDP-Parteipräsident Fulvio
Pelli war besonders fulminant und drohte mit Sendestreik, nur um eine
Woche später seine Politik in der Arena zu vertreten. Ueli Maurer
ist seit November auf Boykott-Tour, da er sich während der Sendung
zur Kohäsionsmilliarde ständig unterbrochen und in seinen
Aussagen missinterpretiert fühlte. Der FDP-Parteipräsident war
nicht zimperlich und redete von einer Schande, dass sich das Schweizer
Fernsehen von den politischen Skandalisierungsstrategien immer wieder
verführen lasse. Dabei haute aber Fulvio Pelli den Sack, meinte
aber eigentlich den Esel. Denn die Arena als Sendeformat hat einige
Probleme, gewiss und dazu weiter unten mehr. Doch die Probleme reichen
tiefer als die Sendegestaltung. Denn an der Verseichtung der Politik
allgemein ist nicht in erster Linie die Arena, sondern alles Drumherum
der SF Programmgestaltung mitentscheidend.
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Wenn ich "Neger" sage, dann bleibt die Kamera auf mir, meinte einmal
der SVP-Parteipräsident Ueli Maurer treffend. Damit beschrieb er
den allgemeinen Wandel, den eine Gesellschaft erfasst hat, in welcher
alle Werte zur Disposition stehen und jedes Mittel recht sein muss,
überhaupt noch gehört zu werden. Das hätte Fulvio Pelli
auch thematisieren sollen! Und wenn er sich wirklich mit dem Schweizer
Fernsehen anlegen wollte, dann gäbe es fundiertere Kritik als
ein Pauschalschlag gegen die Arena. Die SRG soll kommerziell keuscher
werden (NZZ, 12.10.2006) oder Service Wischiwaschi (NZZ, 9.12.2005)
und tatsächlich, da liegt der Hund eigentlich begraben.
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Denn was punkto Information und Politik seit der neuen Direktorin
Ingrid Deltenre alles nicht passiert ist, ist der eigentliche
Skandal. Ihre konsequente, nicht sehr einfallsreiche und langfristig
für die SRG zum Problem mutierende Kommerzialisierungsstrategie
erfüllt langfristig nicht nur nicht den öffentlich-rechtlichen
Auftrag, sondern ist voll auf Anti-Aufklärung ausgerichtet. Polit- und Informationsformate
haben in einer solchen Strategie kaum Chancen auf Weiterentwicklung und
sind die totalen Stiefkinder von SF 1 und SF 2. Es werden Millionen
für ein Dumpfbackenprogramm der untersten Schublade wie Black n
Blond verlocht Geld, das auch in Form eines Bruchteils dieser Summe
dann plötzlich für so herausragende und langjährige
Korrespondenten wie Werner van Gent fehlt.
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Aber wahrscheinlich ist
in einer Fernsehwelt, die von Sven Epineys und Roman Kilchspergers
bevölkert ist, all das, was in der Türkei, Griechenland oder
im Nahen Osten passiert, sowieso irrelevant. In dieselbe Problematik
passt, dass unter einem neuen Sendeformat Classe politique die bisherige
Parlamentsdebatte in Café des Alpes ablösen soll. Dieses
Heading, das direkt aus der SVP-Politparolisierung stammt, lässt
für die politische Bildung und Zielrichtung der direkten Demokratie
Schweiz nicht Gutes ahnen.
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Dass Politik spannend, unterhaltsam, wichtig, fürs Leben
bereichernd und den Horizont erweitern wirkt, scheint den Schweizer
Programmstrateginnen nicht bekannt. Dabei wäre es ein Leichtes, mal
über den Teich zu schauen. Jon Stewart produziert mit der Daily Show
eine Politsendung, die ihrensgleichen punkto inhaltlichen Gewicht und
Weiterbildung sucht. Die BBC schafft es, mit
"Have I got News for you",
jede Woche Politik und Zeitungen auf die Schippe zu nehmen, so dass
Politik höchst informativ und unterhaltend rüberkommt. TF
1 und 2 produzieren immer noch Nachrichtensendungen, die über
30 Minuten konzipiert, mit anschliessenden Talkshows eine politische
Diskussionskultur schaffen.
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Infotainment wäre eine grossartige
Aufgabe, wenn sie ernst genommen würde. Selbstverständlich
braucht es aber für solche Konzeptionen Grips und nicht nur
weisse Zähne. Doch in der Schweiz wird von den USA nur der
Schrott kopiert, statt das Beste zu übernehmen. So wurden
die SF-Studios derart seicht mit einer Kopie der uninspirierenden
US-Visualisierung neu aufgerüstet, dass nun auch die gescheiten
Moderatorinnen mit ihren Dresscodes wie schlechte Nummergirls
rüberkommen. Entpolitisierter, anti-pluralistischer und langweiliger
hätte der Brandings-Einheitsbrei nicht ausfallen können! Kurz,
Fulvio Pelli hätte viel zu kritiseren gehabt. Er hat es jedoch
vorgezogen, den Boten statt den Absender zu prügeln.
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Denn gerade die Arena unter dem sehr kompetenten Moderator Urs Leuthard
braucht es nach wie vor. Das soll uns jedoch nicht davon abhalten,
auch hier einige kritische Zwischenrufe zu plazieren.
Denn dass die Arena so im Fokus der Politik ist, liegt unter anderem
daran, dass sie als eines der wenigen verbliebenen Politformate unter
grösserer Beobachtung liegt als alle anderen Sendungen. Zudem
hat sie im Frühjahr 2007 ihr Format völlig geändert,
was sowohl unter den Teilnehmenden als auch den Zuschauenden viel Unruhe
schuf. Denn was ist passiert?
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Die noch von Patrick Rohr eingeführte
offene Gesprächsrunde von sechs Diskutanden, die sowohl aus Politik,
Wirtschaft und Kultur stammen konnten, wurde auf eine Polarisierungsshow
reduziert. Nicht wie in den Arena-Anfangszeiten unter Filippo Leutenegger
auf zwei Kontrahenten, sondern auf vier. Mit dem Resultat, dass die
Gästeliste viel parlamentarischer wurde und die Experten aus
Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft in die zweite Runde
verdrängt wurden. Mit kontrahenten Politikern ergibt sich aber keine
Diskussion, sondern nur ein Freund-Feind-Schema, ein Gladiatorenkampf. Ein
Kampf, der nur interessant ist, wenn zwei gleichstarke Gegner mit einem
spannenden Thema aufeinandertreten. Doch in der Politik funktioniert
das Daumen rauf und Daumen runter eben nicht wirklich. Und deshalb
empfinden viele Zuschauer die Arena im aktuellen Kleid als abschreckend.
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Vielleicht stimmt die Quote noch, doch der Informationsgehalt ist sicher
viel bescheidener als noch in der Sechserrunde.
Die Kameraführung wurde sehr schnell, modern und im amerikanischen
Zappstil beweglich, nur die Inhalte erstarrten mehr und mehr. Denn die
Nähe der Kontrahenten, die zudem mit dem Rücken zum Publikum
stehen, bringt eine Ambience, die nicht dem Gespräch, sondern
der Attacke förderlich ist. Der Moderator hat eine klassische
Gladiatorenaufgabe und Urs Leuthard legt einen Gedächtnismarathon
ohnesgleichen hin, wenigstens einmal die hochrangige zweite Reihe
abzufragen. Doch dadurch folgen sich Statement auf Statement, Quote
auf Quote und eine echte Diskussion findet nicht statt. Selbst ein
Streit entsteht nicht wirklich, da die vier immer wieder vom Moderator
unterbrochen werden müssen, wollen die Leute am Fernseher noch
mitkommen, was denn eigentlich diskutiert wird.
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Kurz, die Arena in neuem Format überzeugt viele Zuschauenden nicht
und verärgert die Politiker. Eine sehr schlechte Voraussetzung
für ein wichtiges Politformat mit einem eigentlich hervorragenden
Politmoderator. Aber eben. Vielleicht wäre die Arena in neuem Kleid
auch wirklich der Gewinn, den sich Urs Leuthard und sein Team vorgestellt
haben, wenn sie nicht die einzige Sendung bliebe und die Innovation
lediglich in der Studioumgestaltung bestünde. Denn die Schweiz
braucht mehrere Politformate. Der Club, Rundschau, 10vor10, Tagesschau,
Schweiz aktuell und eben auch die Arena sind grundsätzlich gut,
spannend, intelligent. Doch sie existieren schon seit Jahren und sollen
ruhig noch weiterexistieren. Aber es braucht unbedingt neue Formate,
die zudem nicht um Mitternacht positioniert werden. Denn wie sagte doch
kürzlich einer meiner Studenten? "Meine politische Bildung habe ich
aus dem Fernsehen. Seit es Viktors Spätprogramm nicht mehr gibt,
weiss ich eigentlich nichts mehr über die aktuelle Politik."
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Dieses Votum ist ernstzunehmen. Gerade in der direkten Demokratie Schweiz,
die vom nahen Miteinander lebt, ist es wichtig, die politische Information
und Bildung attraktiv zu gestalten. Politik auch so zu präsentieren,
dass die Botschaft stimmt. Eine Botschaft, die auf Information und
Aufklärung und nicht nur auf Slogans reduziert wird. Eine Botschaft,
die zeigt, dass Politik nicht im Gegeneinander, sondern vor allem im
Kompromiss und Miteinander funktioniert. Eine Politik, über die
aber auch gelacht werden kann, soll und muss. Denn Lachen war eigentlich
schon immer einer der besten Sehhilfen, wenn es darum geht, Macht und
Demokratie zu analysieren. Es gäbe also Viel und Spannendes zu tun.
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