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www.rhetorik.ch aktuell: (16. September, 2003)

Muss eine Miss Schweiz eine Landessprache können?



Bianca Sissing
"Ich bin in Kanada aufgewachst."


Mit diesem falschen Deutsch hat die neue 24 jährige Miss-Schweiz Bianca Sissing eine Diskussion entfacht. Muss man als Schweizer überhaupt eine Landessprache richtig können? Die Meinungen darüber sind geteilt. Bianca Sissings Muttersprache ist Englisch. Die neue Miss spricht weder Deutsch noch Französisch, Italienisch oder Rätoromanisch fliessend.

Für SVP-Nationalrat Hans Fehr ist klar:
"Eine Miss Schweiz muss eine unserer Landessprachen beherrschen. Sie ist schliesslich Aushängeschild für das Vaterland."


Ginge es nach Fehr, könnte Bianca Sissing keine Miss Schweiz werden. Toni Inauen, Stadtschreiber in Gossau SG versteht die Aufregung nicht:

"Ich habe Bianca Sissing am Samstag im Fernsehen gesehen. Sie hat zwar einen englischen Akzent, aber ihr Deutsch reicht aus. Wäre sie keine Schweizerin, wir würden sie einbürgern."


Inauen findet jedoch:

"Bei der Einbürgerung legen wir sehr hohe Massstäbe an. Wer Schweizer werden will, muss sich in Hochdeutsch verständlich ausdrücken können und Deutsch verstehen."


Auch im Bundesparlament sind die Sprachkenntnisse ein Thema - in einer neuen Bürgerrechtsregelung. Nationalrat und Ständerat sind sich einig: Bewerberinnen und Bewerber müssten mindestens mit einer Landessprache vertraut sein.
Die Kammern gehen damit weiter als der Bundesrat, der lediglich zur Bedingung stellt, dass Neubürger mit den Lebensverhältnissen der Schweiz vertraut sein müssen. Das neue Einbürgerungsgesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Der Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann geht dies zu weit:

"Eine Putzfrau, die 20 Jahre lang geputzt hat, muss nicht unbedingt Deutsch beherrschen. Wichtig ist, dass sie gelernt hat, sich selber zu wehren."




Blickumfrage:
Stand 16. September 2003


Interessant, dass bei der Miss-Schweiz die Landessprache thematisiert wird. Bei einem Fussballer der Nationalmannschaft wurde noch nie ein Sprachtest in der jeweiligen Landessprache verlangt. Es gibt bestimmt einige "eingekauften" Fussballstars, die beispielsweise in Deutschland nicht einmal den Satz "Ich bin in ... aufgewachst" formulieren oder verstehen könnten.

Links zum Thema

Bianca Sissing ist Miss Schweiz 2003. Eine Jury und das Fernsehpublikum haben die in Kanada aufgewachsene 24-jährige Luzernerin am 13. September 2003 zur neuen Schweizer Schönheitskönigin gewählt. Sissing hat wie ihre Vorvorgängerin Jennifer Ann Gerber eine südafrikanische Mutter und einen Schweizer Vater. Sissing schloss in Kanada ein Psychologiestudium ab. Die Vorgängerin von Sissing war Nadine Vinzens.


Stephanie Berger, 1995 Melanie Winiger 1996 Tanja Gutmann 1997 Sonia Grandjean 1998 Anita Buri 1999 Mahara McKay 2000 Jennifer Ann-Gerber 2001 Nadine Vinzens 2002


Nachtrag vom 17. September 2003: Thema in Boulevardpresse.

In der Schweizer Boulevardpresse vom 17. September 2003 wird das Thema nochmals aufgewärmt. Star-Werber Frank Bodin verheisst "Miss Aufgewachst" eine glänzende Zukunft. Das "Miss Aufgewachst" liesse sich gut vermarkten denn das mache Sissing unverwechselbar.

Blick: Kann Bianca Sissing mit ihrem englischen Akzent und mit ihren Deutsch-Schwierigkeiten Erfolg haben? Frank Bodin: "Ja, auf jeden Fall. Sie hat eine erfrischende Art. Mit ihrer Sprache steht sie für eine multikulturelle Schweiz. Und zudem kommt es auf die Inhalte an, die sie vermittelt. Und da ist sie auf einem sehr guten Weg, in der Werbung Erfolg zu haben."
BlickKann ihr Sprachproblem für die Miss zu einem Markenzeichen werden, wie es Verona Feldbusch geschafft hat? Bodin"Das Markenzeichen muss nicht die Sprache oder ihre Schönheit sein. Was sie auszeichnen muss, ist ihr Charakter. Wenn sie einfach nur so ist, wie sie ist, wird sie sich am besten verkaufen. Bestes Beispiel dafür ist die Ex-Miss Melanie Winiger. Sie hat ihren eigenen Kopf und ist in der Öffentlichkeit so, wie sie auch privat ist. Das kommt bei den Leuten an. Ich habe Bianca Sissing bisher ein Mal nach der Miss-Wahl getroffen und festgestellt ­ sie hat das Zeug dazu. Ob sie es schafft, wird die Zeit zeigen."
BlickSie ist mit 24 Jahren schon recht alt für eine Miss. Bodin"Das macht nichts. Sie hat schon viel von der Welt gesehen, eine Ausbildung gemacht und schon einiges erlebt. Das lässt sie bei den Erfahrungen, die sie jetzt im Showgeschäft macht, abgeklärter sein."
BlickWelchen Tipp geben Sie als Profi "Miss Aufgewachst"? "Sie soll nicht zu weit in die Zukunft schauen. Sie soll die Erfahrungen aus diesem Jahr geniessen und vor allem nicht von einer Musikkarriere nach dem "Miss-Jahr" sprechen ­ das macht heute fast jede Miss. Dann wird sie für die Werbung attraktiv bleiben."




Fazit: Die Bemerkung, dass das Markenzeichen eines Menschen der Charakter ist, teilen wir voll und ganz. Ferner unterstreichen wir ebenfalls: "Wer in der Öffentlichkeit so ist, wie er privat ist, wird beim Publikum am besten wegkommen."




Nachtrag vom 18. September 2003: Thema in NZZ.

Erstaunlich, dass sogar die NZZ auch noch auf die Nachwehen der Miss-Wahl zu sprechen kommt. Normalerweise finden solche Themen kaum den Weg in die Spalten der "Neuen Zürcher Zeitung". Da sich jedoch ein J.S mit E- Mails an verschiedenen Zeitungen als PR - Verantwortlicher der jungen SVP der Stadt Zürich entpuppt hatte, hatte die Zeitung doch einige Zeilen auszugsweise veröffentlicht.
J.S. hatte geschrieben:
"Ich bin doch schon etwas erstaunt und überrascht, dass erneut bei einer Miss - Schweiz- Wahl eine nicht reine Schweizerin gewählt wurde... Zum erneuten Mal" wurde der Titel jemandem verliehen "welcher teils ausländischer Abstammung ist".

Nach einer Jammertirade über die angebliche Bevorzugung der Halb-Maori Mahara McKay gegenüber der "typischen" Schweizerin Mascha Santschi vor zwei Jahren, kommt der Schreiber zum Schluss, dass diese Miss-Wahl - wie auch schon die Mister-Schweiz-Wahl, deren Sieger den Namen Ismajlovic tägt -" wie eine Faust im Gesicht eines jeden Eidgenossen" wirke.

Als hätte der Schreiber geahnt, dass er sich mit seinen Sprüche auf glitschiges Terrain begibt, nutzte er das rhetorische Mittel der "Vorwegnahmetaktik", um den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit zu entkräften:

"All jenen, welche in meinen Zeilen schon wieder die Fremdenfeindlichkeit und den Rassismus zu erkennen meinen: Hand aufs Herz, ist es nicht selbstverständlich, dass bei einem Schönheitswettbewerb, welcher sich auf ein Land bezieht, auch ein echter Vertreter dieser Volksgruppe auserkoren wird?"


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