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www.rhetorik.ch aktuell: (31. Okt. 2002)


Rhetorik nach der Wahl

October Regierungserklaerung

Die Antrittsrede von Bundeskanzler Schröder im Deutschen Bundestag kam in der Presse nicht gut an. Nach Spiegel rümpften auch Abgeordnete von SPD und Grünen die Nase über die Redenschreiber des Kanzlers: Ein Grüner: "In der Not bringt der Mittelweg den Tod". Auch Anleihen von Redeteilen von Kennedy oder Brandt konnten die Rede nicht verbessern. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos spottete zu Schröder: "Willy Brandt wurde früher auch Willy Wolke genannt. Demnach müssten sie Gerhard Nebel heißen". Schröder wurde nur munter, als er vom Manuskript abwich und der Union den Wahlverlust vorhalten konnte. Weit besser kam Angele Merkel weg. Sie redete frei und konnte soundbitefähige Sätze platzieren.


Schröder
In seiner ersten und besonders wichtigen Regierungserklärung nach der Wahl brauchte Bundeskanzler Schröder Worte, die auf ein berühmte Zitat des einstigen US-Präsidenten John F. Kennedy zurückgehen.
Schröder:
"Hören sie auf, immer nur zu fragen, was nicht geht. Fragen wir uns, was jeder Einzelne von uns dazu beitragen kann, dass es geht."
Kennedy:
"Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst."
Kennedy


Schröder war angriffig. An die Adresse der Opposition

"Sie sind sauer, weil sie die Wahl verloren haben. Man sieht es ihnen an."
Er machte sich über die Union lustig:

"Sie sassen da, Sie sitzen da, Sie werden da sitzen bleiben."
Die Presse quittierte die Rede meist negativ. Schröder habe in allgemeinen Wendungen geredet. Unter anderem sagte Schröder von den Einschränkungen:

"Der allgemeine Wohlfahrtsstaat, der den Menschen die Entscheidungen abnimmt und sie durch immer mehr Bevormundungen zu ihre Glück zwingen will, ist nicht nur unbezahlbar. Er ist am Ende auch ineffizient und inhuman.":


Auch Affinitäten mit Worten von Brandt wurden festgestellt. Das "NDR-Magazin Extra 3" berichtete, dass Textpassagen in Schröders Regierungserklärung aus Brandts 1973 Rede übernommen haben soll.


Schröder "Mehr Wachstum und mehr Produktion bedeuten nicht automatisch mehr Freiheit für den Einzelnen. Für uns ist Lebensqualität mehr als Lebensstandard."
Brandt "Mehr Produktion bedeutet aber noch nicht automatisch mehr Freiheit für den Einzelnen. Lebensqualität ist mehr als Lebensstandard."
Schröder: "Lebensqualität hat mit Freiheit zu tun. Freiheit, das heisst: Freiheit von Angst und Not."
Brandt über Lebensqualität: "Sie heisst für uns: Freiheit, auch Freiheit von Angst und Not."


Die Anlehnung an Kennedys Zitat kommt nicht von ungefähr. Das milliardengrosse Haushaltloch, die massive Kritik von Interessengruppen und Wirtschaftforschungsgruppen macht der Rot-Grünen Regierung Sorgen.

Die Opposition konterte ebenfalls mit rhetorischen Mitteln. Die CDU Chefin Angela Merkel sprach vom "Kennedy-Verschnitt aus Hannover" und bezichtigte die Regierung des "grössten Betrugs am Wähler in der Geschichte der Bundesrepublik". Angela Merkel nahm sogar das Wort Lüge in den Mund.

Merkels Soundbitefähige Sätze lauteten:

"Rot-Grün macht arm."
Beifall erntete Merkel, als sie sagte:

"Mein Reich ist nicht von dieser Welt." - "Genau so ist ihre Regierungserklärung nicht von dieser Welt."


Günter Zienterra, Leiter des Institutes für Rhetorik in Bornheim war von Merkels Auftritt begeistert. Sie habe frei geredet, den Kontakt zum Publikum aufgebaut und sich durch Zwischenrufe nicht aus der Fassung bringen lassen. Zudem habe sie Humor bewiesen und habe Humor und Schlagfertigkeit gezeigt. Sogar ihr rotes Kleid habe die Angriffslust unterstützt. Nach dem Rhetorikexperten hat Schröder bei diesem Duell wie ein Verwaltungsmanager - mitunter sogar schläfrig - gewirkt. Bei Merkel wurde ihre Frisur, die schlechte Artikulation und der mangelnde Charme beanstandet.

FDP-Chef Guido Westerwelle versuchte sich ebenfalls rhetorisch hervorzutun. Er sagte zum Bundeskanzler:
"Sie gehen den Weg in eine ungeplante Planwirtschaft."


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