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www.rhetorik.ch aktuell: (8. Oktober, 2003)

Vorwurf der Lüge



Samuel Schmid Die Beziehungen der Schweiz zum südafrikanischen Apartheidregime werden von verschiedenen Organen untersucht. Beteiligt an dieser Geschichte sind die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), das VBS mit seinem Vorsteher Samuel Schmid sowie die Bundesanwaltschaft und das Untersuchungsrichteramt. Der angebliche Bericht der GPDel war auszugsweise im "Sonntags-Blick" vom 5. Oktober veröffentlicht worden. Darin soll der VBS-Vorsteher Samuel Schmid unter anderem vorgeworfen werden, im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Beziehungen Schweiz-Südafrika GPDel-Präsident Tschäppät falsch informiert zu haben. Bundsrat Schmid ist nicht zum erstenmal unter Druck. Das Informationsmanagement vom VBS war vorbildlich und am 7. Oktober musste der "Blick" die Lügenvorwürfe zurücknehmen.


Bundesrat Samuel Schmid wurde im Sonntagsblick vom 5. Oktober 2003 als Lügner hingestellt. Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments (GPDel) verneint das. Doch der Kleinkrieg geht weiter. Die Untersuchungen der Schweizer Kontakte zum Apartheidregime in Südafrika gibt Anlass zur Frage: Wer hat ohne Wissen der parlamentarischen Oberaufsicht den südafrikanischen Staatsanwalt nach Bern geholt? "Die Bundesanwaltschaft", sagte Schmid der GPDel. Es war aber das VBS. Dass ihm das die Bundesanwaltschaft bereits gesagt hatte, daran kann sich Schmid nicht mehr so genau erinnern, wie er der GPDel in einem Brief klarmacht, der nach Blick vorliegt. Falsche Aussage, aber keine Lüge also.


"Es besteht eine Differenz, aber der Vorwurf der Lüge ist unhaltbar",


meint GPDel-Präsident Alexander Tschäppät (SP). Doch der Streit geht weiter. Tschäppät hat sich jetzt auf den vom VBS mit einer eigenen Untersuchung beauftragten Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer eingeschossen.
Wie verhielt sich das VBS in dieser verzwickten Situation? Schmids Sprecher Oswald Sigg liess vorerst nur verlauten:

"Das VBS hat die Vorwürfe gegenüber der Geschäftsprüfungsdelegation als haltlos zurückgewiesen".


SVP-Chef Ueli Maurer nahm Schmid in Schutz:

"Solche Fehler traue ich Schmid nicht zu, die Vorwürfe werden sich als warme Luft herausstellen."


Am 6. Oktober traten die 6 Mitglieder der GPDel vor die Medien. Die Delegation lege insbesondere Wert darauf, dass der Vorwurf der Lüge an Bundesrat Samuel Schmid unhaltbar sei Am 7. Oktober kam dann Entwarnung. Der Blick musste die Lügenvorwürfe zurücknehmen.
Schon die NZZ vor über einem Monat vom 27. August 2003 hatte zu diesem Thema in einem Artikel "Schweizer Nachrichtendienst und Südafrika: Ad acta" der Verwaltung geraten:

"Angesichts der Resultate, welche die beiden jüngsten Untersuchungen, aber auch die Abklärungen im Fall des Obersten Nyffenegger zutage gebracht haben, müssten sich Bundesrat und weitere Entscheidungsträger der Verwaltung künftig die Frage stellen, ob manchen Enthüllungsgeschichten nicht mit mehr Augenmass und Standfestigkeit zu begegnen wäre."


Ist die Sache nun überstanden?


Pressecommunique des VBS vom 7. Oktober Erklärung des VBS zur Veröffentlichung des Berichts der GPDel vom 30.9.2003.
Nach den Erklärungen der GPDel hat Bundesrat Samuel Schmid mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass der Vorwurf der Lüge vom Tisch ist und die entsprechenden Vorwürfe an seine Adresse, die in einem Arbeitspapier der GPDel enthalten waren, nicht haltbar sind.
Es ist überdies mit Befriedigung festzustellen, dass über die eher formalen Schwierigkeiten hinweg die beiden Untersuchungen, was die wichtigen Inhalte anbetrifft, nicht auseinanderklaffen.
Die Parallelität solcher Verfahren kann zu gewissen Abgrenzungsfragen führen, die künftig zu vermeiden sind. Wir bedauern die Schwierigkeiten und Fehler, die daraus entstanden sind.
Es war das Bemühen des Chefs VBS, dem Untersuchungsbeauftragten die nötige Unabhängigkeit für seine Recherchen zu geben. Sein Bericht ist das Resultat intensiver Abklärungen und diese sind rechtmässig, vollständig und auftragsgemäss erfolgt. Es ändert sich nichts an der Würdigung des Berichts von Prof. Schweizer durch den Chef VBS, wie sie an der Pressekonferenz vom 20. Dezember 2002 vorgenommen worden ist.


Sonntagsblick vom 5. Oktober 2003: Kommentar vom Chefredaktor Werner de Schepper
Mit grossem Bedauern. Was verkörperte Bundesrat Samuel Schmid für uns alle bis jetzt? Geradlinigkeit. Anstand. Auch protestantische Moral. Und vor allem Respekt für anders Denkende, für Kritiker, für die Institutionen von Demokratie und Rechtsstaat. Ja, Samuel Schmid war ein sicherer Wert im Bundesrat. Bis jetzt. Doch was sollen wir nun anfangen mit all dem, was uns zur Kenntnis gebracht wird durch eine parlamentarische Kontrollkommission? Plötzlich fallen uns zu Samuel Schmid Begriffe ein, die gar nicht zu ihm passen: Verzögerungstaktik, Doppelspiel und fehlender Respekt gegenüber den Institutionen von Demokratie und Rechtsstaat. Mit grossem Bedauern lesen wir das, was verschwiegen werden sollte. Und wir hoffen, dass Samuel Schmid, der bisher so gerechte Mann im Bundesrat, eine offene Antwort findet, zur Selbstkritik in der Lage ist, damit er uns nicht ganz verloren geht.
Blick vom 6. Oktober 2003: Hat Bundesrat Schmid gelogen oder nicht?
Harte Vorwürfe gegen Bundesrat Samuel Schmid: Er und sein Departement sollen die Organe der parlamentarischen Aufsicht belogen und hintergangen haben. Der Südafrika-Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments: eine scharfe Anklageschrift gegen das Verteidigungsdepartement und seinen Chef Samuel Schmid. Sie gipfelt im Vorwurf, Schmid selber habe die Parlamentarier "bewusst irregeführt". Das enthüllte gestern der SonntagsBlick. Die politischen Gegner wetzen schon die Messer. "Es ist im VBS einiges passiert, bei dem man das Gefühl hatte, Schmid sei ziemlich glimpflich davongekommen. Lügen darf ein Bundesrat auf keinen Fall", sagt CVP-Generalsekretär Reto Nause. Das VBS weist die Vorwürfe zurück. Ausführlich will Schmid aber erst Stellung nehmen, wenn der Bericht offiziell verabschiedet ist.
Blick vom 7. Oktober 2003: Kommentar von Ueli Walther, Stv. Chefredaktor
Keine Lüge - aber auch kein Freispruch! Die Fakten sind klar: Samuel Schmid hat dem Chef einer parlamentarischen Untersuchungskommission eine falsche Auskunft gegeben. Den Vorwurf, der Bundesrat habe sie damit "bewusst irregeführt", hat die Kommission aus ihrem Schlussbericht allerdings gestrichen. Schmid ist somit vom happigen Vorwurf der Lüge entlastet. Er hat dem Kommissionspräsidenten zwar eine falsche Auskunft erteilt - dies aber wohl nicht bewusst. Sein Ruf als integrer Bundesrat bleibt intakt. Ein Freispruch ist das für den VBS-Chef aber nicht. Denn die Kommission kritisiert weiterhin, dass sie in ihrer Kontrollarbeit vom VBS nicht ausreichend unterstützt worden ist. Mehr noch: Dienststellen im VBS "bezweifeln gar die Notwendigkeit einer parlamentarischen Oberaufsicht", so die Rüge. Das ist in einem demokratischen Rechtsstaat aber eine Selbstverständlichkeit! Keine guten Noten für Bundesrat Schmid also. Er tut gut daran, die Mitarbeiter in seinem "Laden" härter an die Kandare zu nehmen.
Blick vom 8. Oktober 2003-10-08, Kommentar von Urs Moser
Bericht sollte geheim bleiben. Die Vorwürfe gegen das Departement von Bundesrat Samuel Schmid im Zusammenhang mit der Südafrika-Untersuchung hätten unter dem Deckel bleiben sollen. VBS-Gutachter Rainer J. Schweizer gelangte noch am 1. Oktober mit einem Brief an die Geschäftsprüfungskommission (GPK). Er forderte rechtliches Gehör und stellte Beweismittel in Aussicht, um die Vorwürfe gegen ihn zu widerlegen. Nicht ohne Wirkung. Wie GPK-Vizepräsident Peter Jossen BLICK bestätigte, lag ein Antrag vor, den Bericht unter dem Deckel zu halten. Von Kurt Wasserfallen (FDP) - nicht eben ein Freund von SP-Mann Alexander Tschäppät, der die parlamentarische Untersuchung leitete. Die beiden kämpfen ums Berner Stadtpräsidium. Das Lobbying schien erfolgreich. VBS-Sprecher Oswald Sigg: "Informell hörte man aus GPK-Kreisen, dass die Veröffentlichung stark umstritten ist." Sogar Bundespräsident Pascal Couchepin griff noch in die Tasten. In einem Brief an die GPK widersetzte er sich zwar der Publikation nicht grundsätzlich, setzte sich aber für eine Anhörung von VBS-Experte Schweizer ein. Erst durch die vorzeitige Publikation im SonntagsBlick wurde klar: Jetzt muss der Bericht raus.


Nachtrag vom 21. Oktober 2003: Bundesrat Schmid erneut unter Druck.
Nach dem Sieg der SVP am Wahlsonntag fordert Ueli Maurer im Siegestaumel:
  • Nun wollen wir einen zweiten Bundesratssitz
  • Wir schlagen als Bundesrat Christoph Blocher vor
  • Falls wiederum ein anderer gewählt würde, müsste Bundesrat Schmid zurücktreten. Sonst begäbe sich die SVP in die Opposition.
Verständlicherweise suchten alle Bundesrat Schmid auf, um zu erfahren, was er zu diesem Vorschlag meine. Schmid nahm sich Zeit und überlegte, wie er sich verhalten solle (und war damit überlegen). An der Delegiertenversammlung der Berner SVP sagte er:

Ich verpflichte mich zu nichts im Fall einer Nichtwahl von Blocher.


Seine Worte wurden mit einer Standing Ovation der über 500 Delegierten bedacht. Zuvor hatte sich die Berner Kantonalpartei für einen zweiten SVP-Bundesratssitz ausgesprochen. Wer schlussendlich neben Schmid im Bundesrat vertreten wird, darüber soll nach dem Willen der Berner eine Urabstimmung unter den Mitgliedern entscheiden.


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