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www.rhetorik.ch aktuell: (20. März - 4. April, 2001)

"No comment"-Verhalten (III)


Einheitliche Kommunikationskultur als Erfolgsfaktor

Mario Corti, Bildquelle: http://www.alumni.hbs.edu Die Aktuellbeiträge über die SGroup (siehe No-comment Verhalten (II)) machten deutlich, dass die beste Kommunikationschefin nichts ausrichten kann, wenn die Führung bewährte Prinzipien guter Kommunikation in den Wind schlägt.
Am 20.3.2001 war nun zu erfahren, dass nun auch der neue SGroup Chef Corti hinsichtlich Kommunikation bei der Meinung von Beatrice Tschanz unterschiedlich denkt und die beiden Auffassungen auseinanderklaffen.
Für jeden Profi oder Profifrau ist eine umfassende und regelmässige Information eine Selbstverständlichkeit.
Corti will jedoch die Medien von der Swissair fernhalten. Er selbst gibt bis zum 2. April keine Interviews mehr.
Die grundlegend verschiedene Auffassung über Kommunikation und Medien wird zwangsläufig Folgen haben. Es lohnt sich die Fortsetzungsgeschichte weiter zu verfolgen.
Ob Corti mit seinem Konzept Erfolg haben wird? On verra. Vielleicht ändert er noch die Meinung.
Kommunikation und Information ist zwar Chefsache. Aber kein Vorgesetzter kann sich leichtfertig über bewährte Kommunikationsprinzipien hinwegsetzen.
Nachtrag (25. März)
Cortis Devise "Schweigen ist Gold" wird mit einem Brief des Konzernchefs an alle Mitarbeiter zusätzlich unterstrichen. Der Text lautet:
"Ab sofort ist kein Gruppenangehöriger befugt, ohne ausdrückliche Zustimmung der Pressestelle, den Medien gegenüber Aussagen über Zustände, Aussichten und Pläne der Swissair-Gruppe zu machen."
Zugleich werden Sanktionen angedroht:
"Bei Widerhandlungen werden die Verantwortlichen die Konsequenzen zu tragen haben."
Honegger, Bildquelle: www.tages-anzeiger.com Diese Massnahme hat aus der Sicht des Informationsmangementes auch eine gute Seite:
Die Information wird bewusst geführt. Die Kommunikation ist koordiniert. Nur eine Stimme spricht. Die Tür für zusätzliche Aussagen ist damit nicht mehr völlig blockiert.
Anderseits werden Fragen wie die Höhe der Abfindungssumme Honeggers (Sind es tatsächlich 5 Millionen?) abgeblockt. Niemand will offensichtlich diese brisante Frage konkret beantworten, obschon die SAir-Group unter Beatrice Tschanz früher stets einer offenen Informationspoitik verpflichtet war. Übrigens will zur Zeit auch Bundespräsident Leuenberger die Abfindungssumme nicht nennen. Seine Formulierung war geschickt: "Er wisse nichts von einer Abfindungssumme". Damit weiss niemand, ob tatsächlich eine Entschädigung (für schlechte Leistung!) bezahlt worden ist. Der Bundespräsident hat nur nichts davon gehört.
Nachtrag (27. März)
Mario Corti, Bildquelle: http://www.blick.ch Die SGroup bedient jetzt doch die Medien - aber selektiv. Mario Corti muss schon heute die Türen zur Medienwelt - wie prognostiziert - zusätzlich öffnen. Doch bedient er nur das Schweizer Fernsehen und das Radio DRS. Diese selektive Informationspolitik verstösst eindeutig gegen das bewährte Prinzip von Beatrice Tschanz, alle Medien gleichwertig zu bedienen. Gewiss gibt die Informationspolitik des neuen starken Mannes Grund zu Verärgerungen bei allen Medien, die ausgeklammert werden. Es liegt in der Luft: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Bestimmt wird sich wieder bald etwas ändern. Wir warten gespannt auf die Fortsetzungsgeschichte.
Noch eine Bemerkung zur selektiven Information:
Dass heute verschiedensten Institutionen nicht mehr nach dem Giesskannenprinz informieren, ist kein Geheimnis. In den verschiedensten Bereichen versuchen Kommunikationsverantwortliche, bewusst gezielt zu informieren. Es gibt es unter Umstaenden bei wichtigen Medien vielfach eine Vorzugsbehandlung. Anderseits kommt es immer wieder vor, dass missliebige Medien bewusst benachteiligt und damit gleichsam bestraft werden. Doch darf eine Institution ihre gezielte Informationspolitik nie nach aussen kundtun. Trotz gezielter Information gilt das Prinzip der Ausgewogenheit und Gleichbehandlung.
Nachtrag (1. April)
Mario Corti, Bildquelle: http://www.blick.ch Es scheint kein Aprilscherz zu sein. Der Nestlémann Corti will sich nach Recherchen des Sonntags-Blick vom 1. April in den nächsten Tagen von der Informationschefin trennen. Wir hatten schon verschiedentlich darauf hingewiesen, dass die oberste Führungsebene immer mit dem Kommunikations- oder Informationschef übereinstimmen muss. Die Fortsetzungsgeschichten SGroup machten mehr als deutlich, dass hinsichtlich Kommunikationskultur krasse Unterschiede sichtbar werden. (Offene Informationspolitik, permanentes und unparteiisches Informieren). Eine Trennung lag in der Luft. Denn: Beatrice Tschanz lebte die bewährten Kommunikationsgrundsaetze und sitzt heute am kürzeren Hebel. Die Differenzen waren zu gross. Ob die kühle, berechnende Informationspraxis Cortis langfristig Erfolge haben wird, werden wir sehen. Jedenfalls ist es nicht ausgeschlossen, dass bereits das "Nichtinformieren" zum jüngsten Kurseinbruch der Swissairaktien geführt hat (bewirkte Unsicherheit). Sicher ist, dass eine gute Kommunikationskultur wertvoll ist. Frau Tschanz war nach dem Halifax-Absturz Gold wert. Möglichweise brachte sie der SGroup durch die professionelle Informationspraxis Millionen von Franken. Wir werden morgen sehen, welche Karten Corti an der Medienkonferenz auf den Tisch legt. Der Informationskrimi ist jedenfalls noch nicht fertig. Es wird vermutet, dass nach dem 3 Milliardenloch die Grossbanken vorerst einspringen. Doch Corti muss sich künftighin auch ohne Beatrice Tschanz mit Kommunikation und Medien auseinandersetzen. Wir werden am Ball bleiben.
Nachtrag (3. April)
Tschanz, Bildquelle: www.tages-anzeiger.com An der Bilanzmedienkonferenz der SAir Group vom 2. April trat ein, was schon oben prognostiziert wurde: Beatrice Tschanz, die Kommunikationsvorzeigefrau wählte den Notausgang und geht auf Ende April vom Deck. Der neue SAir Kapitän Mario Corti demonstrierte mit seinem unterkühlten Auftritt den neuen Kommunikationsstil. Als Sanierer beschönigte er die finanzielle Situation nicht. Es wird vermutet, dass er als Nachfolger von Frau Tschanz auch einen Berater wählt, der aus dem Umfeld der Hochschule St. Gallen kommt und ebenfalls die Information straff führen wird.
Wir sind nicht der Meinung, dass es einen alleinseligmachenden Führungsstil gibt. Bei der SAirGroup ist heute in erster Linie ein gutes Management gefragt. Kommunikation und Information ist gewiss nicht alles. Doch geht auch bei der SAirGroup ohne fachgerechte Kommunikation und Information nichts. Die neuen Botschaften müssen letztlich Menschen überzeugen; sie müssen greifen. Wenn der Finanzmann Corti das Vertrauen nicht aufbauen könnte (bei der Öffentlichkeit, bei den Mitabeitern und bei den Medien), so hätte dies gravierende Folgen. Neue Besen kehren bekanntlich immer gut. Der erste Auftritt nach der Informationspause wurde trotzdem unterschiedlich aufgenommen. Die Präsentation war aber aus unserer Sicht keine Glanzleistung. Die unverblümte Beschreibung der finanziellen Situation war zwar klar und eindeutig. Wer aber den konkreten Inhalt der Antworten analysiert hatte, stellte fest:
Es gab zu viele vage, schwammige Passagen. Dass ein neuer Kurs eingeschlagen werden muss, ist kein umwerfender Gedanke. Gesagt wurde aber nicht, welcher Kurs und wohin er führt. Die brennende Frage nach den Abgangsenschädigungen von Bruggisser und Honegger wurden ebenfalls ausweichend beantwortet. "Es sei nichts ausbezahlt worden", war zu hören. Das sagt tatsächlich nicht, ob nicht doch noch etwas ausbezahlt wird. Zahlen wurden keine genannt. Bei den Sofortmassnahmen wissen wir nur, dass der Geldhahn zugedreht wird und die Piloten eine Lohnkürzung in Kauf nehmen müssen. Ohne zu erwähnen, dass die Pensionskasse in voller Höhe weiterbezahlt wird und der Lohn langfristig garantiert wird.
Corti, Bildquelle: www.tages-anzeiger.com Bis zur Generalversammlung vom 25. April bleibt somit zu vieles im Dunst. Die Öffentlichkeit muss weiterhin mit einer enggeführten, zurückhaltenden Informationspolitik rechnen. Cortis Auftritt hinterliess ein Bild von einem starken Mann, der sich selbstsicher gibt. Die kühle Art wirkte beinahe arrogant oder überheblich. Die Distanz zeigt sich heute schon darin, dass es der neue Chef wünscht, als Dr. Corti angesprochen zu werden. Der Finanzmann scheint allgemein die emotionale Seite in den Schatten zu stellen. Möglicherweise hat der neue Führungsstil in der heutige Krisensituation Erfolg. Wir bezweifeln dies, solange Corti es nicht fertig bringt, andere Menschen mit konkreten Aussagen zu überzeugen. Die Börse setzt immer sehr schnell die psychologische Stimmung in Zahlen um. Jedenfalls geht der Kommunikationskrimi weiter.


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