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www.rhetorik.ch aktuell: (02. Mar, 2019)

Kassierer m/w/d

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Letzten August hat das Deutsche Bundesverfassungsgericht beschlossen, dass bei der Geburt neben der Geschlechtsoption ``männlich" und ``weiblich", auch ``divers" angegeben werden kann. Bei Stelleninseraten gesellt sich nun neuerdings zum m/w auch ein d dazu. 20 Min:
Es sorgt für Verwirrung: Das zusätzliche "d" in Stelleninseraten. Bis vor kurzem benutzten Firmen lediglich "m/w" (männlich/weiblich), um sicherzustellen, dass sich beide Geschlechter angesprochen fühlen. Doch jetzt sind auf Job-Portalen plötzlich zahlreiche Stellen mit dem Zusatzvermerk "m/w/d" gelistet. Hintergrund: In Deutschland gibt es seit Anfang Jahr offiziell ein drittes Geschlecht. Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, können sich als "divers" im Personenstandsregister eintragen lassen. Das hat Auswirkungen auf die Arbeitgeber: Um nicht mit dem Gleichbehandlungsgesetz in Konflikt zu geraten, müssen sie ein "d" für divers oder ein "i" für intersexuell bei Stellenausschreibungen hinzufügen. Jetzt folgen erste Schweizer Firmen dem Beispiel aus Deutschland. Auf der Onlineplattform Jobs.ch sind zurzeit 1822 Stellen mit dem Zusatzvermerk "m/w/d" zu finden. Auf 100000jobs.ch sind es rund 700 Stellen. Viele davon haben ihren Hauptsitz in Deutschland, wie etwa die Drogeriekette Müller. Obwohl in der Schweiz keine Pflicht für das "d" in Inseraten besteht, sucht die Kette am Standort Basel beispielsweise einen "Kassierer m/w/d".
Trans und intersexuelle Menschen erhofften sich durch das Gesetz erst mehr Gleichberechtigung. Unterdessen ist die LGBTIQ Szene jedoch der Meinung, man solle das Gesetz stoppen: Sueddeutsche vom 11. November. Der Grund:
"Der Geschlechtseintrag "divers" kann nur gewählt werden, wenn durch ein ärztliches Attest nachgewiesen wird, dass das Geschlecht weder "männlich" noch "weiblich" ist. Das Gesetz wäre an körperliche Beschaffenheiten gekoppelt. Geschlechtliche Identität ist allerdings sehr viel mehr und komplexer. Sie auf Körperlichkeiten zu reduzieren, greift viel zu kurz und ist diskriminierend."

Die Seite gibt Daten. Zwischen 0.2 und 0.5 Prozent der Bevölkerung sind nicht eindeutig Mann oder Frau. Ursache ist meist eine Abweichung im Hormon oder Chromosomenstatus. Während früher bei Kindern die intersexualität schell nach der Geburt operiert wurde, sehen die Ärzte heute das Phänomen differenzierter.
Die Sache ist meist irrelevant, doch gibt es Bereiche, wo man sensibel ist. So etwa beim Sport wo eine Geschlechtertrennung bei Rennen gemacht wird. In den USA gab das Thema vor allem im Zusammenhang mit Duschen, WC's oder Garderoben viel Diskussionen geführt wurden. Sueddeutsche:
Männlich, weiblich, divers - so lautet die neue Geschlechterordnung in Deutschland. Von Januar an gibt es ein drittes Geschlecht im Geburtenregister. Was ist divers? Was ist intersexuell? Genau wissen das die wenigsten, darum sind die Berührungsängste auch gross. Und so hat der Bundestag mit dieser Änderung des Personenstandsrechts zwar einen wichtigen Schritt getan, traut der Sache jedoch selbst nicht ganz. Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen oder die Empfindung haben, im falschen Körper zu leben, müssen nämlich weiterhin mit Attest oder eidesstattlicher Versicherung beim Standesamt vorsprechen, um ihren Eintrag ändern zu lassen. Das ist Fremdbestimmung, das ist übergriffig. Dass die Spezies Mensch aus mehr als Mann und Frau besteht, hat das Bundesverfassungsgericht klar zum Ausdruck gebracht. Bislang gab es jedoch nur die Möglichkeit, dass Standesbeamte die Geburt ohne Geschlechtsangabe eintrugen. Diese Lücke in der Rubrik, in der sonst "männlich" oder weiblich" steht, werteten die Richter als Verstoss gegen das Persönlichkeitsrecht. Denn eine geschlechtliche Identität hat jeder Mensch, auch wenn sie manchmal nicht eindeutig ist. Intersexualität Drittes Geschlecht im Geburtenregister möglich Bundestag Drittes Geschlecht im Geburtenregister möglich Nach der Geburt ist künftig auch die Angabe "divers" möglich. Bei späteren Änderungen ist jedoch ein ärztliches Attest nötig. Das stösst auf scharfe Kritik. Der Umgang der Gesellschaft mit Intersexuellen war immer diffizil: Da gab es sagenhafte Zwitterfiguren, halb Mann, halb Frau, geheimnisvolle Hermaphroditen in der Mythologie - und es gab und gibt grosse Verunsicherung, wie genau es um Menschen steht, die nicht in das vorgegebene Raster passen. Bei Intersexuellen können Chromosomen, Hormone, die inneren oder die äusseren Geschlechtsorgane nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Mal scheint es eine Mischung aus beidem zu sein, mal ist kein Penis entwickelt, mal eine Vagina. Es gibt etwa 100 000 Intersexuelle in Deutschland. Die gesetzliche Einführung des Wortes "divers" ist überfällig, um zu zeigen, dass Vielfalt normal ist. Denn noch immer lassen verunsicherte Eltern Kinder operieren, wenn deren Geschlechtsmerkmale verwirren. Oft geschieht dies ohne medizinische Notwendigkeit. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah vor, dass sich unter "divers" nur registrieren lassen darf, wer ein ärztliches Attest vorlegt. Nun wurde das Gesetz auf Protest der Grünen hin zwar abgemildert; es werden Intersexuelle ausgenommen, die nachweislich traumatisiert sind durch Ausgrenzung, Operationen und unzählige Begutachtungen. Bei ihnen reicht eine Versicherung an Eides statt. Aber dies ist eine kleinliche Hürde, um in Bahnen zu lenken, die nicht mehr existieren. Geschlechtliche Identität ist mehr als Penis und Vagina. Sie ist komplexer, sie hängt von der Psyche und vom Selbstempfinden ab. Sie ist ein Abwägen und ein Insichgehen, oft nach schmerzvollen Prozessen. Der Mensch kennt sich und seinen Körper selbst am besten. Dafür braucht es keine Diagnose. Jeder Mensch sollte sein Geschlecht so eintragen lassen dürfen, wie er es will und wie er es fühlt. In Argentinien, Dänemark, Malta, Norwegen, Belgien oder Chile ist das längst Usus. Ein Attest will auf dem Amt niemand sehen. Das befürchtete "Gender-Chaos" in all diesen Ländern ist übrigens ausgeblieben. Denn aus Jux und Tollerei ändert niemand mal so eben sein Geschlecht.

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