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www.rhetorik.ch aktuell: (29. Dez, 2011)

Bildmanipulation und Emotionen in Korea

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Bildmanipulationen sind bei autoritären Regimes gang und gäbe. Eine Wegretouchierung eines Kamerateams bei den Trauerfeiern in Nordkorea gibt jedoch Rätsel auf. Fahren Sie mit der Maus über das Bild. Die zwei Fotos sind kurz nacheinander gemacht worden. Das Kamerateam links ist jedoch nur in einem Bild zu sehen.


Spiegel:
Die pompöse Trauerzeremonie für Nordkoreas toten Diktator Kim Jong Il hat beeindruckende Bilder geliefert, aber auch einige Fragezeichen hinterlassen: Warum beweint ein geknechtetes Volk seinen toten Diktator? Was ist in der Gesichtern am Strassenrand zu sehen - echte oder gespielte Trauer? Was ist Emotion, was Inszenierung? Man weiss es nicht genau. Doch so viel ist sicher: Die perfekten Bilder vom Trauerzug durch das verschneite Pjöngjang waren etwas zu perfekt. Zwei Fotojournalisten der "New York Times" ist das zumindest an einem Beispiel aufgefallen. Es geht um ein Bild vom Trauerzug auf dem Kumsusan-Gedächtnisplatz in Pjöngjang. Die Prozession mit mehreren Wagen schiebt sich über die verschneite Strasse. Vorne fährt die Limousine mit grossem Kim-Porträt auf dem Dach. Am Strassenrand in Reih und Glied: das Volk. Es ist ein ästhetisches Bild, das Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA in die ganze Welt geliefert hat und verschiedene westliche Agenturen weiterverbreitet haben. Ein weiteres Foto der japanischen Agentur Kyodo News wurde von derselben Stelle aufgenommen. Die Wagenkarawane ist nur wenige Meter vorangefahren - und am linken Bildrand steht ein Kamerateam, von dem auf dem offiziellen nordkoreanischen Foto jede Spur fehlt. Fünf Menschen und eine Kamera. Bildreadakteure der "New York Times" schauten sich die zwei Fotos zusammen mit dem Bildmanipulationsexperten Hany Farid vom Dartmouth College genauer an. Ihr Ergebnis: Die staatliche Agentur hat die fünf Menschen und die Kamera mit Photoshop wegretuschiert. (...) Warum dann die Retusche? Auch das ist unklar. Vielleicht störte sich ein eifriger, regimetreuer Redakteur in Nordkorea einfach an dem Grüppchen, das als einziges nicht in Reih und Glied stand. Oder es sollte unbedingt der Eindruck vermieden werden, bei der Zeremonie handle es sich vor allem um eine auch für die Medien arrangierte Inszenierung.

Allzu gründlich war die Bildmanipulation allerdings nicht: Ein weiteres Foto der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur, über die Agentur AFP verbreitet, wurde von der selben Stelle aufgenommen. Es zeigt den Konvoi etwas später. Jetzt fährt die Limousine mit Kims Sarg vorbei, und am linken Rand steht plötzlich wieder: das Kamerateam.
Auch bei den Bildern der trauernden Menschen in Nordkorea fragt sich der westliche Zuschauer, wieviel da authentisch ist, oder vieviel gespielt wird. Es gilt auch zu berücksichtigen, dass die Menschen seit Jahrzehnten indoktriniert wurden. Man fügt sich in das Verhalten der Massen ein.
Aus dem "Blick":
Am Strassenrand wehklagen die Menschen in Nordkorea, als der Sarg von Kim Jong II an ihnen vorbeigeführt wird. Schreie sind zu hören, offen zeigen die Nordkoreaner ihre Trauer um ihren verstorbenen Führer. Die Fernsehsprecherin des staatlichen Senders selbst stimmt in das orchestrierte Wehklagen ein, kommentiert schluchzend die Bilder der Prozession. Eine derart zur Schau gestellte Trauer mutet seltsam an - zumal Gefühlsausbrüche im "Land ohne Lächeln" für westliche Augen selten zu beobachten sind. Sind die Tränen der Nordkoreaner wirklich echt oder reine Propaganda? Eine grosse Rolle dürften die Fernsehkameras spielen, die über die Menschenmenge gleiten. Zur "Los Angeles Times" sagt ein Professor, der sich an die Beerdigung von Kim Jong IIs Vater erinnert. "Wenn eine Kamera auf dich gerichtet ist, hast du das Gefühl getestet zu werden und deine grösste Trauer zeigen zu müssen." Ein Journalist, der mittlerweile in Südkorea lebt, sagt der Zeitung: "Wenn alle anderen weinen, fängst du auch an. Das ist die Psychologie der Masse." Bei der Beerdigung von Kim Il Sung habe er seinen Kopf gesenkt, damit niemand sehen konnte, dass er gar keine Tränen vergoss. Und eine Lehrerin berichtet, dass ihre Kinder Speichel ins Gesicht schmierten, um Tränen vorzutäuschen. Auch Ostasien-Experte Rüdiger Frank vermutet, dass die Kameras eine grosse Rolle spielen. Zu "NZZ Online" sagt er: "Es ist natürlich immer auch Schauspiel dabei, wenn Fernsehkameras dabei sind. Man weiss ja nie, wer das nachher im Fernsehen sieht und sich Notizen macht."

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