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www.rhetorik.ch aktuell: (18. Feb, 2011)

Guttenberg steht unter Druck

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg steht unter Druck. In seiner Doktorarbeit sind Textausschnitte von anderen Autoren gefunden worden. Seine politische Zukunft ist unsicher. Es sollen schon 15 Plagiatsstellen aufgetaucht sein. Heute am 18 Februar wurde gemeldet, dass Guttenberg verübergehend auf den Doktortitel verzichten. Wird Guttenberg an dieser Geschichte scheitern? Wenn ihm dien Doktortitel endgültig aberkannt wird, so wäre ein Rücktritt möglich. Es geht hier auch um einen Vorzeigefall, bei dem akademische Institutionen wohl kein Augen zudrücken dürfen. Die Entschuldigung könnte ihm aber helfen. Ein "Mea culpa" hat schon einige Politiker gerettet. Eine amusante Note: der Grossvater Guttenbergs soll ein Buch mit dem Titel "Fussnoten" geschrieben haben.
Reuters: Der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano hat die Doktorarbeit von Guttenberg einer simplen Google-Überprüfung unterzogen - und entdeckte, dass der Minister verschiedenste Passagen bei anderen abgeschrieben hat, ohne diese als Quelle auszuweisen. Seine Ergebnisse wird Professor Fischer-Lescano Ende Februar in der Fachzeitschrift "Kritische Justiz" veröffentlichen. Daraus wird ersichtlich, dass Guttenberg sich neben der Schweizer Autorin Klara Obermüller auch bei einer weiteren Schweizerin bedient hat: Ex-Nationalratspräsidentin Gret Haller (SP). Die ehemalige SP-Nationalrätin wurde 1994 Nationalratspräsidentin, war Schweizer Botschafterin beim Europarat in Strassburg. Später fungierte sie als Ombudsfrau für Menschenrechte in Bosnien und Herzegowina. Seit 2009 ist sie am Goethe-Institut in Hamburg tätig. Haller stellte ein Referat, welches sie 2003 an der Katholischen Akademie in Bayern geführt hatte, auf ihre Internet-Seite. Dabei ging es um das unterschiedliche Verständnis von Staat und Nation dies- und jenseits des Atlantiks. Das Referat fand anlässlich der Tagung "Die USA - Innenansichten einer Weltmacht" statt. Guttenberg bediente sich daraus frischfröhlich - und weist Haller nicht als Quelle aus.
Spiegel:
Fremde Textbausteine ziehen sich durch die gesamte Arbeit, ohne dass die Quelle korrekt benannt ist:

* Der Minister bediente sich freizügig aus Texten von Wissenschaftlern und Journalisten. * Er übernahm Passagen aus einem Text eines CDU-Europaabgeordneten. * Er wurde fündig auf der Internetseite der US-Botschaft in Deutschland und * in einem Aufsatz von Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz . * Er borgte sich Teile einer Festrede zur Fünfzigjahres-Feier des Bundesverfassungsgerichts. * Selbst einige Rechtschreibfehler kupferte er ab aus Originalstellen. * Die Hinweise auf die wahren Urheber der entsprechenden Absätze sind - sofern überhaupt vorhanden - verlagert ins Literaturverzeichnis.

Die Dissertation, sie sollte Guttenbergs akademischer Coup sein. Stattdessen ist sie, knapp fünf Jahre nach Vollendung, zu einem ernsten Problem geworden. Die Kommentare sind garstig, selbst jene Medien, auf die sich der Minister bislang verlassen konnte, finden kritische Worte. Die "FAZ" etwa, das Hausblatt der Akademiker, ist sich sicher: "Es wird etwas hängen bleiben." Die Schummeleien, so viel ist klar, kratzen an jenem Markenkern, für den Guttenberg in den Augen der Wählerschaft so beispielhaft steht: Seiner Glaubwürdigkeit, seiner Authentizität. Auch Meinungsforscher, die für den Minister bis zuletzt regelmässig schier überirdische Popularitätswerte ermittelten, sehen in der Debatte über die Doktorarbeit eine Gefahr für ihn. "Die wichtigste Politikereigenschaft ist das Vertrauen. Wer das verspielt, hat ein Problem", sagt Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner. So schnell dürfte der Minister die Debatte jedenfalls nicht loswerden. Im Internet durchforsten Plagiatsjäger seine Arbeit nach weiteren problematischen Stellen. Fein säuberlich listen die Nutzer ihre Fundstücke auf. Und es werden stündlich mehr. Auch die politische Debatte wird schärfer. Die Opposition, deren Angriffe zuletzt regelmässig am beliebten Minister abperlten, hat neuen Mut gefasst. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte, im Fall einer Aberkennung des Doktortitels wäre Guttenbergs Glaubwürdigkeit "völlig zerstört".
Quelle: Spiegel Animation Tagesanzeiger:
"Plagiate erfolgen vermutlich häufiger auf Stufe Proseminararbeit als auf Stufe Dissertation", sagt auch Birgit Beck, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Lehre der Universität Zürich Darüber, wie oft kopiert wird und wie hoch die Dunkelziffer ist, will sie aber nicht spekulieren. Oberste Priorität hat auch an der Uni Zürich die Prävention und damit die "Einführung" der Studierenden in das wissenschaftliche Arbeiten. Die Plagiats-Software wird erst bei Verdacht eingeschaltet. "Die UZH prüft bewusst nicht alle Arbeiten. Dadurch würden alle Studierenden unter Generalverdacht gestellt", so Beck. Das grundsätzliche Vertrauen in die Studierenden werde als wichtiger erachtet. Ferner sei die Software nicht in jedem Fall das richtige Hilfsmittel, gerade bei Ghostwriting könne das Programm wenig ausrichten. "Zu wenig harte Linie" Auch wenn sich die Plagiats-Fälle, die sich pro Jahr an einer Uni ereignen, an einer Hand abzählen lassen - ärgerlich sind sie für die Uni und ihre Dozenten trotzdem. Der Wissenschaftler Urs Dahinden, der ein Buch zum Thema Plagiate geschrieben hat, fordert denn auch mehr Härte: "Wir gehen davon aus, dass rund ein Drittel der Studenten in ihrer Studienzeit einmal oder mehrmals Plagiate in ihren Arbeiten einbauen", sagt er im Gespräch mit der "Neuen Luzerner Zeitung". "Viele Hochschulen sind noch zu wenig auf das Problem von Plagiaten sensibilisiert und fahren eine zu wenig harte Linie."
Der "Blick" vom 17. Februar, 2011
"Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung", versicherte der Beschuldigte bevor er an den Hindukusch flüchtete. In Blogs und auf Kommentar-Seiten deutscher Zeitungen wird daran jedoch ernsthaft gezweifelt. Anlass gibt nicht zuletzt die Tatsache, dass Guttenberg 2006, als er seine Dissertation fertigstellte, "ein viel beschäftigter Mann" war, wie die "Süddeutsche Zeitung" heute aufzeigt. Seit 2002 ist er Bundestags-Abgeordneter. Während sich andere Parlamentarier in den hinteren Reihen ausruhen, sammelt Guttenberg fleissig Posten und Ämter, darunter: Dazwischen findet Guttenberg dann noch Zeit, eine 475 Seiten lange Doktorarbeit zu schreiben. Kein Wunder, gehen dabei hie und da mal Anführungszeichen oder Fussnoten vergessen - oder hat etwa jemand anders die Doktorarbeit für den Freiherrn zusammengegoogelt?
Spiegel vom 18. Februrar:
Karl-Theodor zu Guttenberg wehrt sich: Die Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit wies der Minister scharf zurück. Er werde jedoch vorübergehend auf seinen Doktortitel verzichten, erklärte er - allerdings nur vor ausgewählten Journalisten. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich nach den Plagiatsvorwürfen bei seiner Doktorarbeit entschuldigt, zurücktreten will er aber nicht. Dies gab der CSU-Mann in Berlin bekannt. "Ich werde gerne bis zum Ergebnis dieser Prüfung vorübergehend, ich betone vorübergehend, auf die Führung des Titels verzichten."
Aus dem Spiegel vom 18. 2.:
Im Foyer des Verteidigungsministeriums unterdessen tritt Guttenberg vor die TV-Kameras. Er verliest seine Erklärung, Nachfragen sind nicht zugelassen. Er ist aufgeregt, muss einmal abbrechen: "Können wir nochmal...?" Er hält die Hand über die Mikros. "Ist das live gewesen jetzt gerade?" Seine Blicke gehen von links nach rechts. "Nein? Tschuldigung. War nicht live?" Dann beginnt er von vorn. Seine zentralen Sätze: Auch ein Sorry baut Guttenberg ein - allerdings kommt es nicht besonders selbstkritisch rüber: Sollte sich jemand "durch unkorrektes Setzen und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fussnoten bei insgesamt 1300 Fussnoten und 475 Seiten verletzt fühlen, so tut mir das aufrichtig leid". Guttenberg blickt dabei nicht in die Kameras. Er schaut auf den Boden. Ist das eine demütige Reaktion? Wohl eher nicht. Es ist ein Minister zu erleben, der eine rechte Wut im Bauch hat. Den diese Vorwürfe nerven, ja, der sie vielleicht auch in gewisser Weise ungehörig findet. Bezeichnend sein Satz: Er habe die Arbeit als "junger Familienvater" geschrieben, "in mühevollster Kleinarbeit".
Wie ist der Befreiungsschlag Guttenbergs zu beurteilen? Es sah nach einer Flucht nach vorn aus. Guttenberg trat nun doch vor die Medien und entschuldigte sich bei all jenen Autoren, die betroffen waren bei den Plagiaten der Dissertation, die nicht als Zitate ausgewiesen worden sind. Mit der vorübergehenden Ablegung des Doktortitels glaubte wohl der Minister, dass er mit diesem Auftritt den Druck los geworden ist. Vor allem auch, weil die Bundeskanzlerin immer noch hinter ihm steht. Für mich war die angebliche Flucht nach vorn kein Befreiungsschlag, zumal Guttenberg die Verlautbarung unweit der offiziellen Medienkonferenz vor einer ausgewählten Journalistengruppe gemacht hat. Damit wurde deutlich, dass der angeschlagenen Minister das Krisenmanagement nicht beherrscht. In Krisensituationen müssen nämlich alle Medien gleich behandelt werden! Ausschlaggebend ist nach meinem Dafürhalten das Urteil der Universität. Laufend werden neue Passagen bekannt, die abgeschrieben wurden. Da sehe ich schwarz. Würde der Minister den Doktortitel los, selbst wenn er eine Persilschein erhält, muss sich die Bevölkerung fragen, ob ein Minister noch tragbar ist, bei dem nicht gesagt ist, dass das, was er sagt, wie bei der Doktorarbeit nicht auch geschummelt sein könnte? Was ich an der Medienkonferenz am meisten vermisste: Kein Wort, wie es zu den zahlreichen Plagiaten kommen konnte.
Nachtrag vom 19. Februar, 2011: Auch Witzbolde haben ihren Spass an der Sache:


Seiten, auf denen Plagiate gefunden wurden.
Nachtrag vom 22. Februar, 2011: Guttenberg gibt seinen Titel ab. Unterdessen ist auch eine graphische Aufarbeitung der im GuttenPlag Wiki gesammelten Daten erschienen. Quellen:
Nachtrag vom 23. Februar, 2011: Offizielle wurde soeben von der Universität Guttenberg der Doktortitel entzogen. Obschon dies dem Verteidiungsminister entgegenkommen mag, steht nun doch fest: Die Arbeit war ein Plagiat. Und dies ist wieder Wasser auf die Mühlen der Opposition, die Guttenbergs Rücktritt fordern. Ein Machtkampf steht jetzt bevor. Der Entscheidet, ob sich der Minister halten kann. Erstaunlich. Laut Umfragen ist Guttenberg in der Bevölkerung beliebter denn je.
Nachtrag vom 23. Februar, 2011: Zur Live Übertragung Guttenbergs Körpersprache:

Obschon sich der Angeklagte bemühte, sich voll unter Kontrolle zu behalten, merkte man deutlich, dass es ihm nicht wohl war. Wenn er gegeisselt wurde, schimmerte im Blick Aengstlichkeit durch. Oft baute er den Stress mit einem ungewohnten "Schwanken des Oberkörpers " ab.

Immer wieder musste er sich Halt holen, indem er sich am Tisch fest klammerte oder sich abstützte. So als wäre er lieber nicht da. Was auch ungewohnt war: Bei Angriffen verschränkte er die Arme, als müsste er einen Schutzwall aufbauen. Hinsichtlich der Antworten war Guttenberg wahrscheinlich sehr gut gebrieft worden. Das inszenierte "Auslachen"(hämischer Gelächter) der linken Seite, den gezielten Buh. und Zwischenrufen zeigten Wirkung. Das war sich der Adlige nicht gewohnt. Er tat zwar so, als mache er sich nichts daraus. Doch zeigten sich "Signale des Destabilisierens" in der Stimme. Sie wurde druckloser. Guttenberg im Kreuzverhör im Bundestag.

Bild:
Kreuzverhör im Bundestag zur Doktor-Affäre von Karl-Theodor zu Guttenberg. Heute hat der Verteidigungsminister erstmals im Bundestag Stellung genommen. Er antwortete auf Fragen der Abgeordneten. Danach stand eine Parlaments-Debatte zu dem Thema an. Protokoll: 13.40 Uhr: Guttenberg setzt sich auf seinen Platz auf der Regierungsbank. Ernste Miene, er blättert durch Akten, bespricht sich mit Vertrauten. Sein Blick verrät: Guttenberg ist bewusst, was gleich auf ihn zukommt. 14.07 Uhr: Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring eröffnet die Fragestunde. Er will wissen, ob Guttenberg Konsequenzen ziehen will.

Der Minister schliesst einen Rücktritt aus: "Ich will das Amt des Verteidigungsministers weiter verantwortungsvoll ausführen", sagt Guttenberg. Jürgen Trittin von den Grünen fragt, was der Minister konkret mit der Kanzlerin Merkel besprochen hat. Guttenberg: Kein Kommentar!

Zugleich räumt er erneut Fehler ein und entschuldigt sich. Nachfrage: Warum hat der Minister die Plagiatsvorwürfe zunächst als "abstrus" eingestuft - später aber eingeräumt, dass er "gravierenden Blödsinn" aufgeschrieben hat - will Trittin wissen. Er spricht den Minister ausdrücklich als Dr. zu Guttenberg an - hämisches Gelächter im Saal. Guttenberg kämpft, geht zum Gegenangriff über.

"Ich habe bei meiner Doktorarbeit nicht bewusst und nicht vorsätzlich getäuscht". Wer anderes behaupte, müsse sich im Klaren sein, dass dies üble Nachrede bedeute. Raunen im Bundestag Guttenberg bleibt souverän. Er versucht, die Gründe für die Fehler beim Erstellen seiner Dissertation zu erläutern.

"Ich war so hochmütig zu glauben, dass mir die Quadratur des Kreises gelingt - dass ich die Arbeitsbelastungen, die Belastung durch diverse Ämter und familiäre Belastungen in Einklang bringen kann - das ist mir offensichtlich nicht gelungen", räumt der Minister ein. "Ich war offenkundig überlastet - das ist kein Grund zur Häme!" Gab es einen Ghostwriter? Thomas Oppermann (SPD) fragt, ob der Minister ausschliessen kann, dass andere Personen bei Erstellung der Doktorarbeit mitgeholfen haben. Guttenberg: "Ich habe die Doktorarbeit persönlich geschrieben!" Er wirkt bei seinen Antworten zunehmend gut vorbereitet, rhetorisch versiert. Bisher hat die Opposition ihn nicht in die Ecke drängen können. Immer wieder spricht er von seinem Schuldeingeständnis, von Fehlern, die er bereut. "Ich bin ein Mensch mit Fehlern und Schwächen", sagt er. 14.48 Uhr Kreuzverhör überstanden! Guttenberg setzt sich, eine Ministerkollegin gibt ihm einen Klaps auf die Schulter. Er strahlt erleichtert, nimmt einen Schluck Wasser.

15.42 Uhr - die Parlaments-Debatte beginnt - erster Redner: Thomas Oppermann von der SPD. Er nimmt Guttenberg sofort unter Beschuss: "Herr Guttenberg, sie haben getäuscht, betrogen und gelogen". Oppermann redet sich regelrecht in Rage - an die Adresse von Kanzlerin Merkel sagt er: "Sie beschäftigen einen akademischen Hochstapler und Lügner". Er ist parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Dann der Konter - von Hans-Peter Friedrich (CSU). Der Chef der CSU-Landesgruppe geht frontal auf Oppermann los: "Was sie hier machen, ist eine Unverschämtheit!" Immer wieder erregte Zwischenrufe aus dem Plenum ... "Was die Opposition hier macht, ist nichts als Scharfmacherei", so Friedrich. "Das ist eine Negativ-Kampagne mit Ziel, Guttenberg zu vernichten". Die Stimmung im Parlament wird immer aggressiver. 15. 55 Uhr - jetzt kommt Jürgen Trittin... Auch der Fraktions-Chef der Grünen teilt kräftig aus: "Der Minister hätte längst zurücktreten müssen!" Trittin wirkt etwas fahrig, braucht lange, um auf den Punkt zu kommen - dann der Paukenschlag: "Die Bundeswehr darf nicht von einem Felix Krull geführt werden", schimpft Trittin - und dann: " Frau Bundeskanzlerin, entlassen Sie Herrn Dr. zu Guttenberg!" 16.02 Uhr - die FDP ist dran. Stephan Thomae spricht von dem untauglichen Versuch, einem erfolgreichen Minister ein Bein zu stellen. Er lobt Guttenberg für die Aussetzung der Wehrpflicht. Die Opposition neide ihm den Erfolg und verlagere jetzt die Auseinandersetzung auf Nebenkriegsschauplätze . Guttenberg solle "klar Schiff" machen. Die FDP vertraue darauf, dass Guttenberg die Vorwürfe gegen sich rasch aufkläre. Warum schicken die Liberalen eigentlich ihren dritten Sturm aufs Eis? Die Debatte kühlt sich merklich ab. 16.07 Uhr - Dietmar Bartsch von den Linken redet jetzt. Der stellvertretende Fraktions-Chef bleibt blass. Bartsch wirft der Union Doppelmoral vor. Sein Kern-Satz: "Früher wusste der Adel, was an so einer Stelle zu tun ist."

16.11 Uhr - Guttenberg tritt erneut auf - er lässt sich nicht provozieren. Er bemerkt zunächst, wie "liebevoll" das Parlament heute mit ihm umgeht. Zugleich räumt er erneut Fehler ein. "Ich wollte das nicht aussitzen", sagt der Minister. "Ich halte mir den Spiegel selbstkritisch vor - und ich bleibe dabei: Ich habe nicht vorsätzlich gehandelt!" Und deshalb werde er auch als Minister nicht zurücktreten. Guttenberg: "Ich werde die nächsten Aufgaben mit Freunde und Enthusiasmus angehen." 16.15 Uhr: Die SPD ist wieder an der Reihe - namentlich Hans-Peter Bartels. Auch er verlangt Guttenbergs Rücktritt, seine Worte sind aber weniger scharf. 16.21 Uhr - noch einmal eine Chance für die Liberalen... Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): "Karl Theodor zu Guttenberg hat Fehler gemacht." Aber er habe sie nicht als Verteidigungsminister gemacht , sondern vor Jahren beim Abfassen einer Doktorarbeit. Der Verzicht auf den Doktortitel hält der Liberale für ein "richtiges Signal". Ein mässig spannender Vortrag. 16.25 Uhr - Krista Sager von den Grünen - noch einmal Abteilung Attacke... "Guttenberg bagatellisiert und verniedlicht - Lug und Betrug kann nicht an die Stelle von ehrlicher wissenschaftlicher Arbeit gesetzt werden", sagt Sager. Sie kritisiert auch Bildungsministerin Anette Schavan (CDU) dafür, dass sie Guttenberg verteidigt hat. Schavan hört ausdruckslos zu. 16.34 Uhr - Stabwechsel zur CDU - es wird nochmal laut... Andreas Schockenhoff greift SPD-Chef Sigmar Gabriel massiv an. Er habe Guttenberg mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi verglichen, "einen alten Mann, der Sex mit Minderjährigen" habe. Der Vergleich sei "infam, unanständig und unter der Gürtellinie". Gabriel müsse sich dafür entschuldigen. Am Ende volle Rückendeckung für Guttenberg! "Es geht ihnen nur darum, einen beliebten Minister in den Dreck zu ziehen - und das lassen wir nicht zu!", ruft Schockenhoff.

Guttenberg schaut sich die Debatte jetzt ganz entspannt an. Er scherzt mit Ministerkollegin Ilse Aigner, lacht immer wieder. 16.38 Uhr: Die SPD schickt einen Hinterbänkler ins Rennen - Burkhard Lischka... Jetzt beginnen sich die Argumente und Vorwürfe zu wiederholen. Guttenberg schaut konzentriert auf sein Handy.

Das Gröbste scheint überstanden. 16.44 Uhr - CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt ist dran - er wirft der Opposition "Rufmord an einem Mitglied der Regierung" vor. 16.51 Uhr - Karl Lauterbach von der SPD schiesst zurück... Der Mann mit der Fliege (heute sitzt sie schief): "Jeder Richter hätte nach einem solchen Betrug die Kündigung gesehen - aber für einen Minister gibt es eine Sonderbehandlung". 16.56 Uhr: Der letzte Redner tritt an - Philipp Missfelder von der CDU... Auch er spricht von "Jagdfieber" der Opposition. Guttenberg schaut immer wieder auf sein Handy, bekommt Papiere zugesteckt. Wird er über die aktuellen Entwicklungen um eine mögliche Aberkennung des Titels auf dem Laufenden gehalten? Offenbar will die Universität Bayreuth Guttenberg noch an diesem Mittwoch den Doktortitel aberkennen.... 17.03 Uhr - die Guttenberg-Schlacht im Bundestag ist beendet.
Nachtrag vom 1. März: Guttenberg zurückgetreten

Quelle: Spiegel
Aus Blick:
"Ich habe die Bundeskanzlerin in einem freundschaftlichen Gespräch informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde - und um meine Entlassung gebeten. Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens. Ich gehe ihn nicht allein wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit - wiewohl ich verstehe, dass dies für grosse Teile der Wissenschaft ein Anlass wäre. Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann. Ich trage bis zur Stunde Verantwortung in einem fordernden Amt. Verantwortung, die möglichst ungeteilte Konzentration und fehlerfreie Arbeit verlangt: Mit Blick auf die grösste Bundeswehrreform in ihrer Geschichte, die ich angestossen habe und mit Blick auf eine gestärkte Bundeswehr mit grossartigen Truppen im Einsatz, die mir engstens ans Herz gewachsen sind. Wenn allerdings - wie in den letzten Wochen geschehen - die öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschliesslich auf die Person Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den Tod und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt, so findet eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zu Lasten der mir Anvertrauten statt. Unter umgekehrten Vorzeichen gilt Gleiches für den Umstand, dass wochenlang meine Massnahmen bezüglich der Gorch Fock die weltbewegenden Ereignisse in Nordafrika zu überlagern schienen. Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten. Und deswegen ziehe ich - da das Amt, die Bundeswehr, die Wissenschaft und auch die mich tragenden Parteien Schaden zu nehmen drohen - die Konsequenz, die ich auch von anderen verlangt habe und verlangt hätte. Ich habe, wie jeder andere auch, zu meinen Schwächen und Fehlern zu stehen. Zu grossen und kleinen im politischen Handeln bis hin zum Schreiben meiner Doktorarbeit. Und mir war immer wichtig, diese vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen. Deswegen habe ich mich aufrichtig bei all jenen entschuldigt, die ich aufgrund meiner Fehler und Versäumnisse verletzt habe und wiederhole dies auch ausdrücklich heute. Manche mögen sich fragen, weshalb ich erst heute zurücktrete. Zunächst ein möglicherweise für manche unbefriedigender, aber allzu menschlicher Grund. Wohl niemand wird leicht geschweige denn leichtfertig das Amt aufgeben wollen, an dem das ganze Herzblut hängt. Ein Amt, das Verantwortung für viele Menschen und deren Leben beinhaltet. Hinzu kommt der Umstand, dass ich mir für eine Entscheidung dieser Tragweite - jenseits der hohen medialen und oppositionellen Taktfrequenz - die gebotene Zeit zu nehmen hatte. Zumal Vorgänge in Rede stehen, die Jahre vor meiner Amtsübernahme lagen. Nachdem dieser Tage viel über Anstand diskutiert wurde, war es für mich gerade eine Frage des Anstandes zunächst die drei gefallenen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen und nicht erneut ihr Gedenken durch Debatten über meine Person überlagern zu lassen. Es war auch ein Gebot der Verantwortung gegenüber diesen, ja gegenüber allen Soldaten. Und es gehört sich, ein weitgehend bestelltes Haus zu hinterlassen, weshalb letzte Woche noch einmal viel Kraft auf den nächsten, entscheidenden Reformschritt verwandt wurde, der nun von meinem Nachfolger bestens vorbereitet verabschiedet werden kann. Das Konzept der Reform steht. Angesichts massiver Vorwürfe bezüglich meiner Glaubwürdigkeit ist es mir auch ein aufrichtiges Anliegen, mich an der Klärung der Fragen hinsichtlich meiner Dissertation zu beteiligen. Zum einen gegenüber der Universität Bayreuth, wo ich mit der Bitte um Rücknahme des Doktortitels bereits Konsequenzen gezogen habe. Zum anderen habe ich zugleich Respekt vor all jenen, die die Vorgänge zudem strafrechtlich überprüft sehen wollen. Es würde daher nach meiner Überzeugung im öffentlichen wie in meinem eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen etwa bezüglich urheberrechtlicher Fragen nach Aufhebung der parlamentarischen Immunität - sollte dies noch erforderlich sein - zeitnah geführt werden könnten. Die enorme Wucht der medialen Betrachten meiner Person - zu der ich selbst viel beigetragen habe - aber auch die Qualität der Auseinandersetzung bleiben nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie. Es ist bekannt, dass die Mechanismen im politischen und medialen Geschäft zerstörerisch sein können. Wer sich für die Politik entscheidet, darf - wenn dem so ist - kein Mitleid erwarten. Das würde ich auch nicht in Anspruch nehmen. Ich darf auch nicht den "Respekt" erwarten, mit dem Rücktrittsentscheidungen so häufig entgegengenommen werden. Nun wird es vielleicht heissen, der Guttenberg ist den Kräften der Politik nicht gewachsen. Das mag sein oder nicht sein. Wenn ich es aber nur wäre, indem ich meinen Charakter veränderte, dann müsste ich gerade deswegen handeln. Ich danke von ganzem Herzen der grossen Mehrheit der Deutschen Bevölkerung, den vielen Mitgliedern der Union, meinem Parteivorsitzenden und insbesondere den Soldatinnen und Soldaten, die mir bis heute den Rücken stärkten, als Bundesminister der Verteidigung nicht zurück zu treten. Ich danke besonders der Frau Bundeskanzlerin für alle erfahrene Unterstützung und ihr grosses Vertrauen und Verständnis. Es ist mir aber nicht mehr möglich, den in mich gesetzten Erwartungen mit dem mir notwendigen Mass an Unabhängigkeit in der Verantwortung gerecht zu werden. Insofern gebe ich meinen Gegnern gerne recht, dass ich tatsächlich nicht zum Selbstverteidigungs-, sondern zum Minister der Verteidigung berufen wurde. Abschliessend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich klingen mag: Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht. Vielen Dank!"

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