Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg steht unter Druck.
In seiner Doktorarbeit sind Textausschnitte von anderen Autoren
gefunden worden. Seine politische Zukunft ist unsicher.
Es sollen schon
15 Plagiatsstellen aufgetaucht sein.
Heute am 18 Februar wurde gemeldet, dass Guttenberg verübergehend
auf den Doktortitel verzichten.
Wird Guttenberg an dieser Geschichte scheitern?
Wenn ihm dien Doktortitel endgültig aberkannt wird, so wäre
ein Rücktritt möglich. Es geht hier auch um einen Vorzeigefall,
bei dem akademische Institutionen wohl kein Augen zudrücken dürfen.
Die Entschuldigung könnte ihm aber helfen. Ein "Mea culpa" hat
schon einige Politiker gerettet. Eine amusante Note: der Grossvater
Guttenbergs soll ein Buch mit dem Titel "Fussnoten" geschrieben haben.
Reuters: Der Bremer Juraprofessor Andreas
Fischer-Lescano hat die Doktorarbeit von Guttenberg einer simplen
Google-Überprüfung unterzogen - und entdeckte, dass der Minister
verschiedenste Passagen bei anderen abgeschrieben hat, ohne diese als
Quelle auszuweisen. Seine Ergebnisse wird Professor Fischer-Lescano Ende
Februar in der Fachzeitschrift "Kritische Justiz" veröffentlichen.
Daraus wird ersichtlich, dass Guttenberg sich neben der Schweizer Autorin
Klara Obermüller auch bei einer weiteren Schweizerin bedient hat:
Ex-Nationalratspräsidentin Gret Haller (SP).
Die ehemalige SP-Nationalrätin wurde 1994
Nationalratspräsidentin, war Schweizer Botschafterin beim
Europarat in Strassburg. Später fungierte sie als Ombudsfrau
für Menschenrechte in Bosnien und Herzegowina. Seit 2009 ist sie
am Goethe-Institut in Hamburg tätig.
Haller stellte ein Referat, welches sie 2003 an der Katholischen Akademie
in Bayern geführt hatte, auf ihre Internet-Seite. Dabei ging es
um das unterschiedliche Verständnis von Staat und Nation dies-
und jenseits des Atlantiks. Das Referat fand anlässlich der Tagung
"Die USA - Innenansichten einer Weltmacht" statt. Guttenberg bediente
sich daraus frischfröhlich - und weist Haller nicht als Quelle aus.
Fremde Textbausteine ziehen sich durch die gesamte Arbeit, ohne dass
die Quelle korrekt benannt ist:
* Der Minister bediente sich freizügig aus Texten von
Wissenschaftlern und Journalisten. * Er übernahm Passagen aus
einem Text eines CDU-Europaabgeordneten. * Er wurde fündig
auf der Internetseite der US-Botschaft in Deutschland und * in
einem Aufsatz von Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz . *
Er borgte sich Teile einer Festrede zur Fünfzigjahres-Feier
des Bundesverfassungsgerichts. * Selbst einige Rechtschreibfehler
kupferte er ab aus Originalstellen. * Die Hinweise auf die wahren
Urheber der entsprechenden Absätze sind - sofern überhaupt
vorhanden - verlagert ins Literaturverzeichnis.
Die Dissertation, sie sollte Guttenbergs
akademischer Coup sein. Stattdessen ist sie, knapp fünf Jahre
nach Vollendung, zu einem ernsten Problem geworden. Die Kommentare sind
garstig, selbst jene Medien, auf die sich der Minister bislang verlassen
konnte, finden kritische Worte. Die "FAZ" etwa, das Hausblatt der
Akademiker, ist sich sicher: "Es wird etwas hängen bleiben."
Die Schummeleien, so viel ist klar, kratzen an jenem Markenkern, für
den Guttenberg in den Augen der Wählerschaft so beispielhaft
steht: Seiner Glaubwürdigkeit, seiner Authentizität. Auch
Meinungsforscher, die für den Minister bis zuletzt regelmässig
schier überirdische Popularitätswerte ermittelten, sehen in
der Debatte über die Doktorarbeit eine Gefahr für ihn. "Die
wichtigste Politikereigenschaft ist das Vertrauen. Wer das verspielt,
hat ein Problem", sagt Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner.
So schnell dürfte der Minister die Debatte jedenfalls nicht
loswerden. Im Internet durchforsten Plagiatsjäger seine Arbeit
nach weiteren problematischen Stellen. Fein säuberlich listen die
Nutzer ihre Fundstücke auf. Und es werden stündlich mehr.
Auch die politische Debatte wird schärfer. Die Opposition, deren
Angriffe zuletzt regelmässig am beliebten Minister abperlten, hat
neuen Mut gefasst. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte,
im Fall einer Aberkennung des Doktortitels wäre Guttenbergs
Glaubwürdigkeit "völlig zerstört".
"Plagiate erfolgen vermutlich häufiger auf Stufe
Proseminararbeit als auf Stufe Dissertation", sagt auch Birgit Beck,
wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Lehre der Universität
Zürich Darüber, wie oft kopiert wird und wie hoch die
Dunkelziffer ist, will sie aber nicht spekulieren.
Oberste Priorität hat auch an der Uni Zürich die Prävention
und damit die "Einführung" der Studierenden in das wissenschaftliche
Arbeiten. Die Plagiats-Software wird erst bei Verdacht eingeschaltet. "Die
UZH prüft bewusst nicht alle Arbeiten. Dadurch würden
alle Studierenden unter Generalverdacht gestellt", so Beck. Das
grundsätzliche Vertrauen in die Studierenden werde als wichtiger
erachtet. Ferner sei die Software nicht in jedem Fall das richtige
Hilfsmittel, gerade bei Ghostwriting könne das Programm wenig
ausrichten.
"Zu wenig harte Linie"
Auch wenn sich die Plagiats-Fälle, die sich pro Jahr an einer Uni
ereignen, an einer Hand abzählen lassen - ärgerlich sind sie
für die Uni und ihre Dozenten trotzdem.
Der Wissenschaftler Urs Dahinden, der ein Buch zum Thema Plagiate
geschrieben hat, fordert denn auch mehr Härte: "Wir gehen davon aus,
dass rund ein Drittel der Studenten in ihrer Studienzeit einmal oder
mehrmals Plagiate in ihren Arbeiten einbauen", sagt er im Gespräch
mit der "Neuen Luzerner Zeitung". "Viele Hochschulen sind noch zu wenig
auf das Problem von Plagiaten sensibilisiert und fahren eine zu wenig
harte Linie."
Der "Blick" vom 17. Februar, 2011
"Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung", versicherte
der Beschuldigte bevor er an den Hindukusch flüchtete. In Blogs
und auf Kommentar-Seiten deutscher Zeitungen wird daran jedoch ernsthaft
gezweifelt.
Anlass gibt nicht zuletzt die Tatsache, dass Guttenberg 2006, als er
seine Dissertation fertigstellte, "ein viel beschäftigter Mann"
war, wie die "Süddeutsche Zeitung" heute aufzeigt. Seit 2002 ist
er Bundestags-Abgeordneter. Während sich andere Parlamentarier in
den hinteren Reihen ausruhen, sammelt Guttenberg fleissig Posten und
Ämter, darunter:
Obmann im Auswärtigen Ausschuss
Rüstungspolitischer Sprecher seiner Fraktion
Leiter
des Fachausschuss Aussenpolitik in der CSU
Vorsitzender der
deutsch-britischen Parlamentarier-Gruppe
Vizepräsident der
Südosteuropa-Gesellschaft
Beirat der Bundesakademie für
Sicherheitspolitik
Dazwischen findet Guttenberg dann noch Zeit, eine 475 Seiten lange
Doktorarbeit zu schreiben. Kein Wunder, gehen dabei hie und da mal
Anführungszeichen oder Fussnoten vergessen - oder hat etwa jemand
anders die Doktorarbeit für den Freiherrn zusammengegoogelt?
Karl-Theodor zu Guttenberg wehrt sich: Die Plagiatsvorwürfe
im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit wies der Minister scharf
zurück. Er werde jedoch vorübergehend auf seinen Doktortitel
verzichten, erklärte er - allerdings nur vor ausgewählten
Journalisten.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich nach
den Plagiatsvorwürfen bei seiner Doktorarbeit entschuldigt,
zurücktreten will er aber nicht. Dies gab der CSU-Mann in
Berlin bekannt. "Ich werde gerne bis zum Ergebnis dieser Prüfung
vorübergehend, ich betone vorübergehend, auf die Führung
des Titels verzichten."
Im Foyer des Verteidigungsministeriums unterdessen tritt Guttenberg vor
die TV-Kameras. Er verliest seine Erklärung, Nachfragen sind nicht
zugelassen. Er ist aufgeregt, muss einmal abbrechen: "Können wir
nochmal...?" Er hält die Hand über die Mikros. "Ist das live
gewesen jetzt gerade?" Seine Blicke gehen von links nach rechts. "Nein?
Tschuldigung. War nicht live?" Dann beginnt er von vorn.
Seine zentralen Sätze:
"Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat, und den
Vorwurf weise ich mit allem Nachdruck von mir."
"Sie enthält
fraglos Fehler. Es wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt bewusst
getäuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich
gemacht."
"Die eingehende Prüfung und Gewichtung dieser
Fehler obliegt jetzt der Universität Bayreuth. Ich werde gerne
bis zum Ergebnis dieser Prüfung vorübergehend, ich betone,
vorübergehend auf das Führen des Titels verzichten."
Auch ein Sorry baut Guttenberg ein - allerdings kommt es nicht besonders
selbstkritisch rüber: Sollte sich jemand "durch unkorrektes Setzen
und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fussnoten bei insgesamt
1300 Fussnoten und 475 Seiten verletzt fühlen, so tut mir das
aufrichtig leid". Guttenberg blickt dabei nicht in die Kameras. Er
schaut auf den Boden.
Ist das eine demütige Reaktion? Wohl eher nicht. Es ist ein
Minister zu erleben, der eine rechte Wut im Bauch hat. Den diese
Vorwürfe nerven, ja, der sie vielleicht auch in gewisser Weise
ungehörig findet. Bezeichnend sein Satz: Er habe die Arbeit als
"junger Familienvater" geschrieben, "in mühevollster Kleinarbeit".
Wie ist der Befreiungsschlag Guttenbergs zu beurteilen?
Es sah nach einer Flucht nach vorn aus. Guttenberg trat nun doch vor die
Medien und entschuldigte sich bei all jenen Autoren, die betroffen waren
bei den Plagiaten der Dissertation, die nicht als Zitate ausgewiesen
worden sind. Mit der vorübergehenden Ablegung des Doktortitels
glaubte wohl der Minister, dass er mit diesem Auftritt den Druck los
geworden ist. Vor allem auch, weil die Bundeskanzlerin immer noch hinter
ihm steht.
Für mich war die angebliche Flucht nach vorn kein Befreiungsschlag,
zumal Guttenberg die Verlautbarung unweit der offiziellen Medienkonferenz
vor einer ausgewählten Journalistengruppe gemacht hat. Damit wurde
deutlich, dass der angeschlagenen Minister das Krisenmanagement nicht
beherrscht. In Krisensituationen müssen nämlich alle Medien
gleich behandelt werden!
Ausschlaggebend ist nach meinem Dafürhalten das Urteil der
Universität. Laufend werden neue Passagen bekannt, die abgeschrieben
wurden. Da sehe ich schwarz.
Würde der Minister den Doktortitel los, selbst wenn er eine
Persilschein erhält, muss sich die Bevölkerung fragen, ob ein
Minister noch tragbar ist, bei dem nicht gesagt ist, dass das, was er
sagt, wie bei der Doktorarbeit nicht auch geschummelt sein könnte?
Was ich an der Medienkonferenz am meisten vermisste: Kein Wort, wie es
zu den zahlreichen Plagiaten kommen konnte.
Nachtrag vom 19. Februar, 2011:
Auch Witzbolde haben ihren Spass an der Sache:
"Am Wochenende setzt sich Guttenberg erstmal hin und liest
diese Doktorarbeit, von der alle reden."
"Sieben Jahre will Guttenberg fuer die Dissertation gebraucht haben. Also nicht
einmal Strg-C kennt er, tippt tatsächlich alles ab."
Nachtrag vom 23. Februar, 2011:
Offizielle wurde soeben von der Universität Guttenberg
der Doktortitel entzogen. Obschon dies dem Verteidiungsminister
entgegenkommen mag, steht nun doch fest: Die Arbeit war ein Plagiat. Und
dies ist wieder Wasser auf die Mühlen der Opposition, die Guttenbergs
Rücktritt fordern. Ein Machtkampf steht jetzt bevor. Der Entscheidet,
ob sich der Minister halten kann. Erstaunlich. Laut Umfragen ist
Guttenberg in der Bevölkerung beliebter denn je.
Nachtrag vom 23. Februar, 2011:
Zur Live Übertragung Guttenbergs Körpersprache:
Obschon sich der Angeklagte bemühte, sich voll unter Kontrolle
zu behalten, merkte man deutlich, dass es ihm nicht wohl war. Wenn er
gegeisselt wurde, schimmerte im Blick Aengstlichkeit durch. Oft baute
er den Stress mit einem ungewohnten "Schwanken des Oberkörpers "
ab.
Immer wieder musste er sich Halt holen, indem er sich am Tisch fest
klammerte oder sich abstützte. So als wäre er lieber nicht da.
Was auch ungewohnt war: Bei Angriffen verschränkte er die Arme,
als müsste er einen Schutzwall aufbauen.
Hinsichtlich der Antworten war Guttenberg wahrscheinlich sehr gut
gebrieft worden.
Das inszenierte "Auslachen"(hämischer Gelächter) der linken
Seite, den gezielten Buh. und Zwischenrufen zeigten Wirkung. Das war
sich der Adlige nicht gewohnt. Er tat zwar so, als mache er sich
nichts daraus. Doch zeigten sich "Signale des Destabilisierens"
in der Stimme. Sie wurde druckloser. Guttenberg im Kreuzverhör
im Bundestag.
Bild:
Kreuzverhör im Bundestag zur Doktor-Affäre
von Karl-Theodor zu Guttenberg. Heute hat der Verteidigungsminister
erstmals im Bundestag Stellung genommen. Er antwortete auf Fragen der
Abgeordneten. Danach stand eine Parlaments-Debatte zu dem Thema an.
Protokoll:
13.40 Uhr: Guttenberg setzt sich auf seinen Platz auf der Regierungsbank.
Ernste Miene, er blättert durch Akten, bespricht sich mit Vertrauten.
Sein Blick verrät: Guttenberg ist bewusst, was gleich auf ihn
zukommt. 14.07 Uhr: Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring eröffnet
die Fragestunde. Er will wissen, ob Guttenberg Konsequenzen ziehen will.
Der Minister schliesst einen Rücktritt aus: "Ich will das Amt
des Verteidigungsministers weiter verantwortungsvoll ausführen",
sagt Guttenberg. Jürgen Trittin von den Grünen fragt, was der
Minister konkret mit der Kanzlerin Merkel besprochen hat. Guttenberg:
Kein Kommentar!
Zugleich räumt er erneut Fehler ein und entschuldigt sich.
Nachfrage: Warum hat der Minister die Plagiatsvorwürfe zunächst
als "abstrus" eingestuft - später aber eingeräumt, dass er
"gravierenden Blödsinn" aufgeschrieben hat - will Trittin wissen.
Er spricht den Minister ausdrücklich als Dr. zu Guttenberg an -
hämisches Gelächter im Saal. Guttenberg kämpft, geht
zum Gegenangriff über.
"Ich habe bei meiner Doktorarbeit nicht bewusst und nicht vorsätzlich
getäuscht". Wer anderes behaupte, müsse sich im Klaren sein,
dass dies üble Nachrede bedeute. Raunen im Bundestag Guttenberg
bleibt souverän. Er versucht, die Gründe für die Fehler
beim Erstellen seiner Dissertation zu erläutern.
"Ich war so hochmütig zu glauben, dass mir die Quadratur des
Kreises gelingt - dass ich die Arbeitsbelastungen, die Belastung
durch diverse Ämter und familiäre Belastungen in Einklang
bringen kann - das ist mir offensichtlich nicht gelungen", räumt
der Minister ein. "Ich war offenkundig überlastet - das ist kein
Grund zur Häme!" Gab es einen Ghostwriter? Thomas Oppermann
(SPD) fragt, ob der Minister ausschliessen kann, dass andere Personen
bei Erstellung der Doktorarbeit mitgeholfen haben. Guttenberg:
"Ich habe die Doktorarbeit persönlich geschrieben!" Er wirkt
bei seinen Antworten zunehmend gut vorbereitet, rhetorisch versiert.
Bisher hat die Opposition ihn nicht in die Ecke drängen können.
Immer wieder spricht er von seinem Schuldeingeständnis, von Fehlern,
die er bereut. "Ich bin ein Mensch mit Fehlern und Schwächen",
sagt er. 14.48 Uhr Kreuzverhör überstanden! Guttenberg setzt
sich, eine Ministerkollegin gibt ihm einen Klaps auf die Schulter.
Er strahlt erleichtert, nimmt einen Schluck Wasser.
15.42 Uhr - die Parlaments-Debatte beginnt - erster Redner: Thomas
Oppermann von der SPD. Er nimmt Guttenberg sofort unter Beschuss: "Herr
Guttenberg, sie haben getäuscht, betrogen und gelogen". Oppermann
redet sich regelrecht in Rage - an die Adresse von Kanzlerin Merkel
sagt er: "Sie beschäftigen einen akademischen Hochstapler und
Lügner". Er ist parlamentarischer Geschäftsführer
der SPD-Fraktion. Dann der Konter - von Hans-Peter Friedrich (CSU).
Der Chef der CSU-Landesgruppe geht frontal auf Oppermann los: "Was
sie hier machen, ist eine Unverschämtheit!" Immer wieder erregte
Zwischenrufe aus dem Plenum ... "Was die Opposition hier macht, ist
nichts als Scharfmacherei", so Friedrich. "Das ist eine Negativ-Kampagne
mit Ziel, Guttenberg zu vernichten". Die Stimmung im Parlament wird
immer aggressiver. 15. 55 Uhr - jetzt kommt Jürgen Trittin...
Auch der Fraktions-Chef der Grünen teilt kräftig aus:
"Der Minister hätte längst zurücktreten müssen!"
Trittin wirkt etwas fahrig, braucht lange, um auf den Punkt zu kommen -
dann der Paukenschlag: "Die Bundeswehr darf nicht von einem Felix Krull
geführt werden", schimpft Trittin - und dann: " Frau Bundeskanzlerin,
entlassen Sie Herrn Dr. zu Guttenberg!" 16.02 Uhr - die FDP ist dran.
Stephan Thomae spricht von dem untauglichen Versuch, einem erfolgreichen
Minister ein Bein zu stellen. Er lobt Guttenberg für die Aussetzung
der Wehrpflicht. Die Opposition neide ihm den Erfolg und verlagere jetzt
die Auseinandersetzung auf Nebenkriegsschauplätze . Guttenberg
solle "klar Schiff" machen. Die FDP vertraue darauf, dass Guttenberg
die Vorwürfe gegen sich rasch aufkläre. Warum schicken die
Liberalen eigentlich ihren dritten Sturm aufs Eis? Die Debatte kühlt
sich merklich ab. 16.07 Uhr - Dietmar Bartsch von den Linken redet jetzt.
Der stellvertretende Fraktions-Chef bleibt blass. Bartsch wirft der
Union Doppelmoral vor. Sein Kern-Satz: "Früher wusste der Adel,
was an so einer Stelle zu tun ist."
16.11 Uhr - Guttenberg tritt erneut auf - er lässt sich nicht
provozieren. Er bemerkt zunächst, wie "liebevoll" das Parlament
heute mit ihm umgeht. Zugleich räumt er erneut Fehler ein. "Ich
wollte das nicht aussitzen", sagt der Minister. "Ich halte mir den
Spiegel selbstkritisch vor - und ich bleibe dabei: Ich habe nicht
vorsätzlich gehandelt!" Und deshalb werde er auch als Minister
nicht zurücktreten. Guttenberg: "Ich werde die nächsten
Aufgaben mit Freunde und Enthusiasmus angehen." 16.15 Uhr: Die SPD
ist wieder an der Reihe - namentlich Hans-Peter Bartels. Auch er
verlangt Guttenbergs Rücktritt, seine Worte sind aber weniger
scharf. 16.21 Uhr - noch einmal eine Chance für die Liberalen...
Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): "Karl Theodor zu Guttenberg
hat Fehler gemacht." Aber er habe sie nicht als Verteidigungsminister
gemacht , sondern vor Jahren beim Abfassen einer Doktorarbeit. Der
Verzicht auf den Doktortitel hält der Liberale für ein
"richtiges Signal". Ein mässig spannender Vortrag. 16.25 Uhr -
Krista Sager von den Grünen - noch einmal Abteilung Attacke...
"Guttenberg bagatellisiert und verniedlicht - Lug und Betrug kann nicht
an die Stelle von ehrlicher wissenschaftlicher Arbeit gesetzt werden",
sagt Sager. Sie kritisiert auch Bildungsministerin Anette Schavan (CDU)
dafür, dass sie Guttenberg verteidigt hat. Schavan hört
ausdruckslos zu. 16.34 Uhr - Stabwechsel zur CDU - es wird nochmal
laut... Andreas Schockenhoff greift SPD-Chef Sigmar Gabriel massiv an. Er
habe Guttenberg mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio
Berlusconi verglichen, "einen alten Mann, der Sex mit Minderjährigen"
habe. Der Vergleich sei "infam, unanständig und unter der
Gürtellinie". Gabriel müsse sich dafür entschuldigen.
Am Ende volle Rückendeckung für Guttenberg! "Es geht ihnen
nur darum, einen beliebten Minister in den Dreck zu ziehen - und das
lassen wir nicht zu!", ruft Schockenhoff.
Guttenberg schaut sich die Debatte jetzt ganz entspannt an. Er scherzt
mit Ministerkollegin Ilse Aigner, lacht immer wieder. 16.38 Uhr: Die
SPD schickt einen Hinterbänkler ins Rennen - Burkhard Lischka...
Jetzt beginnen sich die Argumente und Vorwürfe zu wiederholen.
Guttenberg schaut konzentriert auf sein Handy.
Das Gröbste scheint überstanden. 16.44 Uhr -
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt ist dran - er wirft der
Opposition "Rufmord an einem Mitglied der Regierung" vor. 16.51 Uhr -
Karl Lauterbach von der SPD schiesst zurück... Der Mann mit der
Fliege (heute sitzt sie schief): "Jeder Richter hätte nach einem
solchen Betrug die Kündigung gesehen - aber für einen Minister
gibt es eine Sonderbehandlung". 16.56 Uhr: Der letzte Redner tritt an
- Philipp Missfelder von der CDU... Auch er spricht von "Jagdfieber"
der Opposition. Guttenberg schaut immer wieder auf sein Handy, bekommt
Papiere zugesteckt. Wird er über die aktuellen Entwicklungen um eine
mögliche Aberkennung des Titels auf dem Laufenden gehalten? Offenbar
will die Universität Bayreuth Guttenberg noch an diesem Mittwoch
den Doktortitel aberkennen.... 17.03 Uhr - die Guttenberg-Schlacht im
Bundestag ist beendet.
"Ich habe die Bundeskanzlerin in einem freundschaftlichen Gespräch
informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern
zurückziehen werde - und um meine Entlassung gebeten.
Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens.
Ich gehe ihn nicht allein wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit -
wiewohl ich verstehe, dass dies für grosse Teile der Wissenschaft
ein Anlass wäre.
Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten
Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch
nachkommen kann.
Ich trage bis zur Stunde Verantwortung in einem fordernden Amt.
Verantwortung, die möglichst ungeteilte Konzentration und fehlerfreie
Arbeit verlangt: Mit Blick auf die grösste Bundeswehrreform in ihrer
Geschichte, die ich angestossen habe und mit Blick auf eine gestärkte
Bundeswehr mit grossartigen Truppen im Einsatz, die mir engstens ans
Herz gewachsen sind.
Wenn allerdings - wie in den letzten Wochen geschehen - die
öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschliesslich auf die
Person Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den Tod
und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt, so findet eine dramatische
Verschiebung der Aufmerksamkeit zu Lasten der mir Anvertrauten statt.
Unter umgekehrten Vorzeichen gilt Gleiches für den Umstand,
dass wochenlang meine Massnahmen bezüglich der Gorch Fock die
weltbewegenden Ereignisse in Nordafrika zu überlagern schienen.
Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen
soll, kann ich dies nicht mehr verantworten.
Und deswegen ziehe ich - da das Amt, die Bundeswehr, die Wissenschaft
und auch die mich tragenden Parteien Schaden zu nehmen drohen -
die Konsequenz, die ich auch von anderen verlangt habe und verlangt
hätte.
Ich habe, wie jeder andere auch, zu meinen Schwächen und Fehlern
zu stehen. Zu grossen und kleinen im politischen Handeln bis hin
zum Schreiben meiner Doktorarbeit. Und mir war immer wichtig, diese
vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen. Deswegen habe ich
mich aufrichtig bei all jenen entschuldigt, die ich aufgrund meiner
Fehler und Versäumnisse verletzt habe und wiederhole dies auch
ausdrücklich heute.
Manche mögen sich fragen, weshalb ich erst heute zurücktrete.
Zunächst ein möglicherweise für manche unbefriedigender,
aber allzu menschlicher Grund. Wohl niemand wird leicht geschweige
denn leichtfertig das Amt aufgeben wollen, an dem das ganze Herzblut
hängt. Ein Amt, das Verantwortung für viele Menschen und
deren Leben beinhaltet.
Hinzu kommt der Umstand, dass ich mir für eine Entscheidung dieser
Tragweite - jenseits der hohen medialen und oppositionellen Taktfrequenz
- die gebotene Zeit zu nehmen hatte. Zumal Vorgänge in Rede stehen,
die Jahre vor meiner Amtsübernahme lagen.
Nachdem dieser Tage viel über Anstand diskutiert wurde, war es
für mich gerade eine Frage des Anstandes zunächst die drei
gefallenen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen und nicht erneut
ihr Gedenken durch Debatten über meine Person überlagern zu
lassen. Es war auch ein Gebot der Verantwortung gegenüber diesen,
ja gegenüber allen Soldaten.
Und es gehört sich, ein weitgehend bestelltes Haus zu hinterlassen,
weshalb letzte Woche noch einmal viel Kraft auf den nächsten,
entscheidenden Reformschritt verwandt wurde, der nun von meinem Nachfolger
bestens vorbereitet verabschiedet werden kann. Das Konzept der Reform
steht.
Angesichts massiver Vorwürfe bezüglich meiner
Glaubwürdigkeit ist es mir auch ein aufrichtiges Anliegen, mich
an der Klärung der Fragen hinsichtlich meiner Dissertation zu
beteiligen. Zum einen gegenüber der Universität Bayreuth, wo
ich mit der Bitte um Rücknahme des Doktortitels bereits Konsequenzen
gezogen habe.
Zum anderen habe ich zugleich Respekt vor all jenen, die die Vorgänge
zudem strafrechtlich überprüft sehen wollen. Es würde
daher nach meiner Überzeugung im öffentlichen wie in meinem
eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen
etwa bezüglich urheberrechtlicher Fragen nach Aufhebung der
parlamentarischen Immunität - sollte dies noch erforderlich sein -
zeitnah geführt werden könnten.
Die enorme Wucht der medialen Betrachten meiner Person - zu der ich selbst
viel beigetragen habe - aber auch die Qualität der Auseinandersetzung
bleiben nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie.
Es ist bekannt, dass die Mechanismen im politischen und medialen
Geschäft zerstörerisch sein können. Wer sich für die
Politik entscheidet, darf - wenn dem so ist - kein Mitleid erwarten. Das
würde ich auch nicht in Anspruch nehmen. Ich darf auch nicht den
"Respekt" erwarten, mit dem Rücktrittsentscheidungen so häufig
entgegengenommen werden.
Nun wird es vielleicht heissen, der Guttenberg ist den Kräften
der Politik nicht gewachsen. Das mag sein oder nicht sein. Wenn ich es
aber nur wäre, indem ich meinen Charakter veränderte, dann
müsste ich gerade deswegen handeln.
Ich danke von ganzem Herzen der grossen Mehrheit der Deutschen
Bevölkerung, den vielen Mitgliedern der Union, meinem
Parteivorsitzenden und insbesondere den Soldatinnen und Soldaten, die
mir bis heute den Rücken stärkten, als Bundesminister der
Verteidigung nicht zurück zu treten.
Ich danke besonders der Frau Bundeskanzlerin für alle erfahrene
Unterstützung und ihr grosses Vertrauen und Verständnis.
Es ist mir aber nicht mehr möglich, den in mich gesetzten Erwartungen
mit dem mir notwendigen Mass an Unabhängigkeit in der Verantwortung
gerecht zu werden.
Insofern gebe ich meinen Gegnern gerne recht, dass ich tatsächlich
nicht zum Selbstverteidigungs-, sondern zum Minister der Verteidigung
berufen wurde.
Abschliessend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich
klingen mag:
Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner
Kräfte erreicht.
Vielen Dank!"