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www.rhetorik.ch aktuell: (11. Sep, 2010)

Das Phantom von Biel

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Es ist ein einzigartiger Fall für die Schweiz: der Rentner Peter Hans Kneubühl ist immer noch auf der Flucht.

Der ehemalige Berufsschulllehrer gilt als ausgebuffter Planer, der die "Verteidigung" seines Hauses genau geplant hat. Am 8. September wäre das Elternhaus des Rentners zwangsversteigert worden. Ihm selbst drohte eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik. Er hat sich mit Checklisten perfekt auf die mögliche Konfrontation mit den Behörden und Polizei vorbereitet. In der Nacht soll er jeweils sein Haus umgebaut haben, Verteidigungsmassnahmen eingebaut und die Umgebung rekognosziert.

Im einem "Tagesanzeiger" Artikel vom 11. September liest man von Spekulationen, dass der Mann die Medienberichte über sein Verschwinden mit Interesse verfolge.

Die Polizei kommt immer stärker unter Druck, denn je länger der ältere Mann nicht gefunden wird, um so älter sieht die Polizei aus.

Interessanterweise findet man in Leserbriefen auch viel Verständnis für den Mann, der sich gegen die Staatsorgane wehrt.

Es ist ein Vorfall, den man sich nur im Film realisiert denken könnte.
In 20min wird ein Psychologe zitiert, der die Vorgehensweise der Polizei kritisiert:

Notfall-Psychologe kritisiert Polizei

Herbert Wyss ist Notfall-Psychologe und berät Gemeinden und Schulen bei Gewaltvorfällen und Amokdrohungen. Noch vor einem halben Jahr trat er im Kanton Bern an einer kantonalen Fachtagung auf und hatte darauf hingewiesen, wie wichtig von Beginn an eine Unterstützung durch psychologische Fachrkräfte ist, wie der "Sonntag" berichtet. Wyss sagt: "Einen psychisch kranken Menschen holt man aber mit Fachleuten in einem geschützten Rahmen ab - nicht mit einer Interventionseinheit. Das ist in einer solchen Situation das falsche Mittel."

Zur Eskalation sei es erst mit der massiven Polizeipräsenz gekommen: "Es war eine zusätzliche Provokation. Er wurde nur noch mehr in die Enge getrieben. Das löste die Gewalthandlungen letztlich aus. Da hat er sich einen Fluchtweg freigeschossen." Man müsse zu einem solchen Menschen "zuerst wieder den Zugang finden und ihm zeigen, dass man ihn versteht", so Wyss, der auch Polizisten ausgebildet hat. Das Haus des Schützen in Biel sei "der letzte zentrale Bezugsort gewesen". Mit der bevorstehenden Zwangsräumung sei dieser Teil weggebrochen: "Er fühlt sich vermutlich von der Gesellschaft nicht gerecht behandelt". Die psychische Situation des Mannes sei "offensichtlich zu wenig berücksichtigt worden." Zu diesem Schluss werde die Polizei selber auch kommen müssen. Als Notfallpsychologe sei für ihr erkennbar, "dass dieser Fall eine jahrelange Vorgeschichte hat". Man hätte die vielen Symptome erkennen und dem psychisch kranken Mann notfallpsychologische Unterstützung zusichern können: "So hätte die Gewalteskalation im Vorfeld verhindert werden können. Leider wird das oft unterlassen."


Blick

Was soll das, Herr Blättler? Amok-Schütze von Biel: Was soll das, Herr Blättler? Seit Mittwoch führt Peter Hans Kneubühl (67) Hunderte Elitepolizisten in Biel an der Nase herum. Gestern Abend durchsuchten schwerbewaffnete Beamte erneut die Gebüsche beim Quartierschulhaus Linde. Erfolglos. Auch das Kneubühl-Haus stellten sie wieder einmal auf den Kopf. Erfolglos. Und den Garten dahinter durchkämmten sie auch noch mal. Erfolglos. Die Polizei attestierte dem Mann, einem Mathematiker, eine hohe Intelligenz. Doch sie hat ihn unterschätzt. "Wir nahmen an, dass es sich um einen Routine-Einsatz handelt", meinte der Berner Kantonspolizeikommandant Stefan Blättler gestern zu SonntagsBlick. Doch jetzt sei nicht der geeignete Moment, den Einsatz der Polizei zu hinterfragen. "Was schieflief, analysieren wir später." Da gibt es viel zu tun. Zweimal schoss Kneubühl und verletzte einen Polizisten schwer. Zweimal liess ihn die Polizei entkommen. Wie konnte das passieren? Warum stürmte die Polizei das Haus nicht schon am Mittwoch, als die Nachbarn evakuiert waren? Warum -leuchtete die Polizei das Haus nicht taghell aus, so dass Kneubühl unmöglich im Schutz der Dunkelheit abhauen konnte? Warum schoss keiner der Polizisten zurück, als einer ihrer Kollegen zusammenbrach?




Nachtrag vom 13. September, 2010:

Noch ist Kneubühl nicht gefunden worden. Man weiss von einem Erdloch im Gebüsch, wo Kneubühl als Bub gern gespielt hatte. Nachbarn sollen in einem Wald Schüsse gehört haben. Beamte sollen sich in evakuierten Häusern im Quartier in Stellung gebracht haben. Man erwartet, dass Kneubühl zurückkommt. Es wird immer noch darüber debattiert, ob die Schule den Betrieb wieder aufnimmt.

Es ist damit zu rechnen, dass das Katz- und Mausspiel noch länger dauert und der clevere Rentner sich so verhält, dass er sich am Schluss nicht einmal selbst umbringen muss, sondern als Opfer von der Polizei niedergeschossen wird. Ein solches Ende wäre eine PR Katastrophe für die Behörden. Schon jetzt sind viele Sympathien beim gejagten Renter.

Der Bilck hat eine Traumgeschichte:


Nachtrag vom 14. September, 2010

Was passierte, wenn die teure Polizeiaktion reduziert würde? Kneubühl wird nur gefährlich, wenn er provoziert wird. Das wärre billiger und vielleicht auch erfolgreicher. Ohne die massive Polizeipräsenz wären die die Chancen grösser, dass der Mann wieder auftaucht und dann friedlich in Gewahrsam genommen werden kann. Doch haben die Behörden keine Wahl: ohne sichtbare Polizeipräsenz würde man der Polizei den Vorwurf machen, dass sie nichts, oder zu wenig unternehmen. Diesen Vorwurf kann man ihr jetzt nicht machen.

Manchmal ist es aus PR Gründen nötig, Dinge zu unternehmen, die nicht immer Sinn machen. Man hatte das auch beim BP Ölunglück gesehen. Man hat Chemikalien verspüht, um etwas gegen die Öpest zu unternehmen. Diese Chemikalien waren dann aber eine zusätzliche Belastung.


Nachtrag vom 15. September: Fortsetzung der Pannenserie im Fall Kneubühl

Der Polizei ist ein Fehler unterlaufen: Das erste Fahndungsbild zeigt den Vater von Peter Hans Kneubühl. Nach Blick hatte die Schwester aus Frankreich der örtlichen Polizei ein Foto zukommen lassen, auf dem Kneubühl senior, junior und die Mutter abgebildet waren. Es sei dann die falsche Person aus der Aufnahme geschnitten worden und der Kantonspolizei weitergegeben worden.

Quelle: 20 Minuten


Peter aus Biel hielt sich in Pieterlen.
Nachtrag vom 17. September, 2010: Nach 9 Tagen ist Peter Kneubühl endlich gefunden worden. Die Polizei war einem Hinweis aus Pieterlen nachgegagen. Die Kapo konnte ihn mit Hilfe von Hunden in einer Schrebergartensiedlung finden. Die Siedlung befindet sich in der Nähe eines Altersheims, wo die Tante von K. wohnte. Der Rentner soll sich zeitweise in der Taubenlochschlucht zwischen Frinvilier und Boezingen versteckt gehalten haben.



Nachtrag vom 18. September, 2010: War Kneubühl ein Fremdenlegionär?

Der Blick:

Dass er sich über eine so lange Zeit derart erfolgreich unsichtbar machen konnte, hat er vielleicht dem Umstand zu verdanken, dass er ein ehemaliger Fremdenlegionär ist. Das berichtet das "Journal du Jura" gemäss einer gut informierten Quelle. Er soll zwischen 1963 und 1976 in Frankreich gedient haben.

Er sei sehr gut ausgebildet und habe so keine Schwierigkeiten gehabt, sich dem Zugriff der Beamten zu entziehen. Die Berner Kantonspolizei wollte den Bericht nicht kommentieren.


Der Blick gibt auch eine Presseshow:

Die Polizei kommt in der heutigen Berner Presse schlecht weg. Der tagelange Grosseinsatz habe zwar "bestmöglich" geendet, räumt die "Berner Zeitung" ein. Doch im Verlauf der Fahndung habe die Polizei ein desolates Bild abgegeben. Auch der "Bund" erteilt der Polizei keine guten Noten. Das falsche Fahndungsbild sei ebenso schwer erklärbar wie der Umstand, dass der Rentner den Polizeikräften zweimal entwischen konnte. Dass im finalen Akt ein Hund die Hauptrolle gespielt habe, sei "nicht ganz frei von Ironie".
20 Minuten hat eine Timeline:

Mittwoch, 8.9.2010: Am Mittwochmorgen gibt es im Bieler Lindenquartier einen Riesenkrach. Es fallen Schüsse. Die Polizisten weisen die Bewohner an, in ihren Häusern zu bleiben. Bald wird klar: Im Haus am Bieler Mon-Désir-Weg 9 hat sich ein Mann verschanzt. Das Haus wird von Spezialeinheiten umstellt.

Donnerstag, 9.9.2010: Um 1 Uhr nachts kommt der Bewohner aus dem Haus und schiesst mit einem Gewehr ohne Vorwarnung einem Polizisten ins Gesicht. In der Aufregung um den schwer verletzten Kollegen entkommt der Rentner. Die Polizei ist aber nicht sicher, ob der Mann nicht doch noch im Haus sein könnte. Polizisten durchsuchen bis am Mittag das Lindenquartier, dringen aber aus Vorsicht nicht ins Haus ein. Das gesamte Quartier wird am Morgen schon abgesperrt, die Bewohner weggeschickt, die Schule geschlossen. Erst am Nachmittag stürmt eine Spezialeinheit das Haus und stellt fest, dass Peter K. wirklich entwischt ist. Am Abend leitet die Kantonspolizei Bern eine Grossfahndung nach Peter K. ein. Sie veröffentlicht ein Bild und bittet die Bevölkerung zur Mithilfe. Jetzt wird auch bekannt, was zum Ausrasten von Peter K geführt hat: Das Haus am Mon-Désir-Weg, in dem Peter K. wohnt, soll zwangsversteigert werden. Am Mittwoch, 8. September, hätte der erste Besichtigungstermin sein sollen.

Freitag, 10.9.2010: In der Nacht auf Freitag kommt Peter K. in sein Quartier zurück. Aus grosser Distanz schiesst er auf die Beamten. Diese erwidern das Feuer. Verletzt wird niemand, doch der gross gewachsene Peter K. kann wieder verschwinden, wie er gekommen ist: unbemerkt. Nun steht der Polizeieinsatz in der Kritik. Eine erste Pressekonferenz wird eilig einberufen. Bieler Polizeichef Gaudy gibt zu: "Peter K. ist uns einen Schritt voraus." Die Polizei bezeichnet Peter K. als äusserst gewalttätig. Die Schule bleibt geschlossen. Zahlreiche Schaulustige kommen nun ins Lindenquartier. Am Freitagabend verhaften zwei Polizisten fälschlicherweise einen Bieler Rentner. Er trug ein Nachtsichtgerät auf sich.

Samstag, 11.9.2010: An der zweiten Pressekonferenz schildert die Polizei ihre Ermittlungsergebnisse. Peter K. habe seine Tat seit Jahren geplant und minutiös vorbereitet. Er habe Checklisten für einen bewaffneten Konflikt geführt und auch einen Fluchtplan erstellt. Er wollte offenbar im Schusswechsel mit der Polizei sterben. Die Tage vor dem 8. September hat er in seinem Tagebuch rückwärts gezählt. Jetzt wird auch klar: Peter K. hat eine riesige Wut auf die Behörden und verfasste zahlreiche über 100-seitige Schreiben. Der Bieler Regierungsstatthalter Werner Könitzer und der Vize-Statthalter Philippe Garbani werden von der Polizei beschützt und schlafen nicht mehr an ihren Wohnorten. Die Polizei sagt auch, wieso sie vorgewarnt zum Besichtigungstermin des Hauses kam: Einem im Ausland lebenden Cousin hat Peter K. geschrieben, dass dies das Ende sei und dass er die Polizei kenne. Der Cousin informierte darauf die Polizei.

Sonntag, 12.9.10: Peter K. ist weiterhin auf der Flucht. Am Nachmittag veröffentlicht die Polizei einen Brief an Peter K., aus der Feder von dessen Cousin. Darin appelliert der in England wohnende Mann an Peter K., nicht Unrecht mit Unrecht zu vergelten. Die Polizei veröffentlicht den Brief in der Hoffnung, Peter K. nehme Kontakt mit seinem Cousin auf. Auch aus der Bevölkerung gehen zahlreiche Hinweise ein, die von der Polizei überprüft werden. Doch Peter K. wird nicht gefunden.

Montag, 13.9.10: Auch am 6. Tag gibt es keine Spur von Peter K. Die Polizei beruft ihre nächste Pressekonferenz ein und veröffentlicht neue Fahndungsbilder des Rentners. Darauf sieht der Mann plötzlich völlig anders aus. Gleichzeitig sagt der Berner Kripo-Chef Christoph Kipfer: "Wir wollen Peter K. kennenlernen." Er äussert auch den Verdacht, dass der flüchtige Rentner nicht mehr am Leben sein könnte. Mit einem Flugzeug lassen die Behörden Flugblätter mit dem Brief von Peter K.s Cousin über der Region Biel abwerfen. Am Abend demonstrieren rund zwanzig Personen für Peter K.

Dienstag, 14.9.2010: An der vierten Pressekonferenz präsentiert die Polizei das Waffenarsenal, das sie im Haus am Mon-Désir-Weg 9 ausgehoben hat. Auf Bildern zeigt sie mehrere Pistolen, selbst gemachte Munition, einen grossen Waffenschrank, eine Armbrust, Pfeile und einen geöffneten Tresor, in dem sich 50 000 Franken befanden. Die Kosten des Einsatzes belaufen sich bereits auf mehrere Millionen Franken. Daneben gibt es auch eine gute Nachricht: Der angeschossene Polizist ist auf dem Weg der Besserung. "Er ist ansprechbar und guter Dinge", sagt Polizeikommandant Stefan Blättler an der Pressekonferenz. Auch die Medien vermelden neuen Einzelheiten: So soll Peter K. bereits 30 Jahre unangemeldet in Biel wohnen und deshalb verzeigt worden sein.

Mittwoch, 15.9.10, Tag 8 des Einsatzes: Die Polizei muss eingestehen, zunächst die falschen Fotos veröffentlicht zu haben. Statt Peter K. war darauf sein Vater zu sehen. Laut Medien soll Peter K. eine Todes-Liste mit zehn Berner Politikern und Mitarbeitern der Bieler Stadtverwaltung erstellt haben. Die Polizei steht je länger je mehr in der Kritik. Sogar der Präsident des Berner Polizeiverbandes fordert nun eine Untersuchung des Einsatzes. Derweil durchsucht die Berner Polizei zwei Häuser im Jura. Eines war bis vor rund zehn Jahren das Ferienhaus der Familie gewesen. Die Suche bleibt ohne Erfolg.

Donnerstag, 16.9.10: Weiterhin führt keine Spur zum Rentner. Eine nächste Pressekonferenz wird einberufen. "Wir gehen davon aus, dass wir Peter K. lebend finden werden", sagt Polizei-Direktor Stefan Blättler. Derweil sorgen neue Enthüllungen in den Medien für Aufruhr: Peter K. soll seit 2007 zur Verhaftung ausgeschrieben sein. Am Abend erhalten die Beamten offenbar einen neuen Hinweis: Suchhunde verfolgen eine Spur vom Alterszentrum in Pieterlen (bei Biel) durch den Wald und in Schrebergärten. Einsatzwagen und schwer bewaffnete Polizisten sind unterwegs. Offenbar verlieren sie die Spur jedoch.

Freitag, 17.9.10: Morgens um 6 Uhr findet die Polizei Peter K. dank eines Hinweises aus der Bevölkerung. Sie verfolgt ihn über eine Wiese. Der Hundeführer lässt Polizeihund Faro von der Leine. Mit einem Biss stellt er den fiehenden Rentner schliesslich im Champagne-Quartier in Biel. Laut gut informierten Quellen habe er sich zuvor in der Taubenlochschlucht versteckt.






Happy End: aus Sonntag vom 19. September, 2010





Diensthund Faro.
Nachtrag vom 19. September, 2010 20 Min berichtet, dass die Suche hat laut "Sonntag mindestens 4.3 Millionen Franken gekostet, nur schon aus den Personalkosten. Allerdings sind solche Rechnungen mit Vorbehalt zu betrachten: Die ganze Übung war lehrreiches Training für die Polizei. Die Behörden würden in einer nächsten Krise weniger Fehler machen. Zusätzlich bekamen die Schweizer Medien durch diese Geschichte ein riesen Geschenk. Die Flucht hat gross zur Unterhaltung beigetragen. Es war fast eine Reality Show. Was noch gefehlt hat, sind live Kamera Berichte mit Kameras auf den Helmen der Polizei, von den Helikoptern, oder am Halsband des Dienshundes "Faro", der den Flüchtigen am Ende gefasst hat.



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